Sehnsucht

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Ganz vorsichtig versuche ich meine Augen etwas zu öffnen aber es bleibt alles Dunkel um mich herum und ich spüre einen Druck auf meinen Lidern. Meine Augen sind verbunden.
Mein Kopf dröhnt, als stecke ein Messer in ihm und meine Glieder kann ich gar nicht bewegen. Langsam werde ich panisch, und versuche um mich zu schlagen aber nichts geht. Mein Körper reagiert nicht auf die Befehle meines Hirns und wenn ich Tod bin, kann das unmöglich der Himmel sein.
„Pssssst.“, höre ich über meinem Gesicht, „ Ich nehme dir nun den Verband deiner Augen ab aber fang nicht an, zu schreien, verstanden?“
Die männliche Stimme kommt mir bekannt und sogar vertraut vor als ich spüre, wie der Druck auf meinen Augen nachlässt. Wieder versuche ich sie zu öffnen und leichtes Licht dringt in meine empfindliche Iris.
Das Gesicht vor mir ist noch verschwommen und wird erst nach und nach etwas klarer für mich.
Die schwarzen Haare, die markanten Gesichtszüge und dieses breite Grinsen, kenne ich nur noch zu gut.
„Dad!“, flüstere ich.
„Hay Baby!“, antwortet er und streicht über meine Stirn.
„Bin ich…..“, versuche ich zu fragen, aber meine Stimme bricht ab.
„Du lebst und du bist hier endlich in Sicherheit.“, sagt er als er sich erhebt und um mich herum geht, „Aber du kannst dich nicht bewegen, weil der Doc dir starke, Nerven betäubende Mittel verabreicht hat um die die starken Schmerzen zu ersparen. Sie müssten in den nächsten zwei Stunden nach lassen.“
Ich versuche ihm zu zu nicken und versuche im Kopf zusammen zu kriegen, was mit mir passiert war. Ich kann mich daran erinnern, dass dieser Typ mit seiner Armbrust, mich im Wald gefunden und aufgesammelt hat. Ich glaube sein Name war Daryl oder so. Er brachte mich zu einer Gruppe wo ich wohl eine Weile lebte aber mehr ist da nicht in meinem Kopf und auch das Aussehen dieses Daryls kommt mir nicht bekannt vor, aus meinem alten Leben.
Ich bin nur zufrieden, dass es meinem Vater soweit gut geht und ich endlich bei ihm bin, auch wenn er uns im Stich gelassen hat aber das zählt in der heutigen Welt nicht mehr.
Das Denken fällt mir schwer und tut mir weh aber schließlich schlafe ich wieder ein und alles erscheint ruhig um mich herum.
„Maya!“, höre ich meinen Vater sagen, „Maya, wach auf! Heute kannst du dich bewegen. Deine Wunden sind in der letzten Zeit gut verheilt und du darfst aufstehen. „
Ich komme zu mir und brauche noch ein bisschen, ehe ich versuche mich aufzurichten. Mein Vater stützt meinen Rücken und setzt mich auf die Bettkante. Er geht vor mich in die Hocke, legt seine Hände auf meine Knie und schaut mich erwartungsvoll von unten an.
Jetzt kann ich ihn richtig betrachten und mir fällt auf, dass er seine schwarzes Haar mittlerweile nach hinten gegelt trägt. Steht ihm.
„Machst du auf jungen Kerl?“, frage ich spöttisch und merke wie heiser meine Stimme ist.
„Du bist zurück!“, stellt er grinsend fest.
Ich möchte aufstehen und schnell reicht er mir eine Krücke, damit ich nicht zu Boden falle.
„Mach langsam Kleines! Du hast viel Blut verloren und es ist ein Wunder, dass du noch am Leben bist.“, erklärt er.
„Was genau ist passiert?“, will ich nun endlich wissen.
„Es gibt da draußen eine kleine Stadt in der eine andere Gruppe lebt. Einer von ihnen hat dich einige Male angeschossen, als wir dich aus ihrer Gefangenschaft retten wollten.“, sagt er nun.
Langsam gehen wir durch einige Türen und betreten eine große Halle als ein Ohren betäubender Applaus auf uns ein prasselt.
„Sie lebt!“, schreit es aus einer Ecke und, „Sie ist ganz ihr Vater!“, aus einer anderen.
Ein junger Typen kommt nun auf mich zu und lächelt mich an.
