Der Silvesterball [1/2]

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Der Silvesterball



Hermine erwachte früh am nächsten Morgen. Sie fühlte sich wie gerädert und beschloss, sich erst einmal unter die Dusche zu stellen, um ihre Lebensgeister wieder zu wecken. Sie schwankte immer noch, wie sie sich Draco gegenüber verhalten sollte. Würde sie Pansy damit treffen, wenn sie sich mit ihm einließ? Nach ihren bisherigen Beobachtungen war das nicht unbedingt zu erwarten. Im Hinblick auf Draco war das natürlich die perfekte Rache für die vielen Schikanen während der ganzen Schuljahre. Aber wollte Hermine das wirklich? Sie mochte ihn - jetzt, wo sie eine Slytherin war. Würde das anhalten, wenn sie wieder eine Gryffindor würde? Irgendwie wäre es auch Rache an Ron. Wenn er mit Pansy schlief, konnte sie sich ebenso mit Draco vergnügen. Doch sie wollte nichts forcieren.
Nachdem Hermine eine gute halbe Stunde im Duschregen verbracht hatte, stand ihr Entschluss fest. Egal, was kommen würde, sie freute sich auf den Ball und die Aussicht, den ganzen Abend mit Draco zu verbringen. Sollte mehr daraus werden, nun gut. Er liebte ja nicht sie, insofern spielte sie auch nicht mit seinen Gefühlen, sondern lediglich mit seinem Stolz, und der konnte ruhig mal einen Dämpfer vertragen.
Pünktlich erschien Hermine zum Frühstück, ohne abgeholt worden zu sein. Ein vorheriger Blick in den Spiegel hatte ihr gezeigt, dass zwar nicht topfit, aber immerhin erfrischt aussah. Sogleich erkundigte sich Narzissa fürsorglich nach ihrem Befinden. Hermine lächelte und behauptete, die Schmerzen wären zwar verschwunden, doch sie fühle sich noch ein wenig schlapp.
Draco sagte nichts dazu, doch sie sah ihm an, dass er ihr nicht glaubte. Daher griff sie nach seiner Hand und sagte: »Ehrlich, ich bin wieder o.k.«

»Für wie lange diesmal?«, flüsterte er ihr zu.

»Solange ich bei dir bin«, wisperte sie zurück. Überzeugt hatte sie ihn nicht, das wusste sie, aber er gab sich Mühe seine Zweifel vor seinen Eltern zu verbergen.

Diese sprachen nur von dem morgigen Ball. Narzissa sagte, wie gespannt sie auf Pansys Kleid wäre. Draco hatte sich in Schweigen gehüllt. »Er kann so stur sein, wenn er nichts verraten will«, klagte seine Mutter.

Das war in Hermines Augen eher eine seiner positiven Eigenschaften, doch sie enthielt sich eines Kommentars. »Wann denkst du kommt mein Kleid an?«, fragte sie Draco.

Der Sohn des Hauses zuckte mit den Schultern. »In ein bis zwei Stunden schätze ich. Es waren nicht viele Änderungen nötig und Madame Chantal ist dafür bekannt, dass sie die Bekleidung immer so frühzeitig schickt, dass noch ausreichend Gelegenheit bleibt, etwaige Wünsche zu berücksichtigen.«

Er sollte Recht behalten. Am späten Vormittag flogen zwei Schneeeulen heran und brachten ein großes flaches Paket. Es war mit weißem Packpapier umwickelt. Auf ihm prangte der Hermine mittlerweile bekannte goldene Schriftzug. Narzissa kam herbei und die Vorfreude war ihr vom Gesicht abzulesen.
»Oh nein, Mutter. Ich werde mit Pansy das Kleid begutachten. Du wirst es erst morgen sehen.«

Narzissa zog eine Schnute wie ein kleines Mädchen. Irgendwie fand Hermine das sogar sympathisch. »Ach Draco, du weißt doch, wie neugierig ich bin.«

»Eben drum«, grinste ihr Sohn. »Vorfreude ist die schönste Freude, hast du mir immer wieder gesagt.«

»Ich hasse es, mit meinen eigenen Worten geschlagen zu werden«, schmollte sie.

»Soso, du findest eine lange Vorfreude also toll«, stellte Hermine amüsiert fest.

»Grundsätzlich schon, allerdings sollte sie nicht zu lange währen, sonst wandelt sie sich in Frust.«

Hermine wusste, was Draco ihr damit zu verstehen geben wollte. »Nun, zumindest bei dem Kleid musst du nicht warten. Ich fürchte, ich bekomme es alleine nicht geschlossen.«

»Das habe ich mir schon gedacht«, sagte er und schob sie aus dem Zimmer. Im Flur setzte er leise hinzu: »Deshalb habe ich es ja auch ausgesucht.«

Hermine schlug ihm sanft vor die Brust, bedacht darauf, nicht das Paket zu treffen, das er in den Armen hielt. Als sie ihr Zimmer erreicht hatten, legte Draco es auf das Bett und öffnete geschickt die Verpackung. Dann trat er auf ihren Kleiderschrank zu und suchte nach BH und Slip.
Hermine hasste seine Angewohnheit, ständig in ihrer Unterwäsche zu wühlen, doch sie musste sich eingestehen, dass er einfach mehr Verständnis von Mode und deren Zusammenstellung hatte, als sie.
Schließlich hielt er ihr die beiden Teile vor die Nase. Hermine griff danach und schnappte sich gleichzeitig das Kleid. »Ich weiß, es gibt nichts, was das du an mir nicht schon gesehen hättest, aber ich will mich dennoch im Badezimmer umziehen.«

Als sie wieder herauskam, saß Draco in einem der Sessel, hatte die Beine übereinander geschlagen und sah sie an. Hermine war verzweifelt. »Ich bekomme es wirklich nicht geschlossen«, sagte sie.

Langsam stand er auf. Er deutete mit dem Kopf zu der Frisierkommode. »Stell dich vor den Spiegel.«

Sie gehorchte und sah ihn im Spiegel näher kommen. Seine Blicke glitten ihren freien Rücken entlang. Vorsichtig hob er die Stoffbahn an. »Halt das mal.«

Hermine zuckte zusammen, als seine Fingerspitzen im unteren Rücken ihre nackte Haut berührten. Sie sah, wie ihre eigenen hellen Augen größer wurden und sich die Pupillen weiteten. Doch sie bemerkte auch die Unmutsfalte auf seiner Stirn.
»Du schreckst schon wieder zusammen«, stellte er fest.

»Ich bin an der Stelle empfindlich.«

»Am Rücken?« Das klang skeptisch. »Seit wann?«

»Ich weiß nicht«, sagte Hermine schwach.

Draco schloss die Haken und drapierte den Stoff um den Ausschnitt. »Setz dich«, forderte er.

Hermine nahm auf dem Schemel vor der Kommode Platz. Draco fasste in ihre Haare und entfernte die Spange. Dann griff er zur Bürste und strich gekonnt durch die schwarzen Strähnen. Unwillkürlich schloss Hermine die Augen.
»Das gefällt dir wohl, hm?«, fragte er mit einem leisen Lachen in der Stimme.

»Ja, sehr sogar«, gab Hermine sofort zu.

Draco legte die Bürste beiseite und hob ihre Haare an. »Mach die Augen auf. Was hältst du von einer Hochsteckfrisur?«

»Willst du mich frisieren?«

»Nein, das überlasse ich lieber Corky. Nach dem Ball deine Haare zu durchwühlen liegt mir mehr.«
»Wird sie mir auch beim Ankleiden helfen?«

Draco beugte sich ein wenig vor. »Das würde ich gerne übernehmen, wenn du es erlaubst.«
»Ja«, hauchte Hermine.

»Und das Auskleiden auch«, setzte Draco hinzu und begann die Haken wieder zu öffnen. »Das Kleid sitzt übrigens perfekt. Ich werde auf dich aufpassen müssen.«

»Gibt es denn da so viele junge Männer?«, fragte Hermine amüsiert.
»Eher nicht, aber je oller je doller.«



Am nächsten Abend war es endlich soweit. Corky hatte Hermine kunstvoll die Haare hochgesteckt, nur links und rechts schmiegte sich eine sanft gelockte Strähne an ihren Hals. Wie die Hauselfe das hinbekommen hatte, war Hermine allerdings ein Rätsel. Sie schlüpfte in Kleid und Schuhe. Doch als Corky ihr helfen wollte, wehrte Hermine ab. »Master Draco wird sonst enttäuscht sein. Würdest du bitte so lieb sein und ihn holen?«
Die Elfe knickste und verschwand mit einem leisen Plop.
Es waren höchstens zwei Minuten vergangen, als sich die Tür öffnete und Draco eintrat. Hermine stockte der Atem. Er sah großartig aus. Der schwarze Anzug erinnerte vom Schnitt her an den, den die Jungs anlässlich des Schulballs im vierten Jahr getragen hatten. Anstelle einer Krawatte hatte sich Draco heute für eine Fliege entschieden. Seine blonden Haare standen im schönen Widerspruch zu der dunklen Farbe des Jacketts.
»Wow«, entfuhr es Hermine.
Draco lächelte. »Ich wollte gerade das Gleiche sagen. Du siehst umwerfend aus, Pansy.« Er trat hinter sie und schloss das Kleid. »Ich kann nicht garantieren, dass ich heute Abend immer meine Finger unter Kontrolle habe.«

»Na, das hoffe ich doch«, grinste Hermine.

»Hey Pans, versuchst du gerade mit mir zu flirten?«

»Ich doch nicht«, sagte die Gryffindor und unterstrich die Antwort mit einem langen Wimpernschlag.

»Wo ist die Kette, die ich dir geschenkt habe?«, fragte Draco, dessen Wangen sich rötlich gefärbt hatten.

»Ich wollte dich ohnehin bitten, sie mir umzulegen.« Hermine drückte ihm den Anhänger in die Hand und drehte sich um.

Nachdem er sie im Nacken verschlossen hatte, wanderten seine Fingerspitzen zärtlich bis zu ihren Schulten, glitten an ihren Armen hinab und dann fanden sich seine Hände vor ihrem Bauch. Sanft drückte er sie an sich. »Der Abend wird eine Qual für mich werden«, seufzte er.

Im Salon warteten bereits Dracos Eltern. Narzissa trug ebenfalls ein kostbares Kleid, allerdings war es im oberen Bereich nicht ganz so eng anliegend wie Hermines. Es schimmerte grün und sie hatte den roten Seidenschal, den sie zu Weihnachten geschenkt bekommen hatte, locker umgelegt. Ihren Hals schmückte ein Band aus vielen Diamanten.
Lucius Malfoy stand da in seinem maßgeschneiderten Smoking und sein Kiefer klappte ein wenig nach unten, als sein Blick Hermine traf, während Narzissa begeistert nickte. »Gut gewählt, Draco«, sagte sie und setzte leise hinzu, obwohl es Hermine genau hörte, »und damit meine ich nicht nur das Kleid.«

Narzissa drehte sich um und schritt auf den Kaminsims zu. Dort lag ein längliches Kästchen. Sie öffnete es und entnahm ihm ein schmales Armband, das wie zu Hermines Kette gemacht zu sein schien. »Streck deinen linken Arm aus, Pansy«, verlangte Dracos Mutter.

»Das kann ich nicht annehmen«, sagte Hermine sofort.

»Sag mal, wird das jetzt dein Standardspruch? Es ist mein Armband und es nur geliehen für heute, zufrieden?«

Was blieb Hermine anderes übrig, als zu nicken? Sie ließ sich von Narzissa den Schmuck umlegen. Die Elfe brachte ihre Umhänge und dann apparierten sie nach London.

Die Villa, vor der sie ankamen, glich von außen einem römischen Tempel. Sie schritten die breite Treppe hinauf. Oben überreichte Lucius einem Bediensteten die vier Eintrittskarten und sie betraten eine kleine Halle. Sofort eilte jemand herbei und nahm ihnen die Umhänge ab. Instinktiv rückte Hermine näher an Draco heran, der sogleich seine Hand kurz um ihre Hüfte legte, ihr dann jedoch seinen Arm bot. Gemeinsam betraten sie hinter seinen Eltern den Ballsaal.
Die Wände waren verspiegelt und protzig mit Gold verziert. Außen römisch und innen barock eingerichtet, gefiel Hermine nicht, aber das sollte wohl alles nur den Reichtum demonstrieren, den der Gastgeber offen zu Schau stellen wollte. Die Kassettendecke war mit Intarsien verziert. Gegenüber an der Kopfwand konnte man durch hohe weiße Flügeltüren den nächsten Raum betreten. An der rechten Seite führten drei Türen auf die Terrasse, doch bei den winterlichen Temperaturen blieben sie geschlossen.
Draco führte sie sofort auf die Tanzfläche. Die Kapelle, die nur aus Musikinstrumenten bestand, die ohne Musiker spielten, ließ gerade einen Walzer erklingen. Draco drehte Hermine und zog sich ein wenig enger zu sich. Seine linke Hand verschwand unter dem Stoff, der den Rückenausschnitt umrahmte. Verdeckt wanderte sie ein wenig nach oben, sodass sein Daumen ihre nackte Haut streicheln konnte.
»Ich habe dich gewarnt«, flüsterte er ihr zu.

Sie lächelte bloß und drückte sich an ihn.

Zaubertrank des SchicksalsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt