Kapitel 9 - Wahrheiten und falsche Eichhörnchen

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„Wow", machte Jimin, kaum dass er den hellen Flur von Namjoons Wohnung betrat. Die großen schwarz-weißen Kacheln auf dem Boden erinnerten an ein altes amerikanisches Diner, während die weißen Wände von großen Fotoaufnahmen von legendären Sängern der letzten Jahrzehnte sowie ihren Songzitaten gesäumt wurden.

„Es ist zwar nicht sehr groß, aber fühl dich wie zu Hause", sagte Namjoon bescheiden, während er die Haustür schloss. Doch das bekam Jimin gar nicht richtig mit. Fasziniert von der geschmackvollen Einrichtung war er bereits weitergelaufen. Nach dem schmalen Flur, das in eine kleine aber gemütliche Küche abzweigte, öffnete sich ihm ein großer Wohnraum.

Zu seiner rechten stand ein hölzener Esstisch, welches durch eine kleine quadratische Wandlücke mit der Küche dahinter verbunden war. Auf der linken Seite konnte er über den Sofarücken eines königsblauen Ecksofas streichen, das mit vielen bunten Kissen und einem Fernseher davor einen schönen Platz zum Entspannen bot. Die Wand dahinter war gesäumt mit einer beeindruckenden Anzahl von Büchern.

Aber am meisten faszinierte Jimin etwas anderes. „Wow", entfuhr es ihm ein weiteres Mal. Denn die Wand vor ihm war komplett aus Glas. Bunte Lichter erzählten von Seouls Nachtleben und als Jimin seine Nase an das Glas drückte, konnte er aus dem 14. Stockwerk ungefähr erahnen, wo Yoongis Wohnviertel liegen müsste.

Sie waren ungefähr eine halbe Stunde gefahren, nicht viel also, dennoch fühlte sich Jimin wie in einer anderen Welt.

„Ich wusste gar nicht, dass du deine eigene Wohnung hast", sagte er nach einigen Minuten des Staunens.

„Das war bis jetzt auch ein Geheimnis", erwiderte Namjoon. Seine Stimme kam aus der Küche, weshalb sich Jimin auch dorthin begab. „Ehrlich gesagt habe ich sie auch noch nicht so lange", gab sein Freund zu, während er die Kaffemaschine anschaltete. „Die ganzen Möbel sind vom alten Eigentümer. Nur die Bilder im Flur und einige Bücher gehören mir."

„Und wie lange wohnst du hier schon?" Jimin lehnte am Türrahmen und sah seinen Freund fragend an. Wofür brauchte er noch sein Zimmer im Haus von Seokjin, wenn er hier doch eine komplette Wohnung für sich hatte?

Namjoon holte zwei Tassen aus dem Schrank. „Die Schlüssel habe ich erst seit etwa einer Woche. Ehrlich gesagt weiß ich aber nicht, ob und wie lange ich die Wohnung behalten werde."

„Warum nicht? Warum bleibst du immer noch bei Seokjin?"

Namjoon schnappte sich eine gefüllte Tasse und reichte Jimin die andere. „Es ging mir hauptsächlich darum, einen Rückzugsort zu schaffen. Einen Ort, zu dem ich entfliehen kann, wenn es mal sein muss. Aber ich würde dich niemals alleine bei Seokjin lassen. Deshalb habe ich gewartet, bist du bereit bist und solange weiter bei euch in der Villa gelebt."

Jimin verstand es immer noch nicht. „Bis ich wofür bereit bin?"

„Dafür, die Wahrheit zu erfahren. Die ganze Wahrheit."

*

„Eigentlich", sagte Namjoon einige Minuten später, „war das eben falsch ausgedrückt. Ich fand, du hast immer ein Recht auf die Wahrheit gehabt. Aber es nicht einfach, diese Meinung zu vertreten, wenn Seokjin eine ganz andere hat". Namjoon hatte noch Fertignudeln gemacht, da seine Kochkünste nicht gerade die Besten waren, und die beiden saßen jetzt am Esstisch. Die Kombination von der heißen Brühe und Kaffee war ungewohnt, weshalb Jimin seine Tasse zur Seite gestellt hatte.

Geduscht und in einem frischen, viel zu großen Schlafanzug von Namjoon gekleidet fühlte er sich wie neugeboren. Sein Freund hatte seine Wunden verarztet, bevor sie sich ans Essen gesetzt hatten. In diesem Moment war Jimin so dankbar, er hätte weinen können.

The Truth Untold | BTS FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt