39. Höhle

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Tropf. Tropf. Tropf. Das stetige Geräusch von Wassertropfen, die auf kalten Stein schlagen, hatte Björn aufmerksam gemacht. Er hatte im Gras gelegen, die Wolken beobachtet, die Sonne auf dem Gesicht gespürt. Doch nun folgte er dem Geräusch, dem süßen, verheißungsvollen Klang einer guten Entdeckung. Welch fataler Fehler. Er kletterte über zwei Felsen, als er die Felsspalte sah. Schmal, sehr schmal war sie fast unsichtbar im schwarzen Gestein. Sie war gerade breit genug, dass sich Björn, mit eher schmächtiger Statur, hindurchzwängen konnte. Die Spalte war vielleicht zwanzig Meter lang, Björn hatte seine Schritte gezählt.

Spärlich drang Tageslicht durch ein kleines Loch in der Decke der Höhle, die er nun betreten hatte. Ein Wasserrinnsal suchte sich seinen Weg ins Freie. Stalagmiten wuchsen aus dem Boden und Stalagtiten hingen von der Decke, sie verursachten das Tropgeräusch, dem Björn gefolgt war. Dunkle Schatten tanzten flackernd an den Wänden. Björn sah sich um. Er konnte nicht viel entdecken, doch ihm gefiel die Höhle trotzdem.

"Welch schöner, friedvoller Ort", murmelte er. Dumme letzte Worte. So dumm in seiner Situation, aber Björn wusste das nicht.

Der Schuss knallte und noch bevor Björn es realisieren konnte, breitete sich auf seinem Shirt Blut aus. Sein Blut. Er fiel, war schon tot, bevor er auf dem Boden aufschlug. Mit starren Augen sah er in die Leere, das Herz zerfetzt von der Kugel.

Seine Leiche würde man erst einige Wochen später finden, wenn der Verwesungsgestank einen Wanderer anlocken würde. Grotesk würde er auf den wenigen Stalagmiten aufgespießt sein, Maden würden sich in seinem Fleisch tummeln. Doch das alles interessierte Björn nicht mehr. Er war tot. Wenigstens hatte er nicht leiden müssen.

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