Im Salon stand der riesige Weihnachtsbaum. Er funkelte und glitzerte unter den vielen goldenen Ketten und Kugeln, mit denen er geschmückt war. Geschmacklos fand Hermine allerdings die echten Galleonen, die vereinzelt an ihm baumelten. Sie hatte fast den ganzen Tag in ihrem Zimmer verbracht, weil sie angeblich noch einige Hausaufgaben zu erledigen hatte und Draco hatte sie widerwillig sich selbst überlassen. Das Essen am Heiligen Abend zog sich in die Länge. Im Gegensatz zu den Weasleys setzten sich die Malfoys keine bunten Hütchen auf. Es hätte auf Hermine auch sehr merkwürdig gewirkt, Lucius, mit Papphut und einem Bommel an dessen Spitze, lauthals Weihnachtslieder trällern zu sehen. Keine Kinder klingelten und knallten mit Feuerwerkskörpern. Der Landsitz war vielleicht zu abgelegen oder die Familie im Umkreis zu gefürchtet.
Obwohl sie sich angeregt mit Dracos Eltern unterhielt, war sie froh, irgendwann wieder ihr Zimmer aufsuchen zu können. Es graute ihr ein wenig vor dem folgenden Morgen, wenn sie die Geschenke auspacken würden. Hoffentlich hatte Hermine es nicht zu weit getrieben. Plötzlich bekam sie ein wenig Angst vor ihrem eigenen Mut.
Als Hermine an Dracos Seite am nächsten Morgen den Salon betrat, hatten die Hauselfen die Geschenke unter dem Baum drapiert. Jedes war mit einem kleinen Zettelchen versehen worden. Auf zweien stand »Pansy«. Das eine war etwas größer und Hermine tippte auf ein Buch, das andere war ein kleines, viereckiges und sehr flaches Kästchen. Am Kamin hingen zwar vier grüne Socken, die mit je einem Vornamen bestickt waren, aber offenbar zogen die Malfoys es vor, diese nur zur Dekoration aufhängen zu lassen.
Das Frühstück dauerte ewig. Offenbar waren die Malfoys nicht besonders neugierig auf ihre Geschenke.
Schließlich erhob sich Lucius und ließ sich auf dem schweren Ledersessel nieder. »Dann wollen wir es mal hinter uns bringen, was Pansy?«
Bei Merlins Bart, was sollte das denn bedeuten? Im Fuchsbau bei den Weasleys wurde fröhlich gesungen. Jeder versuchte den anderen zu überzeugen, sein Geschenk zuerst zu öffnen. Ob Pansy jetzt gerade den für Hermine bestimmten Pullover auspackte?
Zögernd folgte sie Draco und ließ sich neben ihm auf der Couch nieder. Irgendwie schien er ihr Halt in dieser Familie zu geben, ohne es natürlich zu wissen. Der Slytherin angelte nach dem größeren der beiden Geschenke und hielt es Hermine hin.
»Von meinen Eltern«, sagte er und warf ihnen einen Blick zu.
Ob er sie beraten hatte? Hermine öffnete vorsichtig die Verpackung und riss die Augen auf. Vor ihr lag eine Ausgabe des Meisterwerkes: Alte Runen - neu entdeckt.
Hermine stieß einen kleinen Schrei des Entzückens aus. »Das ist ja fantastisch. Genau das habe ich mir schon lange gewünscht. Vielen Dank. Ich nehme mal an, der Tipp ist von Draco.«
Lucius Malfoy neigte zustimmend den Kopf. »Wir haben uns zugegebenermaßen sehr gewundert, aber offenbar hat Draco deine neue Leidenschaft richtig beurteilt.«
»Mal sehen, wie gut Pansy dich diesmal eingeschätzt hat«, grinste Draco in einer Art und Weise, die Hermine nur als dreckig bezeichnen konnte, und hielt seinem Vater Hermines Geschenk hin.
Skeptisch betrachtete er es. »Wieder ein Buch«, stellte er wenig begeistert anhand der Umverpackung fest.
»Hoffentlich nicht Kamasutra für Fortgeschrittene«, murmelte er vor sich hin und Hermine glaubte, sich verhört zu haben.
Während er es öffnete reichte Draco seiner Mutter ein kleines Päckchen mit den Worten: »Und das hat Pansy für dich ausgesucht.«
»Immerhin kein Kochbuch«, rutschte es Narzissa heraus und sah Hermine sogleich entschuldigend an. Hatte Pansy tatsächlich der Hausherrin neben den von Draco erwähnten Pralinen Rezepte geschenkt? Im Gegensatz zu Mrs Weasley hatte es Narzissa Malfoy nicht nötig, am Herd zu stehen.
Ein langgezogenes »Ahhhh« ertönte aus Lucius Malfoys Mund. Hermine sah ihn überrascht an. Dracos Vater strahlte auf das Buch in seinen Händen hinab. »Klasse Pansy, genau das, welches mir noch in meiner Sammlung fehlt.«
»Wirklich?«, fragte Hermine, der nichts Besseres einfiel.
Lucius nickte. »Ehrlich Pansy, wie ich dir damals meine Biografien der einzelnen Zauberer gezeigt habe, hatte ich nicht den Eindruck, es hätte dich sonderlich interessiert. Offenbar hast du aber doch ganz genau zugehört, als ich sagte, mir fehlt noch ein Buch mit einer Gesamtübersicht.«
»Aber«, stotterte Hermine, »in der Ausgabe werden auch muggelstämmige Magier erwähnt.«
»Ist mir durchaus aufgefallen, aber Sammlung ist Sammlung. Es ist zwar ärgerlich, aber auch diese Hexen und Zauberer gehören leider dazu.«
Hermine schluckte.
»Oh Pansy, der ist wundervoll«, rief Narzissa Malfoy. Sie hatte den Schal ausgepackt.
»Der ist ja rot«, stellte ihr Mann fest.
»Es ist die Komplementärfarbe zu Grün«, brachte Hermine stammelnd ihre bereits zurecht gelegte Entschuldigung hervor. »Ich dachte, er passt gut zu Ihrer bevorzugten Farbe.«
»Danke«, sagte Narzissa, erhob sich und drückte der völlig verdatterten Hermine einen Kuss auf die Wange. Dabei flüsterte sie ihr ins Ohr: »Tolle Ausrede.«
Offenbar war Rot die heimliche Lieblingsfarbe der Hausherrin. Sie musste es Pansy gegenüber einmal erwähnt haben. Anders konnte sich Hermine die Reaktion nicht erklären. Unbeabsichtigt hatte sie den Malfoys Geschenke gemacht, die ihnen gefielen. Dabei hatte sie Pansy eigentlich blamieren wollen. Das war ja nun reichlich schief gegangen.
Draco hatte mittlerweile eine goldene Uhr ausgepackt, deren Zifferblatt mit Diamantsplittern verziert war. Sie zeigte jedoch nicht einfach die Zeit an, sondern gleichzeitig Ereignisse, die an diesem Tag stattfanden. Draco lächelte höflich und probierte die Uhr an. Hermine fand, sie stand ihm überhaupt nicht.
»Jetzt pack mein Geschenk aus«, forderte sie ihn auf.
Er griff zögernd danach und Hermine hatte den flüchtigen Eindruck, Draco warf seinen Eltern einen entschuldigenden Blick zu. Was Pansy ihm wohl seinerzeit geschenkt haben mochte?
Draco hob das Päckchen hoch und schüttelte es leicht. Das Rappeln war deutlich zu hören.
»Oh Pansy, was hast du dir diesmal für euch ausgedacht? Etwas zum Spielen?«, fragte Lucius anzüglich.
»Nein, nicht wahr, Pansy? Dieses Jahr verschenkst du nur Nützliches und Schönes«, kam ihr Narzissa zur Hilfe.
Hermine nickte. »Aber ich fürchte, es ist etwas einfallslos. Du hast bestimmt schon zwanzig davon.«
»Na los, Draco. Bringe es hinter dich«, sagte sein Vater ungeduldig.
Sein Sohn seufzte und riss das Papier auf. Einen langen Moment starrte er auf das schlichte Holzkästchen mit der goldenen Gravur von Qualität für Quidditch, dann begann er zu lächeln. Draco öffnete die Schatulle und strahlte regelrecht, als er das Besenpflegeset begutachtete. »Mensch Pansy, das ist wirklich toll. Das schönste Geschenk, das ich je von dir bekommen habe.«
»Da habe ich ja völlig falsch gelegen«, grinste nun auch sein Vater. »Aber nach dem grünen Tanga mit dem silbernen String vom letzten Mal, dachte ich, hier kommt die Steigerung.«
Hermine spürte, wie ihr das Blut ins Gesicht schoss. Kein Wunder, dass Draco so misstrauisch gewesen war. Wehe, Pansy hatte etwas ähnlich Geschmackloses für Ron ausgesucht!
»Jetzt bist du dran«, sagte Draco und hielt ihr das flache Päckchen hin. Er sah sie erwartungsvoll an.
Hermine nahm es ihm ab. Ein Buch war es jedenfalls nicht, dafür war es zu klein und zu leicht. Sie öffnete vorsichtig das goldglänzende Papier. Zum Vorschein kam ebenfalls ein Kästchen. Hermine wusste, es musste Schmuck enthalten. Unwillkürlich hielt sie den Atem an, als sie es nun ganz öffnete. Zischend stieß sie die Luft aus. Vor ihr lag ein kleiner, schlicht eingefasster Smaragd an einer Weißgoldkette. Der Stein funkelte im Licht der Weihnachtsbaumkerzen.
»Das ... das darf ich nicht annehmen, Draco«, brachte Hermine hervor.
»Gefällt er dir nicht?«
»Oh doch, er ist wunderschön. So etwas Wunderbares habe ich noch nie bekommen, aber ...«
»Kein Aber«, fiel Draco ihr ins Wort und nahm ihr den Schmuck ab. Sogleich drehte Hermine ihm den Rücken zu und ließ sich von ihm die Kette anlegen. Dann strahlte sie und drückte ihm einen kurzen Kuss auf die Wange.
»Vielen Dank«, wisperte sie glücklich.
Narzissa lächelte sie an und legte ihre Hand auf den Arm ihres Mannes. »Lucius, ich denke, du solltest dich doch noch um die Karten für den Silvesterball bemühen.«
Der Hausherr schmunzelte. »Das entscheiden wir morgen Abend, Liebling.«
Draco sagte nichts dazu, doch er wirkte sichtlich erfreut.
Später standen sie in dem Korridor, in dem auch ihre Schlafzimmer lagen und Hermine deutete auf eine Tür am Ende des Ganges. »Was ist das für ein Raum?«
»Weißt du das nicht mehr?«
»Würde ich sonst fragen?«
»Das war mein Spielzimmer.«
»Zeigst du es mir?«
»Ich hatte nicht den Eindruck, dass es dich beim letzten Mal interessiert hat. Aber meinetwegen.« Draco drückte die Klinke hinunter.
Hermine folgte ihm in den Raum und blieb sprachlos stehen. Mit dem, was in dem Zimmer war, hätte man mindestens zwei Kindergärten ausstatten können. Auf den ersten Blick unterschieden sich die Spielsachen nicht wesentlich von denen der Muggelkinder. Es gab eine riesige Ritterburg, Zinnsoldaten, Legobausteine in allen Variationen, diverse Musikinstrumente und Gesellschaftsspiele. Die Regale an der Wand waren vollgestopft mit Kinderbüchern, auch die Märchen von Beedle dem Barden fanden sich darunter. Das tollste war jedoch ein Kinderbesen, der in einer Ecke schwebte. Hermine konnte sich zu gut vorstellen, wie ein kleiner, pummeliger Draco darauf seine ersten Flugversuche unternahm.
Er lachte, als sie ihm von ihren Gedanken erzählte. »Irgendwo muss es tatsächlich noch ein Bild davon geben.«
Draco trat auf einen Schrank zu und wühlte in den Schubladen. »Hier ist es«, sagte er und zog ein kleines Fotoalbum heraus.
Er setzte sich mitten auf den Boden und blätterte es auf. Hermine ließ sich im Schneidersitz daneben nieder. Draco zeigte auf ein Foto, auf dem er etwa zwei Jahre alt war und immer von rechts nach links durch das Bild sauste. Im Hintergrund sah man seine etwas ängstlich aussehende Mutter neben einem stolz dreinblickenden Lucius.
»Du warst wirklich süß«, sagte Hermine.
»Was heißt hier warst?«, wollte er sofort wissen und sah ihr tief in die Augen.
»Du bist es immer noch, zufrieden?«, antwortete Hermine ein wenig zu schnell.
»Nicht ganz, aber ich lasse das erst einmal so stehen.«
Erleichtert wandte sich die Gryffindor wieder den Fotos zu. Es dauerte eine Weile, bis sie das ganze Album durchgeblättert hatte. Draco hatte, soweit Hermine das beurteilen konnte, eine glückliche, aber auch einsame Kindheit erlebt. Materiell fehlte ihm natürlich an nichts, seine Eltern schienen ihn wahrhaft zu lieben und seine Mutter berührte ihn oft zärtlich auf den Bildern. Dennoch schien er kaum Freunde gehabt zu haben. Auf einigen Fotos waren Crabbe oder Goyle zu sehen, einmal sogar Blaise, Pansy und Theodor Nott. Doch im allgemeinen schien er eher allein gespielt zu haben.
Am nächsten Tag zeigte Draco Hermine auf ihren Wunsch hin das Anwesen. Er wunderte sich zwar ein wenig, aber die Gryffindor meinte, sie würde alles mit neuen Augen sehen, wie er sicherlich schon bemerkt hätte. Am längsten hielten sie sich in der Bibliothek auf, von der sich Hermine kaum losreißen konnte. Erst als Draco süffisant meinte, die Granger könnte kaum fanatischer sein, räumte Hermine wortlos alle herausgezogenen Bücher an ihren Platz zurück. Den restlichen Nachmittag achtete sie akribisch darauf, sich zu keinen weiteren Begeisterungstürmen hinreißen zu lassen, obwohl ihr das insbesondere bei den Gewächshäusern eine große Selbstbeherrschung abverlangte.
Hermine war froh, dass die Malfoys offenbar keine Einladung zu irgendeinem Weihnachtsessen erhalten hatten. Mit ihnen gemeinsam womöglich noch eine befreundete Todesserfamilie zu besuchen, wäre Hermine recht schwer gefallen.
Nach dem Abendessen verkündete Lucius Malfoy einem strahlenden Draco, dass er und seine Frau beschlossen hatten, Karten für den Silvesterball zu besorgen. »Du hast uns nicht zuviel versprochen, mein Sohn, mit Pansy kannst du dich wirklich sehen lassen.«
Wieder einmal fühlte Hermine, wie ihr das Blut in den Kopf stieg, während sie ein Stoßgebet zu Merlin schickte, die Karten mögen alle vergeben sein.
Am nächsten Morgen setzten die Malfoys Draco und Hermine davon in Kenntnis, dass sie wohl den ganzen Tag in London verbringen würden.
»Ihr könntet schwimmen gehen«, schlug Narzissa vor.
»Mutter, du weißt doch, dass Pansy das nicht mag«, antwortete Draco.
»Wo würden wir denn schwimmen?«, fragte Hermine dazwischen, die auf ihrem gestrigen Rundgang kein Schwimmbad bemerkt hatte. Allerdings war sie noch nicht im Keller gewesen. Durch Ron und Harry wusste sie, dass sich dort die Kerker befanden, sofern das Manor nach dem Krieg nicht komplett umgestaltet worden war.
»Na hier«, sagte Draco mit einer Selbstverständlichkeit, als müsste sie das ganz genau wissen.
»Ich halte die Idee für gut«, meinte Hermine und erwiderte Dracos verblüfften Blick mit einem Lächeln.
»Verlässt du dich darauf, dass ich dich rausfische, wenn du untergehst?«
»So schlecht schwimme ich nun auch wieder nicht«, behauptete Hermine.
»Doch, wenn man deine Paddelbewegungen überhaupt als solches bezeichnen kann.«
»Ich habe fleißig trainiert, du wirst staunen.«
Draco zog skeptisch eine Augenbraue hoch. »Gut, dann werde ich mich von dir mal wieder verblüffen lassen.«
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Zaubertrank des Schicksals
Fiksi PenggemarNach dem Krieg sind etliche Schülerinnen und Schüler nach Hogwarts zurückgekehrt. Professor Snape fordert das Brauen eines perfekten Verwechslungstrankes. Hermine Granger muss mit Pansy Parkinson zusammen arbeiten. Es kommt zum Streit und als sich d...