Kapitel 24 - Gedankentsunami

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Denn diese Wohnung war dem fremden Mann nicht fremd.

Von den Möbeln bis zu den Lebensstunden, die er hier verbracht hatte, erinnerte er sich an alles. Nur zwei Personen fehlten und als die Erinnerungen an sie seinen Kopf wie einen stürmischen Tsunami umspülten, alles mit sich rissen, die Fetzen aneinanderpressten und ihm so die Gedankenbilder schenkten, die verloren hatte – da gab sein Körper nach.

Er hatte seine weichen Knie nicht unter Kontrolle, nicht das Zittern, das all seine Glieder beschlagnahmte, nicht das Gefühl in seinem Herzen, das ihn schreien ließ.

„Wo seid ihr?", schluchzte er. Immer wieder „Wo seid ihr?"

Und wenige Minuten später, als der Tsunami in seinem Kopf weiterzog und mit ihm auch der aufwühlende Sturm, da waren die Fäden wieder da.

Sie zogen ihn weiter, ließen ihn aufstehen und ein weiteres Mal den Spuren Namjoons folgen. Nach draußen, in den Flur, dann zur Tür des Nachbarn, wo er die gleichen wischi-waschi Antworten bekam.

Antworten, die seine Sorgen um ein Vielfaches verstärkten. Als hätte es nicht gereicht, dass ein Jäger zu dieser Wohnung gekommen war, nun hörte er auch noch, das dessen Bewohner von einem Krankenwagen abgeholt worden waren.

Der Mann wusste nicht, woher er seine Kraft nahm, mit festen und schnellen Schritten das Haus zu verlassen und zu seinem Wagen zu sprinten. Woher die Kraft nahm, rational zu denken und sein weiteres Vorgehen zu planen. Woher er die Kraft nahm, nicht auf der Stelle vor Sorgen und den Erinnerungen, die nach all den Jahren mit einer Welle der Emotionen auf ihn zugerast waren, den Verstand zu verlieren.

Aber er war schon immer stark gewesen. Seit dem Vorfall, der ihre Wege überhaupt erst getrennt hatte, der ihm alles genommen hatte und dazu noch seine Erinnerungen daran.

Aber jetzt hatte er nicht nur diese wieder, sondern war auch so kurz davor, die Personen darin wieder in seine Arme schließen zu können.

Entschlossen rammte der Mann seinen Fuß auf das Gaspedal.

Er würde dieses verdammte Krankenhaus finden.

Und seine Familie.

*

Theoretisch dürfte es nicht so schwierig sein, dachte Namjoon, während er sein Auto durch die vollen Straßen Seouls lenkte. Schließlich peilte ein Krankenwagen in der Regel das Krankenhaus in unmittelbarer Nähe an, und davon gab es in der Umgebung von Taehyungs Wohnung nur zwei.

Ich hoffe einfach, dass mein erster Versuch auch gleich der richtige ist.

Und das war er tatsächlich – doch sein Timing war es nicht.

Denn während Namjoon den Wagen hastig an einer dafür geeigneten Stelle parkte, in das Krankenhausgebäude stürmte und an der Rezeption nach einem Kim Taehyung fragte, bemerkte er in seiner Eile nicht, wie eben jener hinter seinem Rücken das Gebäude verließ.

An der Hand von einem Kommissar gezogen, der nicht glauben konnte, was er aus dem Telefon hörte, das er an sein Ohr presste.

„Und bist du dir da auch ganz ...

*

... sicher, Hoseok? Das ist ein immenser Schritt in unseren Entwicklungen. Ich will nicht, dass wir uns übereilt auf einen Hinweis stürzen und das später bereuen."

„Wenn ich es dir doch sage, alles passt viel zu perfekt, als das es ein Zufall sein könnte", kam es aufgeregt von der anderen Seite des Hörers. „Sagst du nicht immer, ich soll auf mein Gefühl vertrauen?", hängte Hoseok dran.

The Truth Untold | BTS FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt