Das Quidditchspiel [1/2]

2.7K 161 5
                                    

Das Quidditchspiel



Nein, wollte sie nicht, ganz sicher nicht. Doch Hermine sah keine Möglichkeit, Malfoy eine Absage zu erteilen, die plausibel genug klang. Außerdem war sie sicher, dass Ron und Pansy auch in Hogsmeade sein würden. Vielleicht konnte sie die beiden beobachten. Also nickte sie knapp. Sichtlich zufrieden gab der Slytherin sie frei. Als Hermine sich in ihrem Schlafsaal auf das Bett legte, rieb sie sich verstohlen den Arm. Er hatte sie doch gar nicht hart angefasst. Weshalb nur brannte ihr Arm wie Feuer?

Am Ende der Woche wunderte sich Hermine, dass ihr Körpertausch mit Pansy offenbar noch niemandem aufgefallen war. Snape schanzte der falschen Gryffindor erstaunlich viele Punkte zu, während Hermine als Pansy keine bekam, obwohl sie alle Fragen richtig beantwortete. Malfoy regte sich ziemlich darüber auf, wenngleich er weiterhin die meisten Punkte für sein Haus einstrich. Dafür freute er sich, dass sie offenbar besser mit Professor McGonagall klarkam und dort einige Punkte einheimsen konnte. Allein fünf Punkte bekam sie, weil sie ein Ferkel in einen rosa Plüschsessel verwandelt hatte, ohne, dass an diesem ein Ringelschwänzchen zu sehen war. Hermine fühlte, dass sie beim Mittagessen leuchtend rot geworden sein musste, weil Malfoy ihr darüber ein überschwängliches Kompliment gemacht hatte.

Der Samstag kam schneller, als Hermine lieb war. Zum Glück gingen die Slytherins in einer ganzen Gruppe ins Dorf. Zabini, Goyle und Bulstrode waren ebenfalls dabei, sodass es Hermine nicht so vorkam, als hätte sie ein Date mit Draco Malfoy.
Sie wurde aus dem Blonden nicht schlau. Er war anders, als sie es sich vorgestellt hatte, wenn er seine blasierte Maske fallen ließ und die Arroganz ablegte. Dann wirkte er beinahe sympathisch. Sofort rief sich Hermine zur Ordnung und verbot ihren Gedanken weiter in diese Richtung zu wandern.
Die Mehrheit war dafür, bei Madam Rosmerta in den »Drei Besen« ein Butterbier zu trinken. Die Idee hatten schon etliche andere Schülerinnen und Schüler gehabt und so war es bereits ziemlich voll, als die Slytherins den Schankraum betraten.

Hermine entdeckte die Gryffindors sofort. Der Tisch neben ihnen war nur zur Hälfte besetzt. Zabini steuerte direkt darauf zu. Er schien Malfoys Zögern gar nicht bemerkt zu haben.
Hermine ließ sich ein wenig zurückfallen. Nachdem Malfoy auf die Bank gerutscht war, gab sie Bulstrode einen kleinen Schubs. Millicent drehte sich ein wenig und fragte erstaunt: »Aber willst du nicht ...?«
Hermine schüttelte den Kopf und zwinkerte ihr zu.

»Ah, ich verstehe«, grinste die Slytherin und setzte sich neben den blonden Quidditchkapitän.

Hermine hatte sofort Pansys Blick aufgefangen, doch da sie nun eingepfercht zwischen Bulstrode und Goyle saß, wandte sich Pansy wieder den Gryffindors zu.
Auf Malfoys Stirn hatte sich eine steile Falte gebildet, doch Hermine ignorierte ihn und versuchte sogleich, Goyle in ein Gespräch zu verwickeln. Das stellte sich als ziemlich einseitig heraus. Hermine hätte jetzt eine Plaudertasche bevorzugt. Dann wäre es ihr möglich gewesen, nur hin und wieder zu antworten und dabei unauffällig Ron zu beobachten. Millicent saß dafür leider zu ungünstig. Dann würde sie nur Malfoy sehen.

Immer wieder riskierte Hermine einen Blick hinüber zu dem rothaarigen Gryffindorhüter. Der unterhielt sich wild gestikulierend mit seiner Schwester und seinem besten Freund, während Pansy ruhig daneben saß und ihm zuhörte. Doch plötzlich vergaß Hermine sich fast. Just in dem Moment, als Harry Ginny küsste, fasste Ron nach der Hand der falschen Gryffindor und führte sie an seine Lippen. Pansy ließ es widerstandslos geschehen. Sie schaute kurz zum Tisch der Slytherins und ein hinterhältiges Lächeln umspielte ihre Mundwinkel.
Hermines Finger verkrampften sich um das Glas mit dem Butterbier. Sie musste ihre ganze Selbstbeherrschung aufbringen, jetzt keine Dummheit zu begehen, während ihre Augen Blitze zu den Gryffindors hinüber schossen. Bulstrode stupste sie in die Seite. Zornig sah Hermine sie an, ehe ihr Blick auf Malfoy fiel.

Seine Augen waren Schlitze, als er ihr zuzischte: »Wo bleibt deine Contenance, Pansy? Hör sofort auf, Sankt Potter ständig anzustarren.«

»Habe ich gar nicht«, verteidigte sich Hermine und spürte zu ihrem Ärger, wie sie wieder einmal rot wurde.

Malfoy musste ihren Farbwechsel als Eingeständnis ihrer Schuld aufgefasst haben, denn er wirkte plötzlich noch blasser als sonst. »Ich werde nicht zulassen, dass du die Ehre des Hauses Slytherin derart in den Schmutz ziehst.«

»Natürlich nicht«, sagte Hermine sarkastisch, »dafür willst du ganz alleine sorgen.«

Malfoys Arm schoss vor und er wollte sie offenbar am Handgelenk packen. Doch Hermine drückte Millicent gegen ihn und sprang auf. Aus den Augenwinkeln sah sie, wie sie die Aufmerksamkeit aller Gryffindors auf sich zog.
Mit einem Satz flog Hermine über Goyle hinweg und rannte aus der Schänke. Sie lief weiter bis vor Zonkos Scherzartikelladen. Keuchend blieb sie vor dem Schaufenster stehen und hielt sich die stechende Seite.
Verdammt, verdammt, verdammt. Weshalb war Ron so nett zu Pansy? Er musste doch etwas merken. So geschickt konnte die Slytherin ihren Part gar nicht ausfüllen, oder etwa doch? Als Hermine halbwegs zu Atem gekommen war, kickte sie wütend einen Kieselstein weg, der vor ihren Füßen lag.

»Aber Pansy, wer wird denn gleich so überreagieren?«

Hermine fuhr erschrocken herum. Blaise Zabini stand hinter ihr und betrachtete sie kopfschüttelnd. »Draco wollte dir sofort nach, aber ich dachte es wäre besser, wenn ich erst einmal versuchen würde, die Wogen zu glätten.«

»Er ist so ein Hornochse. Ich will doch gar nichts von ... Potter.«

Zabini gluckste. »Du hast deine Rolle aber hervorragend gespielt. Mir wird auf einmal klar, was du damit bezweckst.« Der dunkle Slytherin wurde plötzlich sehr ernst. »Treibe dein Spiel nicht zu weit, Pansy. Ich weiß, du willst Draco zurückgewinnen, aber einen Malfoy eifersüchtig zu machen, halte ich für keine besonders gute Idee. Er und Potter sind Erzfeinde von der ersten Klasse an. Im Moment herrscht so etwas wie ein Waffenstillstand zwischen ihnen. Der ist allerdings sehr fragil und du solltest ihn nicht für dein persönliches Interesse aufs Spiel setzen.«

Hermine ballte die Hände zusammen und vergrub sie tief in den Taschen ihres Mantels. »Ich werde versuchen deinen Rat zu beherzigen, Blaise«, quetschte sie hervor.

Zabini nickte zufrieden. »Kommst du wieder mit zurück?«

»Nein, ich glaube, für heute habe ich genug Unheil angerichtet. Ich gehe hoch zur Schule, muss ohnehin noch eine Menge Stoff nachholen.«

»Wie du meinst. Ist vielleicht auch besser so. Bis später, Pansy.«

»Bis später, Blaise.«


Hermine genoss die Zeit in der Bibliothek. Nur einige Erst- und Zweitklässler waren anwesend. Alle älteren waren offenbar im Dorf oder nutzten das schöne Wetter für andere Aktivitäten.
Nach dem Abendessen, bei dem sie und Malfoy sich geflissentlich übersehen hatten, schlenderte Hermine mit Millicent zum Gemeinschaftraum. »Pansy, ich muss dich was fragen«, begann diese.

»Schieß los.«

»Wie schafft man es, dass ein Junge sich für einen interessiert?«

Da fragte sie ja genau die Richtige. Wie viele Jahre hatte sie vergeblich auf Ron gewartet? »Ich denke, du musst erst einmal seine Aufmerksamkeit auf dich lenken.«

»Wie?«, fragte Millicent sofort.

Sie hatten den Kerker erreicht und betraten den Gemeinschaftsraum. Hermine ließ sich auf das Sofa fallen und streckte die Beine von sich. »Das kommt auf den Typ an.«

»Wie würdest du dich an Blaise heranmachen?«, wollte die Slytherin wissen und setzte sich der Gryffindor gegenüber in einen Sessel.

»Er ist sehr intelligent und ruhig. Ich glaube, mit ihm kann man gute Gespräche führen und ihn auch nur durch Wortgewandtheit beeindrucken.«

»Und Gregory?«

»Goyle? Keine Ahnung, ein gutes Essen kochen vielleicht. Bei dem geht die Liebe eher durch den Magen.«

Millicent sah über Hermine hinweg in Richtung Schlafsäle. »Und was ist mit Draco?«

»Bei dem nützen dir Kochkünste wahrscheinlich nicht viel«, mutmaßte die Gryffindor.

»Was müsste ich deiner Meinung nach tun, um seine Aufmerksamkeit zu erregen?«

»Abnehmen«, rutschte es Hermine heraus und schämte sich sogleich. »Entschuldige Milli. Ich bin immer noch gereizt wegen der Sache in Hogsmeade. Du interessiert dich also für ... Draco?«

»Wärst du mir böse?«, fragte die Slytherin und sah weiterhin an Hermine vorbei.

»Quatsch, obwohl ich glaube, von den dreien wäre Goyle die beste Wahl für dich.«

»Würdest du mir Dracos Bild geben? Es liegt immer noch in deiner Nachttischschublade.«

Irgendetwas störte Hermine daran, doch sie konnte es nicht fassen. »Wenn du mir versprichst, es nicht aufzustellen. Ich kann mir Schöneres vorstellen als täglich beim Aufwachen und Schlafengehen seine Visage zu sehen.«

»Aber er hat es dir geschenkt.«

»Na und, er hat mich auch erbarmungslos abserviert«, antwortete Hermine und wusste, dass sie sich auf dünnes Eis begab. Sie vermutete, Malfoy hatte damals mit Pansy Schluss gemacht, denn das Mädchen hing offenbar immer noch an ihm.

Millicent sah plötzlich deutlich erleichtert aus. »Ach Pans, ich bin so froh. Blaise vermutete heute Nachmittag schon, du wolltest Draco bloß eifersüchtig machen. Ich war mir wirklich nicht sicher, nach deinem bisherigen Verhalten, doch jetzt weiß ich, dass er Recht hat. Dein Stolz ist nur verletzt, weil er sich von dir getrennt hat.«

»Verflixt.« Hermine sprang von dem Sofa. »Hört endlich auf, mein Verhältnis zu ihm ständig zu analysieren. Lasst mich einfach zufrieden. Ich weiß schon, was ich tue.«

Sie schwang herum und fasste sich an die Kehle. Malfoy lehnte im Türrahmen seines Schlafsaales, hatte die Arme verschränkt und grinste sie selbstbewusst an.

Zaubertrank des SchicksalsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt