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"Ich war mir nicht sicher ob du es ernst gemeint hast mit dem mitnehmen." spreche ich meinen Gedanken laut aus. "Wieso ist es für dich so abwegig, dass ich dich nach der Schule mitnehme?" "Es ist nicht abwegig, nur neu." Rick gibt ein Laut von sich der irgendwo zwischen einem Husten und einem Schnauben liegt. Wir sitzen beide in seinem Auto und fahren gerade vom Schulparkplatz. "Wieso bist du überhaupt mit Tonis Auto da?" Die Sonne erstrahlt ins Auto, mir voll ins Gesicht. "Mein Auto ist nicht angesprungen." Er setzt den Blinker nach links auf die Hauptstraße während ich mit dem Lichtschutz rumhantiere. "Bist du deswegen fast vier Stunden zu spät gekommen?" "Nein, ich habe außerdem auch noch Verschlafen." "oh" Mehr fällt mir nicht ein. "Ja, aber ich muss zugeben mein Vorschlag dich heute mitzunehmen hatte ein egoistischer Hintergedanke." Mein Blick fliegt zu ihm.

Er schaut weiterhin auf die Straße vor uns. Eine Hand am Lenker, die andere auf seinem Oberschenkel. "Einen egoistischer Hintergedanke? " frage ich skeptisch. "Ich wollte mehr über deinen egoistischen Wunsch erfahren." "Du willst nicht über meinen Wunsch reden, denn kennst du bereits. Du willst über meine Angst reden." Er schnaubt auf. Doch ich bin noch nicht fertig. "Du willst alles über meine Ängste erfahren um gleichstand zwischen uns zu haben. Ich kenne deine größte Angst, das macht dich Verwundbar. Deswegen möchtest du als Ausgleich auch meine größte Angst kennen um dich selbst zu schützen falls ich deine Angst irgendwann gegen dich verwenden sollte." Ich spreche so schnell, dass ich erst wieder Luft holen kann als ich fertig bin.

"Gar nicht." Ist Ricks lahme Antwort. Ich lache laut auf. Ricks Mundwinkel wandern nach oben, er wirft mir einen Seitenblick zu, der Verboten gehören sollte. Frech und Sexy ist eine tödliche Mischung. "Na schön, ich will mehr über deine Angst erfahren. " Seine Hand auf seinem Oberschenkel fährt immer wieder auf und ab, als sei er nervös. Das beruhigt mich, zu wissen das ich nicht die Einzige bin die ein bisschen unruhig ist. Es beruhigt mich so sehr das ich mich entspannt in den Sitz zurück lehne und Anfange zu erzählen. "Ich habe Angst mich wieder vor mein Klavier zu setzten. Ich habe Angst erneut zu spielen. Angst vor der Reaktion meiner Familie. Ich habe panische Angst das sich alles wiederholt." plappere ich los. "Ich konnte schon Klavierspielen, bevor ich überhaupt ein Wort sagen konnte. Klaviermusik hat mir schon immer gefallen und sie dann irgendwann selbst zu produzieren hat in mir was zum Aufleuchten gebracht. Ich liebe das Gefühl, was mich jedes Mal befällt sobald ich vor einem Klavier sitze und spiele.

Es ist das Adrenalin das dann durch meine Adern schießt und das Hohe Gefühl, wenn ich ein Stück beendet habe. " Ich gerate ins Schwärmen. Im Auto habe ich mich zu Rick gewandt, wild gestikuliere ich mit meinen Händen, meine Wangen sind erhitz und ich lächle. "Warum hast du dann aufgehört?" erkundigt sich Rick. "Ich wurde unter Druck gesetzt. Meine Grandma hat mehr in mir gesehen als das ich zu bieten hatte. Sie förderte mich in jeder Hinsicht. Nach der Schule, Klavierunterricht. Vor dem zu Bett gehen las sie mir ein Buch über Klassische Musiker vor. Am Wochenende bin ich von Konntest zu Konntest gefahren." Den fetten Klos in meinem Hals schlucke ich runter. "Als ich dann 14 war, hat es klick gemacht. Ich saß gerade am Klavier, wurde angeschrien, da ich das eine Lied nicht fehlerfrei spielen konnte dabei probte ich dafür schon seit Wochen. Mein Kopf stellte sich quer. In dem Moment beschloss ich ganz aufzuhören. Ich saß zwei Stunden da und habe mich nicht bewegt.

Erst als meine Großmutter und die Lehrerin gegangen sind, bin ich aufgestanden, habe das Klavier geschlossen und bin ins Bett gegangen. Meine Grandma hat es noch ein paar Mal versucht, mit Bestechung, überreden und schlechtem Gewissen. Wie ich ihr das nur antun könnte. Sie sei enttäuscht von mir. Das warst also mit den Klavierspielen für mich. Ich glaube ich wüsste gar nicht mehr wie man mein Lieblingslied spielen würde. " Traurig seufze ich auf. "Das glaube ich nicht." "Was glaubst du nicht?" Ich habe gar nicht mitbekommen das wir bereits auf dem Parkplatz vor Tonis Bar stehen. "Ich glaube, dass du immer noch spielen könntest. Es ist wie Fahrrad lernen, einmal gelernt, kannst du es immer." Er hat sich ebenfalls im Sitz zu mir gedreht. "Glaubst du?" Skeptisch ziehe ich meine Augenbrauen nach oben.

My GirlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt