"Aidae...?" Minhyuks Stimme war nicht mehr als ein krächzen, als er seine Augen schließlich aufriss und mich ungläubig anstarrte.
Suho hielt mich auf Abstand, obwohl man sah, dass Minhyuk in seiner körperlichen Verfassung wohl nicht erneut ein Messer zücken und mir das Gesicht zerkratzen würde.
Stellte man sich das hier unter besonderer Sicherheitsverwahrung vor?
Einen Menschen in einer nicht grade guten Verfassung mitten in einem Labyrinth aus Zellen zurück zu lassen?
Auf der anderen Seite konnte ich jedoch auch verstehen, dass sie Minhyuk wohl nicht grade bequem hier hin geschleppt hatten, nachdem er Chanyeol attackiert hatte.
Die ganze Angelegenheit musste ich von zwei Seiten betrachten.
Auf der einen Seite hätte Minhyuk tatsächlich einer dieser uneinsichtigen RF Soldaten sein können, jedoch auf der anderen Seite war er jemand den ich kannte.
"Es... tut mir leid... dass ich...Chanyeol weh getan... habe." krächzte er weiter und richtete sich an der Wand, in der er wohl am liebsten verschwinden würde, auf.
Dass das was er getan hatte ihm wirklich leid tat, war nicht nur so daher gesagt.
Seine Reue ließ sich spüren und auch, dass er wusste mächtig Mist angestellt zu haben.
Ob man ihn darüber aufgeklärt hatte, wer Chanyeol eigentlich war, wusste ich nicht, aber bestimmt wäre er dann mit der Wand hinter sich eins geworden.
"Ich...es..." er stotterte weiter und wandte den Blick von mir ab, ließ die Worte die aus seinem Mund kommen wollten verstummen.
"Ich sehe, dass es dir Leid tut." murmelte ich und schlang die Arme um mich.
"Und auch, dass du hier absolut nicht hingehörst." flüsterte ich und machte einen Schritt auf ihn zu.
Er zuckte, aber rückte keine drei Meter vor mir weg.
"Ich weiß. Das haben sie mir am Anfang auch schon gesagt. Also die mit denen ich hier her bin." sprach er nun nicht mehr ganz so stockend und zog die Knie an.
"Die Red Force." benannte Suho ohne emotionalen Ton in der Stimme und schabte mit seinen Schuhen auf dem bröseligen Boden herum.
Minhyuk nickte.
"Es tut mir so leid, was ich getan habe. Hätte ich früher gewusst, dass Chanyeol und du keine Menschen seid, dann..." ich unterbrach ihn.
"Du konntest und durftest es wegen der Red Force nicht wissen.
Ich war die einzige die bescheid wusste und ich bin noch menschlich." stellte ich richtig und machte noch einen Schritt auf ihn zu.
Diesmal zuckte er nicht, sondern blieb sitzen.
"Und mich hat dieses Wissen in unglaubliche Gefahr gebracht.
Weil die Red Force zu euch Kontakt aufgenommen hat, um mich und Chanyeol und seine Freunde aufzuspüren." erklärte ich ihm ruhig und setzte mich vor ihn auf den Boden.
"Ich weiß, sie meinten irgendwas davon, dass du dich mit ihnen zusammen getan hast und du dringend ausgeschaltet werden musst.
Aber ich habe ihnen gesagt, dass ich dich nicht kannte und dann haben sie mir dieses Angebot gemacht, ich könnte hier eine Menge Geld verdienen." plauderte er aus und senkte seinen Kopf.
Ich seufzte. "Du hättest es ablehnen sollen. Diese Leute sind alles andere als gut.
Sie haben unzählige unschuldige Leben auf dem Gewissen und waren auf dem Weg ganze Lebensformen auszurotten, um hier alles menschenfreundlich zu gestalten."
Minhyuk nickte. "Das habe ich aber zu spät bemerkt und dann konnte ich nicht mehr zurück. Und auf einmal wurden wir gestern Überrannt und gefangen genommen und dann war da Chanyeol."
Er unterbrach sich und holte tief Luft.
"Ich hatte Angst und habe eher gehandelt, als ich denken konnte." murmelte er und erklärte die Geschichte von heute aus seinem Blickwinkel.
"Danach haben sie mich sofort mitgezerrt, also diese Schattendinger und sie haben darüber geredet mich umbringen zu lassen, weil ich einem der Hohen weh getan habe." sprach er eilig weiter.
"Geht es ihm gut?" richtete er sich dann an Suho hinter mir.
"Er schläft." meinte er in einem Ton, in dem ich nicht erkennen konnte, ob er ruhig war, oder mit dem Gedanken spielte Minhyuk durch seine Kräfte zu ertränken.
"Und umgebracht wirst du nicht. Als einziger von allen Leuten der Red Force zeigst du Reue. Wenn alles gut läufst bist du in wenigen Tagen wieder auf den Weg nach Hause, aber das Geld was dir versprochen wurde bekommst du nicht." erklärte er dem vor uns kauernden ruhig und nicht so, als würde er Minhyuk genauso nach dem Leben trachten wollen wie Sani es ursprünglich vor hatte.
Minhyuk richtete sich schließlich auf und sah nun mich an, lächelte sogar ein wenig schwach und legte den Kopf schief.
"Du und Chanyeol ihr seid also immernoch zusammen?" wollte er nun wissen und erinnerte mich an den zurück, den ich damals in Korea kennen gelernt hatte.
"Mit Unterbrechung, aber ja." bestätigte ich und lächelte ebenfalls ein wenig.
"Seit wann weißt du von allem hier Bescheid?" fragte er weiter.
Suho antwortete für mich. "Sie hat einen dummen Zwischenfall auf der Erde miterlebt und da mussten wir mit der Sprache rausrücken."
Ungern erinnerte ich mich daran, wie Chanyeols Hand aufeinmal in Flammen aufgegangen war, und ich kurz danach gesehen hatte wie ein paar Umbra einen Menschen im Wald enthauptet hatten.
"Und das mit deinem Auge?"
Minhyuk deutete auf mich.
"Ein weiterer kleiner Zwischenfall, der nicht hätte sein sollen." umschrieb ich so wie Suho zuvor und wollte auch nicht an diese Nacht erinnert werden, als ich fast gestorben wäre.
"Sagen wir es so, Chanyeol und die anderen mussten mir mein Leben retten und da war diese kleine Mutation nicht vermeidlich." scherzte ich und zuckte mit den Schultern.
"Und weshalb sollte man dich dann ausschalten?" harkte er weiter nach.
"Sie kann unsere Fähigkeiten beherrschen, so wie wir und die Red Force sah darin bestimmt eine Gefahr, aber erst hätten sie an ihr herumexperimentiert." übernahm Suho wieder für mich das Wort und schien von der ganzen Fragerei etwas genervt zu sein.
Ich dagegen wäre an Minhyuks Stelle nicht anders, doch lenkte das Thema nun weg.
"Wie geht es den anderen? Hyungwon, Irene?" fragte ich nun, denn wirklich über das geschehene in den letzten anderthalb Jahren wollte ich nicht mehr reden.
"Ganz gut, als ich sie das letzte mal gesehen habe."
Das Lächeln auf Minhyuks Lippen wurde wieder sichtbar.
"Hyungwon wollte unbedingt, dass wir es nach dem Abschluss mal irgendwie miteinander versuchen, obwohl er weiß, dass ich nicht vom selben Schlag wie er bin." lachte er nun sogar.
Ich erinnerte mich nur zu gut daran, dass Hyungwon gewaltig etwas für Minhyuk übrig hatte und schmunzelte.
"Aber nachdem ich dieses Angebot bekommen habe, hab ich ihn allein gelassen und bin dann hier her, wie es Irene oder Krystal geht, keinen Plan.
Wenn ich aber wieder zurück bin, will ich sie unbedingt besuchen fahren und mich bei Hyungwon entschuldi..."
Von Schuhgeklapper, dass durch die leeren Gänge dröhnte wurde er unterbrochen und keine zehn Sekunden später tauchte Sani mit Sehun auf.
"Du kannst von Glück reden, dass du meinen Bruder nicht umgebracht hast!" fauchte sie sofort los und drängte sich an Suho, der versuchen wollte sie zurück zu halten, vorbei.
Sie ließ ihre Hand aufflammen und hielt neben mir.
"Weißt du eigentlich, dass dieses ganze Gebäude dir nach dem Tod trachtet und du von Glück reden kannst Aidae und Chanyeol zu kennen?" hielt sie ihm weiter vor.
Ich stand vom Boden auf, zog mir aus der Luft ein wenig Wasser zusammen und sorgte dafür, dass das Feuer auf Sanis Hand erlosch.
"Es tut ihm Leid, Sani, komm runter." Sehun war zur Stelle und legte einen Arm um ihre Hüfte.
"Das kann gut und gerne sein, aber ich lasse nicht zu, dass er mit einem blauen Auge wieder auf die Erde zurück kommt.
Mein Bruder hat ihm nichts getan und soll ein Auge verlieren? Ist das denn nicht unfair?" hinterfragte sie kritisch.
"Sani wage es dir diesen Gedanken auszusprechen." mahnte Suho sie.
"Ihr habt es bei Aidae doch auch nicht anders getan. Wenn ihr ihre Wirbelsäule wieder einsetzten konntet, wird das mit einem anderen und gesunden Auge bei meinem Bruder doch auch gehen." sprach sie ihren Gedanken schließlich doch aus und ließ ihren Blick nicht von dem Menschen in der Zelle, der von der ganzen Situation ziemlich überfordert wirkte.
"Sani, das würde Chanyeol nicht wollen. Minhyuk tut es leid, okay?" versuchte Sehun es nun bei seiner Freundin und zog sie an sich, doch Sani schüttelte den Kopf.
"Chanyeol hat ein Auge verloren und ich sehe nicht ein, dass er ohne Strafe davon kommt.
Wenn es dir wirklich leid tut, dann solltest du dieses Opfer geben, Minhyuk." warf sie ihm vor.
Ohne zu überlegen nickte Minhyuk.
"Es tut mir Leid, wirklich. Und ich werde alles dafür beitragen, dass es Chanyeol wieder besser geht." murmelte er betroffen
"Sani spinnst du?!" fuhr Suho sie an.
"Du kannst einem Menschen nicht einfach so ein Auge entnehmen!" wies er sie zurecht.
"Er hat dem doch selber eben zugestimmt. Ich denke, dass dies das mindeste ist was er dazu beitragen kann." rechtfertigte sie sich.
"Minhyuk, das musst du nicht machen." setzte ich mich für ihn ein, doch er machte nur eine lose Handbewegung.
"Doch muss er, er hat dem doch selber eben zugestimmt." schaltete sie wieder dazwischen.
"Ich habe damit wirklich kein Problem, Aidae. Lieber soll er wieder richtig sehen, als ich. Was ich getan habe ist unverzeihlich und ich sehe meine Strafe dafür ein. Egal wie ihr versuchen wollt mich davon abzuhalten." hielt er sich an Sanis Anforderung und sah schon so aus, als würde er sich nicht mehr umstimmen lassen.
"Übrigens ist Chanyeol wach, du solltest zu ihm gehen, Aidae. Wir kümmern uns um alles." erklang Sani nun ein wenig freundlicher und löste ein paar der Umbra von ihrem Gewand.
"Sani, überleg dir aber nochmal, ob das wirklich das richtige ist, was du da vor hast."
Sie schien aus der Rage wieder zu sich zu kommen und als hätte sie der Blitz getroffen schien ihr nun einzufallen, was sie soeben verlangt hatte.
"Nach unserem Gesetz..." Suho unterbrach sie.
"Nach unserem Gesetz würde es so gelten Sani, aber er ist ein Mensch, wir können uns nicht mit ihnen gleich setzen.
Ich weiß du bist wütend über das was passiert ist, aber das ist keine Möglichkeit. Wir wissen nicht, wie unsere Körper mit Teilen des Menschens reagiert." versuchte er ihr klar zu machen.
Sani nickte nur und ließ ihre Anforderung wieder fallen, entschuldigte sich bei Minhyuk für ihre Harschen Worte und schlug mit Sehun, Suho und mir schließlich wieder den Weg nach oben ein.