dreams

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Dichte, weiße Flocken fielen von oben auf sie herab; sammelten sich in ihren Haaren, schmolzen auf ihrer sonnengebräunten Haut.
Wie vergänglich war doch das eiskalte Nass. Und wie schön, wie wunderschön waren all die winzigen wohlgeformten Kristalle.
Wäre die Situation eine andere gewesen - da war sie sich sicher -, sie hätte es geliebt.
Doch plötzlich drehte sich die Welt um sie herum.
Plötzlich war es nicht mehr sie. Sondern er.
Er, der Mann hinter der Maske.
Er, der Junge aus ihren Visionen.
Was tat er hier? Was hatte das zu bedeuten?
Es war jede Nacht der selbe Traum. Jede Nacht stellte sie sich die selben Fragen.
Jede Nacht sah sie die selben Bilder.
Und trotz dessen sie alles schon tausendmal gesehen hatte, zuckte sie zusammen, als plötzlich lautes Surren ihre Sinne erfüllte.
Dem Surren folgte Wärme und plötzlich sah sie nur noch rot.
Bevor sie noch einen klaren Gedanken fassen konnte, verlor sie jeglichen Halt.
Ihre Füße gaben nach und sie fiel.
Sie fiel und alles um sie herum, schien ihr zu folgen.
Da waren wieder Lichter.
Rote und blaue.
Es waren die Klingen ihrer Schwerter. Da waren die Kälte, die kleinen, weißen Flocken.
Und Sekunden, bevor sie dachte den Boden zu erreichen, war da nur noch er.
Kylo.
In seinen Augen meinte sie sich selbst zu erkennen. Dabei machte er nicht den Anschein, als nehme er sie überhaupt wahr.

An dieser Stelle fühlte sie sich oft, wie der Betrachter eines kleinen Theaterstücks. Sie war - bis auf die Mitspieler in jener verrückten Welt - die einzige im Saal.
Von hier an, begannen sich die Träume zu unterscheiden.
Manchmal bemerkte er sie. Manchmal nicht. Und manchmal taten beide nichts, als sich in die Augen zu sehen, bis die Nacht vorüberzog.
Heute war es anders.
Heute war Rey nicht in ihrem Bett, auf dem kleinen Planeten, der dem Widerstand oder alles, was von ihm übrig war, Schutz bot.
Heute wachte sie auf und blickte in dieselben schwarzen Augen, wie Sekunden zuvor.
Erschrocken wich sie zurück.
Träumte sie?
Er musterte sie still, wirkte beinahe genauso wie in der Welt, die sie soeben verlassen hatte:
So ruhig, so friedlich.
Was machte sie hier?
Sie wollte sich umsehen, wollte herausfinden, was mit ihr passiert war. Doch nichts in diesem Moment, machte es ihr möglich, sich seinem Blick zu entziehen.
"Ich sehe dich jede Nacht", flüsterte er schließlich. "Jede Nacht habe ich diese Träume."
Seine Stimme schallte in ihrem Kopf. Sie erstarrte, löste sich, sah ihn an und war unschlüssig, was sie tun sollte.
"Sag mir, Rey, was tust du hier?"
Wie sollte sie auf seine Frage antworten, war ihr doch die Kraft, welche ihrer beider Seelen Tag und Nacht verband genauso unbegreiflich wie ihm selbst.
"Hast du auch diese Träume? Sag es, Rey - warum bist du hier?"
Es wurde Zeit, dass sie antwortete.
Es war Zeit, sich endlich zusammenzureißen.
Nur ein paar Worte.
Nur eine einzige Antwort verlangte er von ihr, doch nicht einmal dazu war sie in der Lage.
Ihr Herz raste. Hunderte Gedanken schwirrten auf einmal durch ihren Kopf.
"Ich weiß es nicht", hauchte sie.
"Ich weiß es wirklich nicht."
Es grenzte an ein Wunder, dass er ihre Worte verstand.
"Was hast du gesehen, Rey?"
Ihr Name, immer wieder ihr Name aus seinem Mund.
Würde sie am nächsten Morgen aufwachen und feststellen, dass alles nur ein seltsamer Traum, ein neues Ende gewesen war, sie wäre nicht überrascht.
"Den Wald", flüsterte sie,"Schnee, unseren Kampf -", sie schluckte: "dich."
Immernoch fixierten seine Augen die ihren, mit einer Intensität, unter der sie zu beben begann.
Er hörte ihr so aufmerksam zu, verfolgte förmlich die Bewegung ihrer Lippen.
"Es ist kalt, so kalt. Dunkel."
Hin und wieder meinte sie, ein Nicken zu erkennen. Das leiseste Zeichen von Zustimmung - oder war es Verständnis?
"Was mache ich hier? Träume ich?"
Langsam kam ihr Mut zurück.
"Wo bin ich?"
"Bei mir."
"Bei der Ersten Ordnung?"
"In Sicherheit."
"Ben."
Er stockte.
Erstmals in dieser Nacht war er es, der nach Worten rang.
"Das ist kein Traum, nicht wahr?"
Nichts ergab Sinn und doch war sie sich so sicher, zumindest dieses eine Mal Recht zu haben.
Sie träumte nicht. Nicht mehr.
Sie war wirklich bei ihm, wo auch immer er sich befand.
"Wie lang bin ich schon hier? Wie lang hast du mich beobachtet?"
"Ich weiß es nicht", erwiderte er und klang ehrlich.
"Du warst bereits hier, als ich nur ein paar Minuten vor dir aufwachte. "
Als sie es endlich schaffte, sich seinem Blick zu entreißen, weiteten sich ihre Augen. Seine Umgebung, sie konnte seine Umgebung sehen.
"Unsere Verbindung wird stärker", stellte sie fasziniert fest und besah sich der schlichten Einrichtung, welcher es so völlig an persönlichem fehlte und die seinem Charakter doch trotzdem entsprach.
Warum ängstige sie dieser Gedanke nicht?
"Ich kann deine Umgebung sehen", informierte sie Ben - wahrscheinlich überflüssig -, denn er war ihren Blicken zuvor misstrauisch gefolgt.
"Ben?"
Warum war es nur so schwer, in Augen zu lesen, die einen so völlig gefangen nahmen?
Auf einmal kam er ihr fremd vor.
Vielleicht, weil ihr plötzlich bewusst wurde, wie wenig sie eigentlich über ihn wusste.
"Es tut mir leid."
Er war überrascht, diese Worte von ihr zu hören. Hatte sie doch keinen, keinen einzigen Grund sich zu entschuldigen.
"Es gibt nichts, für das du dich entschuldigen musst."
"Ich gehöre nicht hier her. Und ich weiß nicht, wie ich wieder zurück komme."
Er schwieg.
Diese ganze Situation war so absurd, dass es ihm schwer fiel, sich seiner Gefühle bewusst zu werden.
Eine Sache war allerdings sicher:
nie hatte er bis jetzt daran gedacht, dass vor ihm die Frau lag, die zu vernichten er Wochen zuvor geschworen hatte.
Da war weder Hass noch Zorn, sondern ... Dankbarkeit? Er hatte etwas ähnliches schon zu lange nicht mehr gespürt, aber es stimmte. Es musste stimmen.
Er war dankbar für diese einzige Nacht, in der er nicht allein sein musste.
"Was mache ich hier, Ben? Was ist das hier? Wir?", fragte sie und mit diesen großen, unschuldigen Augen, die voll Ungewissheit bei ihm nach Antwort suchten, passte sie so gar nicht in das Bild, welches er von ihrem nächsten Treffen gehabt hatte.
"Nie im Leben sollte ich mich bei dir, noch dazu in deinem Zimmer befinden."
Die Worte trafen ihn mehr, als er erwartet hatte.
Er schluckte.
"Hasst du mich?", fragte er schließlich in gedämpfter Stimme.
"Hassen ist ein starkes Wort", erwiderte sie und blickte zu Boden.
"Rey, hasst du mich?", drängte er von neuem, woraufhin sie antwortete:
"Nein, wie könnte ich?"
"Was ist es dann?", fragte er, ein wenig verwundert.
Läge nicht so viel Ernsthaftigkeit in seiner Stimme, hätte sie ein bitteres Lachen nicht unterdrücken können. Aber sie hielt sich zurück und erklärte zu zögerlich, um glaubhaft zu klingen: "Wir sind Feinde."
"Achja?"
Die Augenbrauen zusammen gezogen und die Stirn in Falten gelegt, musterte er sie.
In seiner Stimme schwang Verachtung mit.
"Und ich verstehe dich nicht."
Aus der Art und Weise, auf die sie ihn ansah: so, als wolle sie ihm tatsächlich nichts böses, als glaube sie die Dinge, welche ihr über die Lippen kamen mit ganzem Herzen, ging hervor, dass er ihr glaubte, als sie fort fuhr:
"Du bist mir ein Rätsel, Ben Solo, und ich fürchte, du wirst es immer bleiben."
Doch bevor er überhaupt versuchen konnte, sich zu erklären;
bevor er den wundersamen grünen Augen die Antwort schenken konnte, nach der sie verlangten, war sie verschwunden.
Aufgelöst, in Luft aufgegangen und wahrscheinlich von einer Sekunde auf die andere wieder Lichtjahre von ihm entfernt.

★★★

Heyy,
das hier ist einer der Oneshots, die ich schon vor Monaten geschrieben, aber irgendwie nie veröffentlicht habe.
Die Idee entsprang dem Bild oben beziehungsweise den Zeilen, die darunter stehen.
Ich hoffe er gefällt euch und danke wie immer fürs Lesen 💛

Reylo-OneshotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt