eins (SPOILER!)

782 47 73
                                    

Rey.

Das konnte nicht sein.
Es war unmöglich.

Rey.

Unschlüssig blickte sie zurück. An der Stelle, an der Sekunden zuvor Leia und Luke ihr entgegen gelächelt hatten, war nun nichts mehr von dem merkwürdig blauen Schimmer der beiden zu sehen. Ihre Gesichter hatten sich in Luft aufgelöst. Nur BB8 stand noch dicht an ihrer Seite.

"Geh zum Schiff", murmelte sie und wendete ganz plötzlich den Blick ab. "Ich komme nach. Ich... ich brauche einen Moment für mich."

Der Droide gehorchte und bald war sie allein. Allein mit den beiden Sonnen, deren Licht und Farbenspiel am Horizont von der einbrechenden Nacht bald völlig verdrängt sein würden.

Rey.

Eine Träne bahnte sich den Weg über ihr Gesicht. Nein. Nein. Nein.
Immer wieder trug der Wüstenwind seine warme Stimme an ihr Ohr.
Und mit ihr kam die Erinnerung an sein Lächeln, an das schönste Lächeln, das sie in ihrem Leben gesehen hatte. Und an Arme, kräftige Arme, die sie umklammert gehalten hatten. Und an Lippen, weiche, volle Lippen, die sich voller Zärtlichkeit auf die ihren gelegt und den Kuss erwidert hatten.

Immer flehender klang der Ton, in dem er sie beim Namen nannte - fast, als wäre es real. Fast, als wollte er sie glauben machen, ihr eigener Kopf spiele ihr nicht diesen schrecklichen Streich.

"Du bist nicht hier", sagte sie bitter, die Augen immer noch dem Boden zugewandt. "Das ist nicht möglich."

Als sie aufsah, lag vor ihr nicht mehr als eine weite, endlose Leere.
Wie hätte er auch wirklich hier sein können?
Es schmerzte ihr, schmerzte ihr so sehr, denn ganz egal wohin sie sah:
da war nichts.
Alles was ihr vor Augen lag spiegelte, wie es in ihrem Inneren aussah. Sie wusste, als er verschwunden war, hatte er die Hälfte ihres eigenen Selbst mit sich genommen.
Herz, Kopf, Leib und Seele - alles hatte sie ganz unbewusst mit ihm geteilt. Und jetzt, wo er nicht mehr da war, blieb sie unvollständig zurück.
Unvollständig - so hatte sie sich so lang in ihrem Leben gefühlt. Man könnte fast meinen, so lang, dass es sie am Ende schon gar nicht mehr störte.

Ich bin hier, Rey.

Wieder hörte sich seine Stimme so täuschend echt an, dass sie - hätte sie es nicht besser gewusst - sich am liebsten umgedreht und in seine Arme geworfen hätte.

Du bist nicht allein.

"Wie kannst du das sagen!", brach es plötzlich aus ihr hervor und sie schluchzte. "Ich habe gesehen, wie du dich in Luft aufgelöst hast. Ich habe es alles gesehen."

Und nun? Fühlst du es nicht?

Ein Schauer überkam sie, als sich eine kalte Hand auf ihre Schulter legte.
Finger, die sie unter tausenden erkennen würde, wischten ihr die Tränen fort, aber es half nichts.
In diesem Moment brach sie in sich zusammen. Ihr Brustkorb hob und senkte sich heftig, während ihr ganzer Körper bebte.

Da kniete er plötzlich neben ihr. Fleisch und Blut, wie sie ihn in seinen letzten Momenten in Erinnerung hatte.

"Ben", sagte sie sprachlos und sah mit geröteten Augen in sein bleiches Gesicht.
Ihre Hand tastete nach seinen Arm. Zögerlich, denn sie fürchtete immer noch, es wäre alles nur Einbildung.
Als sie jedoch den schwarzen Stoff seines Hemdes fühlte, die Muskeln seiner Arme darunter, richtete sie sich endlich auf.
Unter einem neuen Schwall an Tränen fuhr sie ihm durch sein rabenschwarzes Haar. Er ließ es geschehen, stoppte sie jedoch, als sie nicht aufhören wollte zu weinen.
"Ich habe nicht viel Zeit, Rey", erwiderte er ruhig und ihre Hände fuhren erschrocken zurück.
"Was heißt das?", fragte sie. Und noch bevor er alles erklären konnte, zeichnete sich das Grauen auf ihrem Gesicht so deutlich ab, dass er den Blick am liebsten abgewendet hätte.
"Du bist wirklich tot. Ich bin verrückt. Was mache ich hier?", sprudelte es wild aus ihr hervor und er zog sie augenblicklich in seine Arme.
"Du bist nicht verrückt", murmelte er dicht an ihr Ohr und drückte sie noch fester an seine Brust, bis sie verstummte, da sie sein Herz schlagen hörte.
"Ich bin hier, bei dir, aber ich kann nicht bleiben." Seine Stimme klang so sanft, dass es ihr vorkam, wie als spräche er zu einem kleinen Kind.
Er hielt den Kopf in ihrem Nacken vergraben, seine Lippen pressten eine Reihe feiner Küsse auf ihre Haut. "Warum hast du es getan?", fragte sie schließlich, während die Tränen ihr nur noch still über das bereits völlig von ihnen benetzte Gesicht liefen.
Er ließ von ihr ab. So weit, dass sie in seinen dunklen Augen lesen konnte, wie sehr er sie liebte; wie leer eine Welt ohne sie wäre; wie groß sein Wunsch war, sie möge an seiner Stelle weiterleben. Für ihn.
"Du hast es mehr verdient als ich. Du hast in dieser Welt schon so viel gutes getan. Und als ich dich am Boden liegen sah - so leblos, so bleich - da wusste ich, dass mir, wenn auch so vieles in meinem Leben verloren war, mutwillig von mir zerstört wurde, noch eine Sache geblieben war, für die zu kämpfen es sich lohnte."
Sie hörte ihn schweigend an, schüttelte aber immer wieder mit dem Kopf. Sie wollte nicht wahrhaben, dass er verloren war. "Was, wenn ich dieses Leben nicht- was, wenn ich bei dir sein möchte?"
Seine Hand legte sich an ihre Wange, wie es umgekehrt der Fall gewesen, nach dem sie vor Tagen auf Exegol in seinen Armen zu sich gekommen war.
"Ich wusste, dass Ben Solo mit Kylo Ren sterben würde. Das Schicksal ist selten so barmherzig, wie wir es uns wünschen, aber das ist in Ordnung. Wir sind miteinander verbunden, Rey. Ich habe es jetzt geschafft, zu dir zurück zu kommen und ich werde es wieder schaffen, das verspreche ich dir."
"Sie haben es auch versprochen", flüsterte Rey beinahe tonlos und seine Miene verzog sich schmerzlich, aber verständnisvoll.
"Ich liebe dich, Rey. Ich habe dich geliebt, bevor ich überhaupt wusste, dass ich dessen noch fähig bin.
Weißt du nicht mehr, ich habe mein Leben für deines hergegeben und ich werde von nun an wohl immer ein Teil von dir bleiben. Uns kann jetzt nichts mehr trennen.
Gedenke meiner, davon möchte ich dich nicht abhalten, aber genieße die Zeit, die dir bleibt. Eines Tages werden wir uns wiedersehen."
Er liebte sie wirklich, dessen war sie sich bereits damals bewusst gewesen, als sie glaubte, ihn für immer verloren zu haben.
Bevor er ging, musste sie die Chance ergreifen, es würde vielleicht lange keine zweite mehr geben: "Küss mich", flüsterte sie gegen seine Lippen und er folgte ihrer Bitte lächelnd. Dieses Mal verwandelte sich der Kuss schnell in etwas leidenschaftlicheres, als was er beim letzten Mal gewesen war.
Dieses Mal, waren sie sich beide darüber im Klaren, dass ihr oder zumindest Ben's Leben daran hing. "Ich liebe dich. Ich habe dir unrecht getan. Hätte ich eher-", er unterbrach sie keuchend. "Hör auf", murmelte er und presste seine Lippen erneut auf die ihren. "Wir können die Vergangenheit nicht rückgängig machen."
Sie nickte, nickte und hielt plötzlich inne. Ihr Atem ging flach, aber etwas in der Atmosphäre um sie herum hatte sich auf einmal geändert.
"Bald ist es soweit", sagte Ben und lehnte seine Stirn an die ihre.
Er schien fast ein wenig erschöpft. So viel war in den dreißig Jahren seines Lebens passiert. Rey hoffte, er würde, wo auch immer er zukünftig wäre, Frieden finden.
"Vergiss mich nicht", flüsterte sie und betrachtete noch einmal jeden Winkel seines ausdrucksstarken Gesichts.
Ein trauriger Ausdruck hatte sich über sein Abbild gelegt, aber er schämte sich dessen nicht.
"Das könnte ich nie", antworte er und lächelte.
Sie blickten einander noch einige Momente tief in die Augen. Ihre Hände hielten sie verschlungen und Ben drückte hin und wieder kräftig die ihre, als wolle er ihr Mut machen; als wolle er ihr zeigen, dass er noch immer da war.
Dann, als alles an Realität um sie verschwunden war, da beide völlig in den Augen des anderen versunken schienen, begann er sich aufzulösen. Langsam, die Macht nahm sich Zeit damit, ihn zu sich zu holen.
Rey gab ihr bestes, nicht zu weinen. Seine schwarzen Augen sprachen ihr Mut zu und sie klammerte sich solange an ihm fest, bis es nichts mehr gab, das sie hielt.
"Gute Reise", flüsterte sie, als er schon fast völlig verschwunden war.

Nach seinem Verschwinden blieb sie noch lange im Sand sitzen.
Die Nacht war klar. Millionen von Sternen strahlten über ihr.
"Ich werde dich nicht vergessen. Jeden Abend werde ich in den Himmel sehen und an dich denken", dachte sie und seufzte. "Ich wünschte, wir hätten mehr Zeit gehabt."

Ich weiß.

Seine Worte klangen aus ihrem Inneren an sie heran.
Nun waren sie also wirklich eins.

-----------------------------------------------------------

Hey. Es fiel mir unglaublich schwer jene Zeilen zu schreiben und vielleicht - nein, ich bin mir ziemlich sicher, dass ich nicht als einzige so fühle - geht es euch genauso. Mit Ben im Film ist für mich alle Hoffnung gestorben. Es tut mir leid, dass ich es nicht zu einem glücklichen Ende gebracht habe, aber die Tatsache, dass ich heute ins Kino gehen und ihn noch einmal auf der Leinwand sterben sehen könnte, ist zu real.
(Ich hoffe ihr gewinnt diesem Oneshot trotzdem ein klein wenig gutes ab, ich habe versucht es wenigstens etwas versöhnlicher zu machen...)
Die Wahrheit ist jedoch, dass mir Reylo - ganz egal in welcher Form - in den letzten zwei/drei Jahren so viel Freude gemacht hat, dass ich mich dagegen sträube, jetzt aufzuhören. Ich weiß es ist nicht leicht.
Es ist nicht leicht FanFictions mit der Gewissheit zu schreiben, dass meine Gedanken wirklich nur Gedanken sind und nicht mal mehr eine Chance haben Wirklichkeit zu werden.
Es ist nicht leicht FanFictions zu lesen und bei jedem Wort zu wissen, dass der Großteil ihres Inhalts mittlerweile unmöglich ist. Aber ich wünsche mir, dass wir nicht aufgeben. Ich wünsche mir, dass jeder der ähnlich empfindet sich nicht von dieser Leere entmutigen lässt. Ich wünsche mir, dass Reylo weiterlebt, wenn auch nur in unseren Herzen.
<33

Reylo-OneshotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt