Kapitel 01

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Ich hastete durch den Wald, der humpelnden Rentierkuh hinterher. Ihr gebrochenes Bein gab bald nach und sie stürzte. Mit einem großen Sprung landete ich neben ihr und tötete sie mit einem gezielten Biss in den Hals. Ich legte die Ohren an und sah in ihre Augen, ich zeigte ihr meinen Respekt und Dank: „Ich kann leben, weil du mich nähren wirst. Ich danke dir!“ Das flackern in ihren Augen erlosch und ich begann mich satt zu essen. Eine gute Hälfte des Fleischs war noch an den Knochen, weshalb ich beschloss den Kadaver mit in meine Höhle zu nehmen. Ich atmete tief durch – ein, zwei Mal – und dann spürte ich wie mir kälter wurde. Ich zog mir meinen Mantel an und ging etwas Feuerholz sammeln. Jagen ging ich fast immer in meiner Animagus Gestalt…als Wolf. Morgen werde ich 11 Jahre alt, aber was macht das schon?
Das Feuerholz stapelte ich in meiner Höhle, die Nacht war schon eingebrochen. Ich kletterte auf einen Fels, legte mich auf den Rücken und beobachtete den funkelnden Sternenhimmel über mir. Dieser Anblick faszinierte mich immer wieder.
Gähnend wachte ich auf. Mein Magen knurrte und so verwandelte ich mich wieder einmal in einen Wolf. Ich hatte völlig vergessen, dass ich noch den Kadaver in der Höhle hatte. Ich hielt mich stets flussabwärts und bald vernahm ich den Duft von Hasen. Ich näherte mich, der Wind stand günstig, und als ich gerade zum Sprung ansetzten will, höre ich etwas anderes – ein schwaches winseln. Die Hasen hatte ich vergessen und vorsichtig folgte ich den Lauten. Auf dem Hauptwanderweg der Rentierherden, lag ein kleiner Fellknäuel. Nur das schwache winseln ließ darauf schließen das es lebte. Behutsam näherte ich mich und beobachtete das Wolfsjunge ganz genau. Die Augen waren bereits geöffnet, obwohl es eigentlich noch viel zu jung dafür schien. Der kleine hatte ein blaues und ein grünes Auge, außerdem war seine linke Vorderpfote leicht nach innen gestellt. „Sicher ein Malcadh – ein ausgesetztes Junge.“, dachte ich mir. Ich hatte öfters Wolfclans beobachtet und wusste, dass sie „Fehlgeburten“ aussetzten, um die Blutlinie reinzuhalten. Das kleine tat mir Leid und so packte ich es sanft im Nacken und trug es in meine Höhle. Ich verwandelte mich zurück und machte ein Feuer um den kleinen Wolf zu wärmen. Gut, dass ich den Kadaver der Rentierkuh aufbewahrt hatte. Ich konnte den kleinen jetzt weder hier alleine lassen, geschweige denn mit auf die Jagd nehmen.
Die nächsten Tage vergingen schnell, und Lupus – so hatte ich den kleinen genannt – wuchs schnell. Er war zweifellos noch immer ein Welpe, aber nun war er kräftiger und nicht mehr so zerbrechlich wie anfangs. Lupus schlief gerade und so vertrat ich mir die Beine, als plötzlich neben mir eine Eule landete. Mit dem Brief im Schnabel hüpfte sie näher an mich und gab ihn mir. Ich las die Anschrift: An Mary–Lu Lobuno, Höhle im Wald, nahe London

Wölfe in Hogwarts ~ Mary-Lu AudaciWo Geschichten leben. Entdecke jetzt