39

15.9K 480 26
                                    

Der nächste Morgen brach an, es regnete in Strömen. Ich stehe vor unserem Küchenfenster und starre hinaus. Die Wassertropfen laufen wie im Wettkampf das Fenster hinunter. Der Regen lässt langsam nach, trotzdem mache ich keine Anstalten los zu laufen. Beider meiner Eltern sind heute früh aus dem Haus gegangen sodass ich nun ohne Fahrer dastehe. Leya ist bereits zur ersten Stunde in der Schule gewesen. Meine erste Stunde Geschichte ist ausgefallen weshalb ich mir Zeit lassen kann. Cloe hat zwar auch später, wohnt aber in eine komplett andere Richtung.

Meine Grandma an zu rufen kommt auch nicht infrage da bei uns immer noch Funkstille herrscht. Ich nehme einen weiteren Löffel meines Müslis und starre weiter raus. Erst als ein blauer Toyota vor unser Grundstück fährt bewege ich mich, und zwar in die entgegengesetzte Richtung der Tür. Ein Moment vergeht dann klingelt auch schon meine Grandma an der Tür. Verdammt Erst bin ich versucht es zu ignorieren doch beim zweiten Klingeln gehe ich zur Tür.

Wortlos öffne ich ihr die Tür. "Guten Morgen Megan." Sie kommt herein, stellt ihren Regenschirm an die Tür und schaut dann zu mir. "Ich wollte mit dir reden." Ganz sachlich als handelte sich der Besuch um einen Kundenmeeting stellt sie sich vor mich. Mein Blick ist auf die Tür hinter ihr gerichtet. "Rede." sage ich neutral. Ich tue mir schwer immer noch böse auf sie zu sein. Ich will es, kann es aber nach dem Gespräch von gestern nicht mehr. "Es war unverzeihlich das ich dich so ausgesetzt habe. Ich wollte doch nur dein bestes." "Mein bestes indem du mich zwingst auf eine Bühne zu treten und mich vor allen zu blamieren?" Meine Stimme klingt härter als beabsichtigt. "Du hättest dich nicht blamiert hättest du gespielt." Mein Puls will gerade wieder in die Höhe steigen doch sie setzt erneut zum Sprechen an. "Megan, ich meinte es nur gut. Es war ein Fehler." Ihre Stimme ist immer noch ganz Sachlich. Wie die eines Verkäufers. Obwohl ich nicht will schaue ich in ihr Gesicht. Sie sieht älter als 75 aus. Ihre Falten sind vertieft und ihre Mundwinkel nach unten gedrückt.

Vor 5 Jahren ist ihr Mann gestorben, er war nicht der leibliche Vater von meiner Mutter und daher auch nicht mein richtiger Opa aber ich habe ihn geliebt. Meine Grandma hat ihn auch geliebt. Durchaus. Schuldgefühle beschleichen mich. Sie reden mir ein, dass es sich hier in meiner Großmuttern handelt, dass sie nicht für immer bei uns sein wird und dass sie es doch nur gut gemeint hat. "Es ist okay." knicke ich schließlich ein. "Es war ein Fehler und ich bitte dich ihn nie wieder zu wiederholen. Ich werde vielleicht irgendwann wieder Klavier spielen aber ich will entscheiden wann ich so weit bin." Ich schlage einen Versöhnlichen Ton an. "Alles wieder gut?" Kurz schließe ich meine Augen. "Ja, alles gut." Sie zieht mich mit einer kraft, die ich ihr nicht zugetraut habe, in ihre Arme. "Danke, meine Liebe." Ruckartig lässt sie mich wieder gehen.

Das ist das erste Mal seit langen das sie körperliche Nähe zulässt. Sie hält meine Hände noch in ihren. Unsere stille Zweisamkeit wird durch ein Hupen vor der Tür unterbrochen. Verwundert öffne ich die Tür. Der Regen ist nun schwächer geworden, aber dennoch stark. Durch den Regenschleier erkenne ich ein schwarzes Auto. In diesem Auto sitz jemand mit leuchten grünen Augen. Mein Herz macht einen Hüpfer. "Ist das deine Mitfahrgelegenheit?" Meine Großmutter quetscht sich neben mir aus der Tür. "Scheint ganz so." schnell kehre ich wieder ins Haus, ziehe eine Regenjacke an und meinen Rucksack auf.

"Dann wünsch ich dir einen schönen Tag in der Schule, ich komme die Woche nochmal vorbei." Sie begleitet mich raus, mit einem kommentarlosen winken verabschieden wir uns voneinander. Sie läuft zu ihrem Auto und ich renne zur Beifahrertür von Ricks Auto. "Hey, was machst du denn hier?" frage ich als ich ins Auto steige. Schnell schließe ich die Tür. Im inneren des Wagens ist es angenehm warm. Rick hat sich im Sitz leicht zu mir gedreht. Das schwarze T-Shirt steht im gut, das Grün seiner Augen funkelt wieder. "Ich dachte, ich nehme dich heute mal mit." "Danke, ist nett von dir." Ich schnalle mich an während er den Motor startet. "Ich dachte mir, ich kann dich jetzt immer mitnehmen. Wir haben fast den gleichen Weg." "Klar, dass wäre richtig lieb. Danke." Hätte mir einer vor ein paar Wochen gesagt das Rick vorschlägt mich jeden Morgen in die Schule zu fahren hätte ich denjenigen Ausgelacht und währ weiter gegangen. Doch jetzt hat er es persönlich Vorgeschlagen.

My GirlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt