Ich liege auf dem Rücken. Meine Arme habe ich hinter meinem Kopf verschränkt und ich lausche der Musik, die aus den Kopfhörern in meine Ohren dringt. Hier ist es stickig und unordentlich. Ich neige meinen Kopf zur Seite. Meine Freundin sitzt auf ihrem Bett, sie hat ihren Laptop auf dem Schoß. Vermutlich schreibt sie gerade mit ihrem Vater. Es ist eine lange Zeit, die wir jetzt schon unterwegs sind. Ich frage mich, was in ihrem Kopf vorgeht. Sie lächelt, als sie etwas auf dem Bildschirm liest. Ich mag diese Atmosphäre nicht. Es ist zu langweilig, zu einfach. Ich fühle mich leer und allein. Ich fühle mich klein. Ich darf nicht klein sein. Ich muss groß sein. Weil ich doch so viel erreichen muss. Ich setze mich auf. Ich freue mich für meine Freundin, aber ich halte es gerade nicht aus. Ich muss hier raus. Ich schlüpfe in meine Schuhe, nehme mir eine dünne Jacke und verlasse das Zimmer. Sie blickt auf, sieht mich fragend an. Ich werfe ihr ein Lächeln zu. Sie sieht, dass ich nicht glücklich bin, aber sie weiß, dass ich es ihr erzählen werde, wenn ich dazu bereit bin. Wir verstehen uns ohne Worte. Ich schleiche durch das Haus. Die anderen schlafen vermutlich schon. Verständlich. Es ist kurz vor halb zwölf, morgen ist wieder Schule. Aber ich könnte jetzt eh noch nicht schlafen. Ich höre, wie meine Freundin aufsteht. Sie wird sich jetzt vermutlich bettfertig machen. Die Tür geht leicht auf, aber sie quietscht ein bisschen. Die Stille der Nacht schlägt mir entgegen. Meine Kopfhörer habe ich im Zimmer gelassen. Der Kies knirscht unter meinen Füßen, als ich leise ein paar Schritte gehe. Ich bleibe stehen, ziehe meine Schuhe aus. Ich vergrabe meine Füße in den kleinen Steinen, spüre ihre Kälte. Ich gehe noch ein paar Schritte, dann setze ich mich hin. Ich breite die Jacke unter mir aus und lege mich nieder. Meine Hände sind diesmal nicht verschränkt, sie liegen schlaff neben mir auf dem Boden. Ich winkle meine Beine an. Die Steine pieksen mir in den Rücken, ich spüre ihre Ecken und Kanten, spüre ihre Härte. Welch schönes Gefühl. Mein Blick schweift kurz über meine Umgebung, die Schatten, die Dunkelheit, die leichten Bewegungen der Blätter im Wind. Dann richten sich meine Augen steil nach oben.
Nacht ist klar und kalt. Hier in dieser Gegend gibt es nicht viele Häuser. Kaum ein Licht brennt noch zu dieser Uhrzeit. Deswegen kann man die Sterne wunderbar sehen. Ich sehe nicht nur einen kleinen Fleck Himmel, ich sehe so viel. Mein gesamtes Blickfeld ist gefüllt von Dunkelheit und Sternen. Ein Schauer durchfährt mich. Ich bin froh, keine Musik zu hören. Wäre das hier ein Film, würde irgendeine kitschige Musik unterlegt werden. Oder eine Horrormusik um Spannung aufzubauen. Aber es ist so schön ohne diesen Quatsch, es ist schön mit dieser Stille, die meine Ohren füllt. Ich habe eine Gänsehaut. Das liegt an den Kälte, die in meine Glieder kriecht. Aber auch an dem Gefühl, dass mich durchströmt. Ich fühle mich klein, klein und die Sterne haben die Macht über mich. Aber sie sind so weit weg, dass ich auch Macht fühle. Ich fühle mich groß. Ich fühle mich allein, weil ich als Einzige diesen Himmel sehe. Aber es ist eine schöne Einsamkeit, so viel schöner als die vorhin im Zimmer, denn dieses Mal habe ich sie selbst gewählt. Und die Sterne sind da. Also bin ich gar nicht ganz allein. Es ist ein Gefühl der Gegensätze, das mich erfüllt. Ich fühle mich klein und gleichzeitig groß. Ich fühle mich schwach und gleichzeitig so machtvoll. Ich bin so traurig und doch so glücklich. Ich fühle mich einsam und doch wieder nicht. Ich bin Alles und Nichts.
Die Steine in meinem Rücken fangen an, weh zu tun, aber ich mag das Gefühl. Es zeigt mir, dass ich lebe. Ich bleibe noch eine Weile so liegen und genieße das Gefühl, dass mich erfüllt. Meine Glieder fangen unkontrolliert an zu zittern, weil es so kalt ist. Irgendwann schließe ich die Augen. Ich möchte nicht schlafen, ich möchte diesen Moment festhalten. Ich erhebe mich. Gehe zurück ins Haus, schließe die Tür, schleiche ins Zimmer. Meine Freundin liegt bereits im Bett, sie schläft. Sie hat ein kleines Licht für mich angelassen. Schnell ziehe ich mich um, dann schlüpfe ich unter meine Decke. Ich möchte wieder raus. Hier drinnen fühle ich mich gefangen. Mit einem letzten Gedanken an die Sterne schlafe ich ein.
Da draußen bin ich frei.
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Frei in den Wörtern
PoetryDas ist keine eigentliche Geschichte. Hier stelle ich viele verschiedene kurze und nicht ganz so kurze Texte hoch, die mir spontan zu 'Inspirationswörtern' einfallen. Sie sind unterschiedlich lang, aber kein Text ist länger als eine Seite. Für mich...