die Fremde

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Daryl schaltet sein Bike aus und wir steigen beide ab als ich erst einmal den Moment nutze um mich um zu schauen. Es ist erstaunlich, denn das Bild was sich mir hier bietet ist so unglaublich fremd geworden. Ich befinde mich tatsächlich inmitten einer kleinen Siedlung mit wunderschönen Häusern, Vorgärten und etlichen, gesunden Menschen die scheinbar ganz normalen Aufgaben nach gingen.
Ich bemerke gar nicht, wie offen mein Mund vor Staunen stand, als Daryl ihn mir wortlos mit einem Finger zuklappt und einfach davon lief. Die grauhaarige Frau geht ebenfalls an mir vorbei, wirft mir jedoch einen Blick zu, den ich nicht in der Lage war zu deuten. Ich schaute mich einsam um und Unbehagen steigt in mir auf als die anderen Einwohner langsam verstanden, dass ich ein neues Gesicht sein muss.
Ich stehe eine gefühlte Ewigkeit neben Daryls Motorrad, wahrscheinlich weil es das einzig Bekannte hier für mich ist, als eine lautet Stimme meinen Namen ruft.
„Maya!!!“
Ich drehe mich in dessen Richtung und kann einen Mann erkennen, der mich zu sich herüber winkt und um nicht unhöflich zu wirken nicke ich ihm entgegen und setze mich in Bewegung zu seinem Haus.
„Hallo, mein Name ich Rick und du bist Maya?“ ‘fragt er misstrauisch aber freundlich.
„Ja ich bin Maya und es freut mich dich…….euch kennenzulernen.“, antworte ich, als ich mitbekomme wie sich die Terrasse, um Rick, füllt.
„Komm doch erst einmal herein und dann unterhalten wir uns in Ruhe.“, erklärt er nun und wenn ich könnte würde ich auf der Stelle davon laufen aber ich nehme meinen Mut zusammen und stampfe langsam die Stufen ins Haus hinauf, behalte meinen Blick aber gesenkt.
Drinnen bietet er mir einen Platz auf dem Sofa im Wohnzimmer an und ich bemerke die vorsichtigen Blicke auf meinem Körper die mich mustern und zu analysieren versuchen. Manchmal nehme ich Getuschel wahr aber ich versuche einfach irgendwie das mir einzig bekannte Gesicht auswendig zu machen.
Daryl befindet sich nicht hier im Raum aber warum erwarte ich das überhaupt? Er hat mich gerettet und ich stehe in seiner Schuld aber mehr auch nicht und immerhin kenne ich diesen Typen auch erst einige Stunden.
„Maya?“, reißt Rick mich nun aus meinen Gedanken.
„Ja?“, gebe ich kaum hörbar zurück.
„Wie geht es dir? Daryl sagte er hätte dich draußen im Wald gefunden?“, fragt er nun.
„Ja, das ist wahr. Ich habe mich vor Beißern versteckt und er fand mich schließlich.“, schildere ich ihm.
„Da hattest du aber wirklich Glück. Wie alt bist du überhaupt und bist du ganz allein?“, bohrt er nun fast.
Meine Hände Bällen sich zu Fäusten und mein Herz schlägt schneller als ich unweigerlich an all das Geschehene der letzten Zeit denken muss aber ich zwinge mich Fassung zu bewahren und erkläre weiter ganz ruhig,
„Ich bin dreiundzwanzig und habe niemanden mehr. Also ja, ich bin allein.“
Rick nickt kurz und redet weiter,
„Nun Maya, es ist so, jeder hier hat eine Aufgabe und bringt sich in die Gemeinschaft ein. Gibt es Probleme wird darüber gesprochen, gefährdet uns jemand muss er mit teils schwer wiegenden Konsequenzen rechnen. Wenn du also denkst, du könntest die mit diesen Regeln arrangieren, dann bist du eingeladen die hier bei uns niederzulassen.“
Ich überlege kurz und versuche abzuwiegen. Gehe ich, bin ich frei aber muss permanent um mein Leben kämpfen. Bleibe ich, gebe ich meine Freiheit auf aber bin vielleicht in Sicherheit. Mein Hunger und mein Durst siegen schließlich und ich nicke zustimmend in die Richtung von Rick.
„Also schön. Ich möchte es hier bei euch sehr gern versuchen.“
„Wunderbar. Dann wäre das ja geklärt. Carol zeigt dir alles weitere. Willkommen“, lächelt Rick, klatscht einmal in die Hände und erhebt sich zum Verlassen des Zimmers.
„Maya ich bin Carol. Folge mir bitte!“, sagt die grauhaarige Frau vom Tor plötzlich zu mir und wir verlassen beide nun das Haus von Rick.
Draußen Bögen wir nach links und laufen einige Meter die Straße entlang.
„ Du siehst blass aus. Musst sicher am verhungern sein.“, stellt Carol fest.
Ich gucke kurz mit den Schultern und erkläre ihr,
„Es geht. Daryl gab mir im Wald einen Schokoriegel und das reicht bei mir für einige Zeit.“
Carol mustert mich von der Seite und nickt als sie murmelt,
„Ja ja unser Daryl. Gewöhn dich nicht an solche Gesten.“
Ich atme nur und lasse mich darauf nicht weiter ein. Einige Meter weiter erreichen wir ein zweistöckiges weißes Haus und Carol erklärt, dass die neuen hier unter gebracht werden. Als wir die Veranda betreten kommt ein freundlicher Mann auf mich zu.
„Hallo, ich bin Morgan und dein Name ist?“
Ich erwidere sein offenes Lächeln und stelle mich vor,
„Hallo, ich bin Maya. Wohnst du hier auch?“
Morgan nickt mir zu und klopft leicht meine Schulter als er die Veranda in Richtung Siedlung verlässt.
Carol schiebt mich nun in das Haus und erklärt mir alle Räume, als hätte ich ein normales Zuhause nie kennengelernt aber um höflich zu bleiben lasse ich diese Prozedur artig über mich ergehen. Nach einer weiteren Stunde voller Regeln und Anweisungen verabschiedet sie sich nun auch und stolziert davon.
Ich stelle mich nun an ein Fenster im Erdgeschoss und verfolge ihren Weg mit meinem Blick. Sieht geht auf eine winzig kleine Parkanlage in der Mitte der Siedlung zu und ich kann erkennen das an dem Geländer zu dem kleinen Teich ein bekannter Typ lehnt. Es ist Daryl und als Carol bei ihm ankommt, legt sie ihm freundlich eine Hand auf den Rücken und gesellt sich zu ihm.
Die beiden scheinen sehr vertraut miteinander zu sein und ich wende nun meinen Blick ab und gehe in das mir zugeordnete Zimmer im oberen Stockwerk.
Es ist sehr hell und einladend. In der Mitte des Raums steht ein großes, weißes Holzbett mit vielen weichen Kissen und Decken. Rechts und links daneben befinden sich kleine, passende Beistelltische mit einer Lampe darauf. Gegenüber von dem Bett steht eine große Kommode, ebenfalls aus Holz auf der ein schöner Spiegel seinen Platz findet. Weiße Vorhänge an dem Fenster runden die Gemütlichkeit schließlich ab. Es ist fast zu schön um wahr zu sein. Carol erklärte mir, dass die Zimmer schon vorher gleich für Männer und Frauen aufgeteilt und zurecht gemacht werden und viele Dinge von ihren Besorgungstouren dort genutzt werden. So auch Kleidung und ich beschließe einen Blick in die Kommode zu werfen. Ich krame vorsichtig Schublade für Schublade durch und finde viele, hübsche Klamotten. Ich bin allerdings eher der normale Typ Frau. Für die Männer wahrscheinlich völlig unscheinbar aber leider konnte ich das nie wirklich herausfinden weil ich erst siebzehn war als diese ganze Seuche ihren Anfang nahm. Ich war gerade dabei ein paar Jungs zu Daten und knutschen auszuprobieren. Ich war nie das Mädchen von nebenan sondern immer eher der Kumpeltyp, der sich die Knie aufschlug und Blutsbrüderschaft in der Seifenkiste schloss.
Ich entscheide mich dazu, mir ein weißes Tank top, einen BH, einen Slip und eine schwarze Jeans zu nehmen und lege alles auf das Bett. Das war schon irgendwie ein Krampf, denn die Kommode ist sehr voll, da die verschiedensten Sachen in den verschiedensten Größen zu finden sind.
In der frische dieses Zimmers bemerke ich meinen eigenen Körpergeruch und rümpfe meine Nase. Es ist schon Monate her, dass ich mich richtig geduscht habe wenn man das waschen und baden in Flüssen und Seen nicht mit zählt.
Ich legen meine kleine Umhängetasche ab, schiebe sie aufmerksam unter das Bett und ziehe meine dreckige Kleidung aus um mir eines dieses riesigen blauen Handtücher umzubinden, die auf dem Bett gefaltet liegen.
Ich schlurfenden nun Barfuß über den Flur in das kleine Bad und schließe die Tür hinter mich ab.
Das Handtuch lasse ich zu Boden gleiten, meinen Haargummi öffne ich und langsam steige ich in die Duschkabine und drehe das Wasser an. Die Temperatur ist von Anfang an perfekt und ich spüre wie die warmen Tropfen auf meine Haut prasseln, erkenne wie der Schmutz und das Blut in dem Abfluss verschwinden und schäume mich mit dem grünen Shampoo, auf dem Apfel steht, ein.
Als ich fertig bin, steigt ein völlig neuer Mensch aus der Dusche und ich wische mit der rechten Hand den Badezimmerspiegel frei um mich zu betrachten. Mein Blick wirkt leer und erschöpft und meine Haut scheint geschunden zu sein. Blaue Flecken zieren mein Schlüsselbein von dem Angriff heute im Wald und auch sonst finden sich überall am Körper etliche kleinere Narben und Zeichen dieser verdorbenen Welt da draußen. Meine Haare habe ich nun seit sechs Jahren nicht mehr geschnitten und sie wirken wenigstens kräftig und gesund. Pechschwarz sind sie und irgendwie das einzig wirklich weibliche an mir wie ich finde. Diese Ansicht hat viele Gründe aus meiner Vergangenheit die ich schnell aus meinem Kopf dränge. In meinem Zimmer schlüpfe ich in meine neue Unterwäsche fummele mir eine Jogginghose aus der Kommode und ziehe mir mein Tank top über den Kopf. Ich rubbele mit dem Handtuch noch einmal meine langen Haare trocken und flechte sie seitlich zu einem Zopf. Einzelne kurze Strähnen zupfen ich heraus und zwirbele sie um den Finger. Dann schlüpfe ich in meine schwarzen Chucks und entscheide mich ein wenig an die Luft zu gehen. Es ist bereits dunkel draußen geworden und als ich durch die Straßen wandere erkenne ich wie glücklich alle in ihren Häusern wirken und dass, ich wirklich allein war. Ich habe die Hände in die Hosentaschen gesteckt und laufe einfach langsam weiter vor mich hin. Der frische Wind dieser lauen Sommernacht breitet mir eine Gänsehaut aber ich genieße diese entspannte Ruhe um mich herum.
„Na? Eingelebt?“, kommt es ruhig und tief aus einem dunklen Hauseingang und ich wusste sofort wer mir diese Frage stellt.
„ Nicht wirklich.“, gebe ich als Antwort und schaue in den Sternenhimmel über mich.
„Wirst du noch.“, sagt er und schnipst seine Zigarette an mir vorbei.
„Danke übrigens“, sage ich.
„Ne. Schon gut.“, antwortet er ganz entspannt.
„Woher wusste Rick eigentlich meinen Namen? Den habe ich dir gar nicht gesagt.“, frage ich ihn nun.
„Hast ihn im Wald im Schlaf geschrien und darauf reagiert als Rick dich rief. Da wars klar.“, sagt er.
„Hhmmm.“, erwidere ich nickend.
„Kippe?“, fragt er mich und ich setze mich nickend in die dunkle Ecke neben ihn. Wortlos Rauchen wir unsere Zigarette und lauschen der Stille und dem dumpfen Lachen der anderen in den Häusern.
„Bist du nicht bei den anderen?“, Frage ich.
„Ne is nich so mein Ding einen auf heile Welt zu machen.“ , erklärt er, „Und du?“,
Ich schüttele meinen Kopf und puste Ringe aus dem Qualm meiner Zigarette in die saubere Sommerluft dieser Nacht. Ich weiß nicht wie lange wir dort saßen aber wir schwiegen die ganze Zeit. Ich empfinde es immer noch als angenehm und ausreichend. Mehr war in diesem Moment nicht nötig damit es mir besser geht. Daryl steht nun auf und verabschiedet sich.
„Wohnst du nicht in diesem Haus?“, Frage ich verwirrt.
„Ne. Neben deinem aber Carol hat immer das Licht an.“, erklärt er und ich glaube ein verschmitztes grinsen in der Dunkelheit auf seinem Gesicht zu erkennen.
„Gute Nacht.“, flüstere ich ihm beinahe stumm hinterher ohne meinen Blick abzuwenden.

Die letzte Rose Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt