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Eine Stunde später, nach langem in der Sonne Trocknen, machten sich Clarkes Schwester und ihr Mann auf den Weg ins Casino und liessen uns mit den Kindern alleine. Mia war voller Energie und rannte aufgeregt durchs ganze Haus. Für ihr Alter war ihr kleiner Kopf voller Ideen, die sie natürlich sofort jedem mitteilen musste. Clarke und ich wurden ohne Pause vollgequasselt und Nino sah nur verwirrt von einer zur anderen. Irgendwann schafften wir es, die beiden vor den Fernseher zu setzen und atmeten kurz auf. Clarke grinste mich an und liess sich nach hinten fallen, direkt neben Mia aufs Sofa. Ich muss zugeben, ich hatte kurz daran gezweifelt, dass wir es schaffen würden sie ruhig zu stellen. Mia durfte jeden Abend vor dem Schlafen gehen eine Folge Paw Patrol anschauen. Die Serie war eigentlich nicht mal so schlecht.

Als diese eine Folge vorbei war, versuchte das Mädchen noch, uns zu überreden: "Bitte noch eine!" Sie machte einen riesen Schmollmund und riss ihre Augen auf. Da fiel einem 'Nein' sagen schon fast schwer. Doch Clarke schüttelte bestimmt den Kopf und fuhr der Kleinen durchs Haar. "Es ist sowieso schon viel später als sonst. Na komm." Sie stand auf und nahm Nino auf den Arm, der schon auf dem Sofa eingenickt war. Jetzt klammerte er sich an ihre Schultern und schloss wieder die Augen, das Gesicht an ihren Hals geschmiegt. Ihre Hand streichelte sanft den Rücken des Jungen und so stieg sie langsam die Treppen hinauf. Ich signalisierte Mia, dass sie leise sein musste, weil ihr Bruder schon schlief und sie nickte eifrig. "Kannst du mich auch hoch tragen?", flüsterte sie dann und streckte schon die kleinen Arme in die Luft. Ich lächelte und nickte. Sie sprang fröhlich auf meinen Rücken und nachdem ich sie noch einmal hochgeworfen hatte, damit sie richtig sass, machten auch wir uns auf den Weg nach oben.

Clarke und ich sassen wieder auf dem Sofa und warfen uns gegenseitig Flips  in den Mund. Wir versuchten es jedenfalls. Sie fing sie auf jeden Fall besser als ich. Im Hintergrund lief irgendeine Serie, worum es ging hatte ich nicht wirklich mitbekommen. Vielleicht war das jetzt ein guter Moment, um das Thema Erin aufzugreifen. Ich nahm meine Beine von ihrem Schoss und setzte mich gerade hin. "Hey ähm, wegen vorher. Willst du nochmal über Erin reden?" Meine Stimme zitterte etwas, es war mir irgendwie unangenehm mit ihr darüber zu reden. Sie lehnte sich ein wenig zu mir, um ein paar Flips zu hamstern. Dabei kam sie mir so nahe, dass ich ihr Shampoo riechen konnte. "Ja klar, erzähl mal. Wie ist sie so?", fragte sie neugierig. Ich lachte und die Situation fühlte sich schon besser an, auch wenn es ein nervöses Lachen war. "Also sie ist nett. Sehr direkt, sie zeigt ganz offen ihr Interesse an mir. Das ist irgendwie komisch, ungewohnt." Clarke schien jetzt noch neugieriger zu sein. "Schreibt ihr miteinander? Wenn ja, musst du mir unbedingt den Chatverlauf zeigen." Jetzt war sie voll dabei und setzte sich im Schneidersitz vor mich. Ich zuckte mit den Schultern und holte mein Handy aus der Hosentasche, ausserdem ein paar Flips aus der Tüte, zur Beruhigung. Ich war nervös, wollte ihr die Chats nicht zeigen. Als wäre es ein Geheimnis, als würde ich mich für Erin schämen. "Bitteschön.", nuschelte ich, während ich die Flips kaute und überreichte ihr feierlich mein Handy. Sie las einige Nachrichten und mit jeder weiteren klappte ihr Unterkiefer weiter nach unten. Irgendwann schaute sie mich ungläubig an. "Die geht ja richtig ran! Die hat auch keinen Sinn für Diskretion oder?" Ich lachte und zuckte wieder mit den Schultern. "Na sie weiss eben, was sie will." Clarke war empört über Erins Flirtversuche und offensichtlichen Anmachen. Zugegeben, es war schon sehr komisch so direkt zu sein. Könnte ja auch sein, dass ich es als Belästigung bezeichnen würde, oder so. Nur genoss ich es irgendwie, so behandelt zu werden, als würde ich gewollt werden. Machte mich das zu einem schlechten Menschen? "Oh gott, sie schreibt!", rief Clarke plötzlich und ging schnell aus dem Chat raus. Jetzte starrten wir beide auf den Handybildschirm, wo noch gefühlte Jahre "schreibt..." stand. "Ach komm schon, Erin.", flüsterte ich gespannt, worauf mich Clarke mit ihrem berühmten 'dein Ernst?'-Blick bedachte. "Ja, was denn?", lachte ich und schubste sie ein bisschen von mir weg. Sie kniff spielerisch die Augen zusammen und machte Anstalten, mich gleich anzugreifen, da ploppte eine neue Nachricht auf. Schnell schnappte ich mir mein Handy und las.

Hey Automädchen. Ob du es glaubst oder nicht, ich habe dir tatsächlich zugehört und mir etwas gemerkt. Das mach ich bei anderen Mädchen nicht, also fühl dich geehrt. Du hast gesagt, du siehst gerne Horrorfilme. Und ich habe mir jetzt ein paar gekauft, damit wir zwei einen Filmabend machen können. Was sagst du? Ich würde mich freuen, Erin

Ich grinste. Clarke, die ihr Kinn auf meine Schulter gelegt hatte, um die Nachricht auch zu lesen, schnaubte. "Du klingst wie ein Pferd.", lachte ich und tippte ein Antwort ein. "Jaja, lach du nur. Am Schluss entpuppt sie sich als Psycho und ermordet dich. Ist doch nicht normal, so eine direkte Anmache." Sie setzte sich wieder etwas weiter weg und stopfte sich Flips in den Mund. Ich grinste sie an und legte mein Handy weg. "Du bist nur eifersüchtig, dass Liz dich nicht direkt anmacht.", neckte ich sie und nahm die Fernbedienung in die Hand. Heute Abend musste doch auch irgendwas gutes laufen, es war immerhin Freitag. Clarke nickte, in Gedanken versunken und murmelte dann eine Antwort: "Jaja, das Thema würde ich lieber lassen." Ich fühlte mich schuldig, dass ich sie daran erinnert hatte. Ich wollte es ihr ja nicht so unter die Nase reiben. Zu meinem Glück fand ich genau in diesem Moment einen Sender auf dem Harry Potter gezeigt wurde. Wir holten uns noch eine Packung Chips und kuschelten uns dann mit einer Decke wieder aufs Sofa. Die Stimmung war sofort wieder besser und bald lachten wir wieder, wie wir es immer taten wenn wir zusammen waren.

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