der endlose Gang - Severus

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Mein Schlaf war unruhig und weder erholsam, noch tief. Mit schnellen Schritten und wehendem Umhang rauschte ich durch die Gänge der Kerker. Nicht nur einem Schüler habe ich mit diesem Auftreten das fürchten gelehrt. Doch nun laufe ich, seit einer gefühlten Ewigkeit, immer wieder denselben Gang entlang, immer wieder vorbei an derselben Nische, die in die grobe Steinmauer eingelassen war.

Zuerst erschien diese mir dunkel und kalt. Von Schatten beherrscht, schluckte sie jedes Licht. Doch jedes Mal, wenn ich an dieser Einlassung vorbei rauschte, schien das Licht heller und wärmer zu werden. Als ich nun das elfte Mal auf die Nische zutrat, stand er dort. Dieser Junge mit dem verwuschelten schwarzen Haar und den leuchtend grünen Augen. Ich schritt an ihm vorbei, einmal, zweimal, ein drittes Mal. Lässig stand er dort, seitlich an die Wand gelehnt, die Arme vor seiner Brust verschränkt.

Er beobachtete mich, fixierte mich mit einem Blick, den ich nicht zu deuten vermochte. Als ich das fünfte Mal auf ihn zutrat, lächelte er zaghaft und scheu. Und ich? Ich stürmte an ihm vorbei. Wie die letzten Male, folgte ich unaufhaltsam meinem Weg durch die Gänge. Ich bog ab, nach links und rechts, rechts und wieder nach links. Vor mir wieder die Nische, ich sah sie von weitem. Dieses Mal war sie hell erleuchtet, in dem sonst so trüben Gang. Und er? Er lächelte mich offen und entwaffnend an.

Dann trat er mir in den Weg. "Professor...", hörte ich seine Stimme in meinem Kopf und spürte, wie viele Male zuvor, wie dieses vertraute, seidige Gefühl meine Wange streifte. "Mr. Potter, wohin des Weges? Sollten Sie nicht im Unterricht sitzen?" Der Junge antwortete nicht, er sah mich lediglich enttäuscht an und runzelte die Stirn.

Sein Blick verdunkelte sich und dann begann sein Körper zu schwinden. Er löste sich langsam in den Schatten auf und ich setzte meinen Weg fort, weiter den Gang entlang. Ich lief immer noch, meiner Schritte nicht müde werdend, durch die Gänge der Kerker. Dieses Mal stand Harry mitten im Gang. Seine Miene war ausdruckslos. Als ich näher kam, straffte er seine Schultern. Ich blieb vor ihm stehen. "Wieso hast du es mir nicht gesagt? Wieso hast du mir nicht gesagt, dass du sie geliebt hast und dass du sie siehst, jedes verdammte Mal, wenn du mich anschaust?" Seine Augen glitzerten feucht vor Wut und Trauer, seine Stimme bebte. "Gib es zu!", forderte er. "Dummer Junge!", fuhr ich ihn an.

"Ich sehe nicht sie, ich sehe dich! Immer nur dich!"

Der Drang, mich wieder zu bewegen, wurde übermächtig und ich schritt an dem fassungslosen Zauberer vorbei, bog in den Gang links von mir ein und lief weiter.
Ich spürte ein Kribbeln in meinem Nacken und dann hörte ich Schritte, die an den Mauern widerhallten. Ich wurde verfolgt. Gefangen in meinem Traum und dessen Regeln, konnte ich nicht fliehen.

Ich wurde dazu gezwungen, mich einholen zu lassen. Die Schritte wurden lauter und als sie dicht hinter mir zu hören waren, riss mich jemand an meiner Schulter nach hinten, stoppte meinen Marsch und drückte mich an die kalte Steinmauer. Noch bevor ich mich wehren konnte, spürte ich einen Arm auf meiner Brust, der mich an die Wand presste und ich bemerkte, wie sich eine Hand sanft in meinen Nacken legte. Ich blickte in die smaragdgrünen Augen von Harry. Dieser musterte mich streng mit zusammengepresstem Kiefer. Ich sah die Sehnen an seiner Schläfe, die sich angespannt hatten.

Kurz darauf lösten sich diese, sein Gesichtsausdruck entspannte sich und wurde weicher. "Sev...", hauchte Harry atemlos und mein Herz begann zu rasen, als er die kurze Distanz zu mir überbrückte... Keuchend schreckte ich aus meinem Traum hoch.

Bei Merlin, Severus! Hat sich mit dem Dunklen Lord auch dein Verstand verabschiedet? Wie kannst du nur?, schalt ich mich. Allein schon die Vorstellung war absurd. Ich konnte nicht. Ich verdiente ihn nicht! Ich hatte kein Recht dazu, es mir auch nur vorzustellen.
Es sind noch keine 20 Jahre her, da hätte ich sein Leben, ohne mit der Wimper zu zucken, gegen Lilys eingetauscht.
Ich bin ein Monster, dass von Sehnsucht zerfressen, das Kind der Frau, die er über alles geliebt hatte, geopfert hätte, nur um sie am Leben und vielleicht bei sich zu wissen.

Nichts, keine Tat der Welt, würde diesen verachtenswerten Wunsch je sühnen.
Mein Hass gegenüber dem Kind, das anstelle von Lily überlebt hatte, ist über die Jahre einer fast unbändigen Wut gewichen. Tag für Tag wurde ich daran erinnert, dass Harry nicht, wie ich gerne behauptet hatte, wie sein Nichtsnutz von Vater war, sondern wie sie, die Reinkarnation von ihrer Liebe und ihrer Güte. Albus hatte Recht. Ich hatte begonnen, mich um den Jungen zu sorgen.
Ich hatte ihn kennengelernt, wenn auch nur widerwillig, in den vom Direktor angeordneten Legilimentik-Lektionen.

Trotzdem! Ich habe mich für ein Leben in Einsamkeit entschieden, mich danach ausgerichtet und mich daran gewöhnt. Verdorben, das ist es, was ich war und noch heute bin. Ich verbot mir einen weiteren Gedanken an den Jungen und gab mich wieder dem warmen, seidigen Gefühl hin, das mich in den Schlaf gleiten ließ. 

your soul, my freedom ¦ Snarry ¦ deutschWo Geschichten leben. Entdecke jetzt