Am späten Nachmittag lasse ich mich in mein Bett plumpsen und starre die Decke an. Ich habe heute keine Minute an Cole gedacht. Nicht ein einziges mal! Vielleicht bin ich doch kein Serpent, vielleicht war alles nur Einbildung und das vermeindlich Schöne nur eine kurze Ablenkung. Bei diesem Gedanken zieht sich mein Herz schmerzlich zusammen und ich fühle mich augenblicklich schuldig. Ich hintergehe meinen Vater! Andererseits hat er mir ja nie was davon erzählt, aber warum eigentlich nicht? So viele Fragen, auf die ich keine Antwort habe. Aber auf eines habe ich eine Antwort und zwar, dass ich Hunger habe. Es riecht so herrlich! „Riechst du das auch?", Max steckt den Kopf in die Tür. „Sag bloß Lilly hat Käsespätzle gemacht!", ich springe sofort auf. „Ich glaube ja", stöhnt Max und zusammen trampeln wir die Treppe runter. „Ich merke schon ihr habt das Essen gerochen", lacht Lilly und stellt den dampfenden Auflauf auf den Tisch. Beim Anblick läuft mir das Wasser im Mund zusammen, ich esse für mein Leben gern Käsespätzle. „Lilly, das war sooooo lecker", stöhne ich und streiche mir über meinen vollen Bauch. „Das freut mich, übrigens ist ein Paket heute Mittag für dich angekommen", sie reicht mir ein kleines Päckchen, dessen Absender ich nicht ganz entziffern kann. „Dankeschön", flöte ich und laufe die Treppe hoch. In meinem Zimmer nehme ich eine Schere von meinem Schreibtisch und öffne vorsichtig das Paket. Zuerst sticht mir eine kleine Karte entgegen, die ich herausnehme und sorgfältig durchlese.
Hallo Süße,
hier ist wie versprochen dein kleines Geschenk. Ich möchte, dass du dich an zu Hause erinnerst und dich nicht mehr so einsam fühlst. Selbstverständlich werde ich dich auch bald besuchen kommen, wenn die Zeit dafür gekommen ist. Ich weiß, wie schwer es für dich ist soweit weg von zu Hause zu sein und das auch noch so plötzlich. Keiner hat damit gerechnet, weder ich noch du. Deshalb sitzt der Schmerz bei mir auch noch so tief. Ich habe lange Zeit gebraucht, bis ich wieder Boden unter den Füßen hatte nach deiner Abreise. Es tut mir so leid, dass ich nie der Vater sein konnte, den du verdienst. Das du nie ein normales Leben führen konntest, wie andere in deinem Alter. Was wäre aus dir geworden, würde ich einen normalen Beruf ausüben, wie jeder andere. Auch, wenn ich dich jeden Tag aufs Neue, wie eine Prinzessin behandelt habe, konnte ich dir nicht das geben was du brauchst. Es tut mir sehr leid, dass ich dir nicht das Umfeld und die Kindheit bieten konnte, die du verdienst. Ich vermisse dich sehr!
Dad
Sofort sammelt sich wieder das Wasser in meinen Augen. Ach Dad du bist immer perfekt, ganz egal welchen Beruf du hast. Nur durch dich bin ich jetzt das was ich bin: Stark, kämpferisch und mit nichts einzuschüchtern, ich könnte mir kein besseres Umfeld vorstellen. Mit diesen Gedanken ziehe ich die kleine Schachtel aus dem Paket und öffne es mit zittrigen Fingern. In der kleinen Schachtel befindet sich ein kleines Kettchen mit einem Kreuz. Genau die gleiche Kette trägt mein Vater auch. Ich kann nicht verhindern, dass mir ein paar Tränen die Wagen runterkullern. „Ist das Paket von deinem Vater?" Überrascht drehe ich mich um und wische mir meine Tränen weg. „Er hat mir etwas ganz besonderes geschenkt, was mich an zu Hause erinnert", sage ich leise und werde sogleich von Ethan in eine Umarmung gezogen. „Du vermisst ihn wohl sehr, so sensibel habe ich dich ja noch nie gesehen", er wischt mir eine Träne aus dem Gesicht. Ich löse mich langsam von ihm und senke meinen Blick: „Ich habe halt nichts von ihm hier. Er fehlt mir so sehr, seine Stimme, sein Geruch. Ich habe mich bei ihm immer so sicher gefühlt." „Du musst einfach etwas finden, was dich hier an ihn erinnert", Ethan schenkt mir ein warmherziges Lächeln und legt mir die Ecke um den Hals. "Danke", ich lasse meine Haare wieder runter und atme tief durch. "Also ich muss noch ein bisschen was für die Schule machen. Denk an meine Worte, bis später", Ethan gibt mir noch ein Küsschen auf meinen Scheitel und ist schon aus meinem Zimmer verschwunden. Das einzige was mich meinem Vater hier näher bringt, sind die Serpents. Aber ob ich das Ethan und Max antun kann und vor allem Colton, der fast drauf gegangen wäre wegen denen? Plötzlich ertönt ein leises Piepen aus meiner linken Hosentasche. Ich ziehe mein Handy raus und blicke auf das Display. Augenblicklich zaubert sich ein Lächeln in mein Gesicht. Wie geht es dir? Ich vermisse dich. Colton. Ich tippe blitzschnell eine Antwort ein: Nach deiner Nachricht sehr gut. Ich drücke mein Smartphone gegen meine Brust, ich muss die Serpents vergessen und vor allem Cole. Meine Freundschaft zu ihnen tut niemanden gut! Entschlossen stehe ich auf und hole mir von unten eine Plastiktüte, danach wühle ich meinen Schrank nach der Lederjacke durch. „Es ist besser so", sage ich zu mir und stopfe die Jacke in die Tüte. Bei der nächsten Gelegenheit werde ich sie Cole zurückgeben und die ganze Sache damit beenden. Ding! Macht es von meinem Bett. Ich lege die Tüte auf den Stuhl und schnappe mir mein Handy. Eine neue Nachricht von Colton, zeigt mir mein Display an. Ich entsperre mein Handy und lese mir die Nachricht durch. Was machst du gerade? Was soll ich ihm bloß antworten? Ich beiße mir auf die Unterlippe, tippe etwas ein, um es dann aber wieder zu löschen. Ich sortiere Sachen aus, die ich nicht mehr brauche, schreibe ich schließlich knapp. Ja genau, Sachen die mir nicht gut tun und die ich nicht mehr brauche, aber warum tut es mir dann nur so verdammt weh.
Der nächste Tag verläuft relativ unspektakulär ab, bis es am späten Abend an der Tür klingelt. „Wer kommt den jetzt noch so spät?", lacht Lilly, die gerade den Abwasch macht. „Ich gehe schon", sage ich und springe von der Couch auf. Doch was ich dann tat, hätte ich lieber sein lassen sollen. Ich nichts denkend, reiße die Tür schwungvoll auf, in der Hoffnung es sei einer von den Freunden der Zwillinge. Aber so ist es nicht! Jetzt stehe ich, unsere Gesichter nur einige Zentimeter voneinander entfernt, vor Cole. Und mein Herz schlägt augenblicklich höher, was es eigentlich nicht sollte. „Was machst du hier?", zische ich, „willst du wieder ins Krankenhaus?" „Wer ist denn da?", ruft mir Ethan aus dem Wohnzimmer zu. „Ach irgendein Typ, der hat sich in der Tür geirrt", schreie ich zurück und will die Tür wieder zu drücken. Doch Cole stellt sein Fuß dazwischen: „Ich habe schon lange nichts mehr von dir gehört. Wie geht es dir?" „Mir geht's gut und jetzt hau ab", ich beiße meine Zähne zusammen, jetzt wäre die perfekte Gelegenheit das Ganze zu beenden, aber ich bringe es nicht über das Herz. „Wieso gehst du mir aus dem Weg?", fragt Cole belustigt. „Geh jetzt einfach", sage ich barsch. „Von mir aus, aber ich sag dir eins: Vor seiner Vergangenheit kann man nicht weglaufen, sie wird einen immer einholen", mit diesen Worten verlässt Cole unseren Vorgarten, seine Kapuze tief ins Gesicht gezogen. Ich schließe langsam die Tür und atme tief ein, Cole hat ja recht. Man kann davor nicht weglaufen! „Hey alles gut?", besorgt sieht mich Max an. „Nein, ganz und gar nicht. Ich sitze gerade ziemlich tief in der Scheiße", murmele ich. Cole hat ja recht, vor seiner Vergangenheit kann man nicht weglaufen. Sie wird einen, egal wo man ist, immer wieder einholen. Was mache ich jetzt bloß? Ich kann doch Ethan und Max nicht so enttäuschen und Colton, der mir auch viel bedeutet. Aber versuchen kann ich es wenigstens! Vielleicht vergesse ich die ganze Sache, wenn ich den Serpents, der South-Side und vor allem Cole aus dem Weg gehe. „Das wirst du nie schaffen. Deine Geschichte trägst du immer bei dir" Ich schüttele den Kopf, wo kommt den diese Stimme auf einmal her? „Wie hat Cole es zitiert, es fließt Serpentblut in dir Süße" Ach halt doch die Klappe, ich schaffe das schon. Ich werde die Serpents vergessen! „Wollen wir wetten" Ich wette doch nicht mit mir selber. „Du hast Angst, du hast Angst davor, weil du weißt ich habe recht" Mag sein, aber ich werde die Schlangen vergessen, auch wenn es schmerzt. Aber Schmerzen bin ich gewohnt, deshalb wollte ich auch eigentlich niemanden an mich ran lassen. Und jetzt, verschwinde aus meinen Gedanken du lästige Stimme.
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Badass Princess
Teen FictionGeboren in Kalifornien. Die Eltern unterschiedlicher Herkunft. Eine Mutter die sie kaum kennt. Ein Vater der mit ihr jenseits der Metropole lebt. Nowosibirsk, Russland , einer als gefährlich geltesten Stadt des Landes. Bis es heißt ihr Leben ist z...