„Hallo Maya. Ich bin Jesus.“, stellt er sich vor und seine langen Haare wirken sehr gepflegt. Seine blauen Augen packen meine Aufmerksamkeit und sein Gesicht scheint makellos zu sein. Alles in allem ist er ein wirklich hübsches Kerlchen aber an irgendjemanden erinnert seine Art mich.
„Er hat dich gerettet.“, erklärt mein Dad nun.
Ich nicke ihm einfach dankend zu, denn für viele Worte reichen meine Erinnerungen einfach im Moment noch nicht aus.
„Können wir weiter gehen?“, fragt Dad mich und ich stimme zu.
In jedem Raum und in jeder Halle gibt es noch mehr zu sehen, das mich staunen lässt.
Sie haben eine Art Kantine eingerichtet in der scheinbar auch, von einigen der Frauen, frisch gekocht wird, sie haben Waschräume mit Toilettenkabinen und Duschen und viele gemütliche Wohnräume mit jeglichem Schnickschnack, den man sich vorstellen kann.
Draußen sind kleine Felder mit frischem Obst, Gemüse und….. Moment Mal…das ist Gras….und plötzlich stockt mir der Atem.
„Die Kerle hier wollen eben auch mal ihren Spaß haben.“, scherz mein Vater nun, als er mein schockiertes Gesicht sieht.
Der erste Tag hier verläuft relativ fix und ich werde an der Krücke richtig sicher obwohl ich sie, in zwei bis drei Tagen auch sicher nicht mehr brauchen werde. Am Abend setze ich mich draußen an eine der Feuertonnen und genieße die warme Luft um mich herum.
„Darf ich mich Zu dir setzen?“, fragt eine angenehme Stimme hinter mir.
„Natürlich.“, sage ich freundlich, als ich Jesus im Schein des Feuers erkenne.
„Es scheint dir wirklich viel besser zu gehen.“, stellt er fest.
„Keine Ahnung. Ich meine, ich weiß nicht mehr, wie es mir ging und ich weiß ehrlich gesagt, gar nichts mehr.“, sage ich schulterzuckend, mit dem Blick zum Feuer.
„Vielleicht kann ich dir helfen. Was möchtest du wissen?“, fragt Jesus nun.
„Wie ist das passiert?“, frage ich ihn.
„Wir wissen nur, dass du scheinbar gefangen genommen wurdest und fast ein ganzes Jahr bei ihnen warst. Als wir dich endlich retten konnten, warst du gerade mit einem ihrer Männer unterwegs.“, erklärt er genau.
Ich versuche meine Erinnerungen in Gang zu bringen aber irgendwie wirkt alles in meinem Kopf so schwammig und verkehrt.
„Weiter?“, frage ich.
„Ihr wart auf seinem Motorrad auf der nahen Landstraße unterwegs und wir sperrten die Straße um ihn anzuhalten, was uns auch gelang.“, erzählt er.
Komischerweise flattert die ganze Zeit das Bild dieses Daryls vor meinem inneren Auge hin und her aber ich kann den Grund nicht verstehen.
„War ich gefesselt? Oder schon verletzt?“, frage ich.
„Nein. Du hast hinten drauf gesessen. Als du deinen Vater erblickt hast, wolltest du auf uns zu laufen aber dieser Typ hat dich am Arm gepackt um dich aufzuhalten. Wir haben unsere Waffen erhoben und er ließ dich weiter laufen. Auf einmal hat diese Ratte dich hinterhältig abgeknallt und ist los gerast. Diesen Anblick werd ich nie vergessen.“, sagt er mitfühlend.
Das ergibt alles keinen Sinn. Meine Gedanken stellen so viele Fragen. Warum denke ich die ganze Zeit an diesen Typen und spüre dieses Ziehen im Bauch, warum war ich nicht gefesselt? Vielleicht bin ich freiwillig aufgestiegen und warum waren wir überhaupt unterwegs zu zweit?
Innerlich habe ich das ungute Gefühl, dass mir etwas fehlt aber ich kann die passenden Puzzleteile nicht finden.
„Du bist wunderschön.“, reißt mich Jesus plötzlich aus meinen Gedanken und eine Gänsehaut breitet sich auf meinem Körper aus. Sie ist aber nicht von positiver Art denn ich hab das Gefühl, dass es falsch ist und außerdem ist es mir unangenehm.
„Ich sollte schlafen gehen. Es ist spät und ich bin erschöpft.“, lenke ich schnell von seiner Aussage ab.

Die letzte Rose Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt