Kapitel 20 - Immer dieses Dance Monster

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Wie war das nochmal mit „Ich gehe nirgendwohin"? 

Es ist fast schon komisch, dachte sich Yoongi, während er sich etwas vorbeugte, um seinen Blick aus dem Flugzeugfenster schweifen zu lassen. Das ungenießbare Frühstück von Namjoon war genauso komisch gewesen wie sein Gesichtsausdruck, als er Yoongi und Jimin in einer Umarmung vorfand.

Es war komisch, wie sie in aller Eile ihr Handgepäck gepackt hatten – nachdem Namjoon dann doch endlich ihre Handschellen gelöst hatte – und zum Flughafen aufgebrochen waren.

Die abgenutzte Luft in diesem Flieger war auch komisch, aber am komischsten war, dass er gerade neben seinem Kindheitsfreund saß, um einen fremden Chinesen zu treffen, der nach Jimins Erzählung anscheinend auch komisch war. 

Soviel war komisch, doch Yoongi hatte keine Zeit gehabt, seine wirren Gedanken mit Jimin zu teilen. Auf dem Weg zum Flughafen hatte er neben Namjoon nicht über die wenigen Jahre Kindheit sprechen wollen, die sie miteinander geteilt hatten. Und auch danach hatte sich bisher einfach nicht die Gelegenheit dafür ergeben. Was Yoongi ziemlich schade fand, denn ihm brannten so einige Fragen auf der Zunge, die er Jimin unbedingt stellen wollte.

Stichwort Jimin: Der Jüngere ließ in diesem Moment wieder seinen Kopf auf Yoongis Schulter fallen und ihm Gegensatz zu den vorherigen Malen wachte er davon nicht auf, sondern ließ seinen Kopf angeschmiegt. Auch das war komisch, aber auf eine angenehme Art und Weise. Schmunzelnd versuchte Yoongi eine schwarze Haarsträhne wegzupusten, die ihn am Hals kitzelte. Soviel dazu, dass er mich eigentlich beschützen sollte.

Doch beim Gedanken daran verging Yoongi das Lächeln. Leise aufseufzend betrachtete er wieder die fluffigen Wolken und dachte daran, wie viel sich in den letzten drei Tagen in seinem verdammten Leben verändert hatte. Elternlos und permanent in Gefahr war er gerade auf den Weg in ein fremdes Land, wusste nicht, wann und ob er überhaupt zurück kehren und wie seine Zukunft fortan aussehen würde. Diese Ungewissheit machte ihm zu schaffen. 

Wie haben meine Eltern das nur jeden Tag ausgehalten? Nicht einmal von Taehyung hatte er sich verabschieden können. „Das ist zu riskant", hatte Namjoon betont. Jimin hatte gesehen, wie sehr das Yoongi beunruhigte und hatte flüsternd hinzugefügt: „Sobald wir bei Jackson sind, kannst du ihm eine Nachricht zukommen lassen, versprochen". 

Dafür war ihm Yoongi wirklich dankbar und er konnte es kaum erwarten, endlich diesen Jackson zu treffen. Am liebsten würde er dafür direkt aus dem Flugzeug springen und umso erleichterter war er, als die Stewardess die Fluggäste bat, ihre Gurte notfalls wieder anzuschließen und ihre technischen Geräte auszuschalten, weil sie landen würden. Sanft rüttelte Yoongi Jimin nach. „Hey", flüsterte er, „wir sind gleich da. Zeit, aufzustehen."

„Nur noch ein paar Minuten, Namjoon", murmelte der Jüngere vor sich hin, seinen Kopf jetzt auf Yoongis Brust schmiegend.

Überrascht schaute Yoongi auf den schwarzen Haarschopf an seinem Brustkorb. Jimins Haar sah genauso flauschig aus, wie die Wolken draußen und roch angenehm nach einem frühen Spaziergang am brausenden Meer. Moment, woran denke ich hier eigentlich? „Jimin, ich bin nicht Namjoon. Du musst jetzt aufwachen oder willst du, dass ich dich eigenhändig heraustrage?", schüttelte Yoongi seinen Gedanken ab.

„Ja, das wäre sehr lieb, danke", murmelte Jimin dreist und schlang jetzt auch noch seine Arme um Yoongis Oberkörper. Was zur Hölle? Aus Reflex kämpfte Yoongi einen Arm frei und klatsche Jimin eine. Sanft. 

„Was, wer, wie, wo, Gefahr?!" Erschrocken setzte sich Jimin mit einem Ruck auf. In zwei Sekunden hatte er die Lage analysiert und war ganz bei Sinnen. „Hey, was sollte das?", fragte er Yoongi, sich die etwas schmerzende Wange haltend. „Du wolltest nicht aufwachen", zuckte der Ältere nur mit den Schultern, worauf Jimin verärgert die Stirn runzelte. „Und da verpasst du mir eine Ohrfeige?"

The Truth Untold | BTS FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt