Die Veranstaltung war erdrückend und lastete schwer auf uns allen. Es war erst kurz nach Kriegsende, es war zu früh und keiner von uns war schon bereit, sich dieser neuen Welt zustellen. Wir alle schwebten in diesem Zwischending, einem Raum, nein, einer ganzen Welt aus Trauer, Lethargie und Müdigkeit. Viele der mir bekannten und auch geliebten Gesichter wirkten abgekämpft, müde und schlaff oder aber sie fehlten ganz.
Anders als ich es zuerst angenommen hatte, ging es bei dieser Feier nicht darum, auf das Ende des Krieges anzustoßen. Es ging darum, die Toten zu ehren und den Überlebenden zu danken. Es ging darum, uns einander wieder anzunähern, ohne dass unsere Gespräche von Rache, Wut und Vergeltung gelenkt wurden. Es ging darum, alte Bande neu zu knüpfen. Es ging um Richtigstellung und darum, Fehler zu verzeihen.
Eigentlich ein schöner Gedanke, das musste ich King lassen, denn unser aller Leben sollte weiter gehen. Wir sollten uns nicht von unserer Vergangenheit aufhalten lassen, wie es doch so schön in jedem zweiten dieser chinesischen Glückskekse stand.
Ich war gut darin, in Krisensituationen einen kühlen Kopf zu bewahren. Gut darin, Dinge rational zu betrachten, schließlich bin ich mit dieser Gefahr aufgewachsen. Ich kannte nur das und gerade deswegen wollte ich auch immer noch Auror werden. Wo sonst war ich so gut? Ich war schließlich das, was das Leben aus mir geformt hatte.
Doch viele der Leute, die heute hier sind, sind anders aufgewachsen, kannten ein anderes Leben voller Frieden, Liebe und Ruhe und das lastete wohl am schwersten.
Wir alle erhielten Auszeichnungen in den Verdiensten um unsere Taten. Die Verleihung war nicht pompös oder formell. King las die Namen unserer gefallenen Freunde, Verwandten und Mitstreiter vor und wir dankten ihnen allen mit der stummen Geste des Respekts und vielen erhobenen Zauberstäben.
Danach hielt King für jeden von uns eine kleine Rede. Ein, zwei Worte oder Anekdoten darüber, was wir geleistet hatten und brachte die Abzeichen und Auszeichnungen zu uns. Es gab keine Bühne, kein falsches Gehabe, kein Aufstehen und auch keinen Applaus. Wir standen da in losen Grüppchen, aber irgendwie alle nah beieinander und bekundeten jedem von uns mit einem Nicken oder einem Lächeln unseren Respekt und unseren Dank.
Schließlich kam King auf Severus zu sprechen: "...und nun zu einem Mann, bei dem ich immer noch nicht weiß, ob ich mich nun bei ihm bedanken soll oder ob ich immer noch wütend auf ihn bin..." Ich sah, wie Severus seinen Blick, ohne den Kopf zu drehen, gelangweilt in Kingsleys Richtung schweifen ließ und eine Augenbraue hob. "...aber da steht er, unser Meister der Geheimniskrämerei und hat unser aller Leben mehr als nur einmal gerettet, ohne dass wir es wussten und ohne dass wir ihm je unseren Dank oder Respekt für seine Leistung um den Kampf gegen Voldemort entgegen bringen konnten. Du, mein alter Freund und ich hoffe, dich noch einen Freund nennen zu dürfen, bist in den dunkelsten Stunden auf Pfaden gewandert, auf denen wir uns auch bei Tageslicht nicht getraut hätten zu gehen. Danke! Im Namen aller, danke!" Ich beobachtete die zwei Männer. King ging während seiner Rede langsam auf Snape zu und hielt dann vor ihm an. "Severus Tobias Snape, hiermit verleihe ich dir den Orden des Merlin 1. Klasse, für den Mut und die Verschlagenheit, die du bewiesen hast. Für die Zeit und die Geduld, die du gegeben hast. Für all die Jahre, in denen du alleine mit dem alten Zausel zubringen musstest und... und ich weiß, dass das kein Orden je aufwiegen könnte. Für das Leben, dass du hättest haben können und uns allen geopfert hast..." Als Kings Stimme im Saal verklang und sich langsam schleichend eine Stille auszubreiten drohte, hörte ich auf einmal ein zaghaftes Klatschen. Es war direkt neben mir. Ich wandte meinen Kopf. Hermine klatschte und noch bevor ich es richtig realisieren konnte, stieg Lee mir gegenüber ein und dann George, der in meine Richtung grinste. Immer mehr Hände gesellten sich, mit ihren schlagenden Lauten, zu denen Hermines hinzu. Ein Tosen entbrannte und als Kingsley Severus den Orden an den Gehrock Kragen steckte, erhoben sich die ersten Jubelrufe und Pfiffe. Der Applaus schwoll noch einmal an, als der Meister der Geheimniskrämerei, alias Giftmischer und Meister der Zaubertränke, sich zu einem Grinsen erdreistete, seinen Kopf neigte und sich so bei allen Anwesenden für den Tumult bedankte. Kurz darauf löste sich die Menge, um sich noch einmal den Paparazzis und dem anschließenden Buffet zu stellen, auf.
Ich stand mit Hermine und Ron zusammen in dem angrenzenden Saal. Ich angelte mir gerade ein Glas, gefüllt mit einer bernsteinfarbenen Flüssigkeit, von einem der Tabletts, die vorbei schwebten, als mich Mine in die Seite stupste und ein "Snape ist hier..." in meine Richtung zischte. Ich drehte mich zu der immer noch offenen Flügeltüre und erstarrte.
Bei Merlin, dieser Mann! Er stand dort im Eingang, hinter ihm war immer noch das Blitzlichtgewitter der Fotografen zu sehen. Es hüllte ihn ein wie hundert kleine, weiß leuchtend, aufblitzende Sterne. Es sah aus, als würde die Magie um ihn herum erstrahlen und dann an ihrer eigenen immensen Macht zerbersten. Das weiße Leuchten hüllte ihn ein und bildete einen Schleier um seine düstere, erhabene Gestalt.
Ich will diesen Mann! Aber würde er mich auch wollen? Die Zeit um uns schien still zu stehen. Er kam langsam auf mich zu wie eine Raubkatze auf der Jagd. Vielleicht nicht so anmutig, aber genauso präzise und ganz sicher auch so todbringend. Er war schwarz in schwarz, in... schwarz gekleidet mit der Ausnahme des weißen Hemdes, dessen Kragen sich unter der Weste, die er trug, in starkem Kontrast hervor trat. Die Knöpfe des Gehrocks standen ganz untypisch offen, so wie auch der Kragen seines Hemdes. Wie gerne würde ich mich dort festkrallen, ihn zu mir herunter ziehen, ihm über seine Lippen lecken und ihn küssen. Ich stand da, gebannt wie ein eingeschüchtertes Reh, das sich im Licht der Scheinwerfer eines sich nähernden Autos nicht mehr zu bewegen vermochte. Ich ertrank in den dunklen Tiefen seiner Augen, ertrank in einem See aus purer Sehnsucht und dem verzweifelten Wunsch, ihm nahe zu sein. Ich spürte, dass mich nun nicht mehr nur Hermine und Ron genau beobachteten.
Eine kleine rundliche Gestalt mit roten Haaren löste sich links von mir aus der Menge.
Molly trat auf den Professor zu und ich schluckte. Was sollte ich tun? Jemand stupste mich schon wieder und ich drehte mich um, um den Störenfried zu entdecken. Es war Hermine. Natürlich, wer sonst! Sie schaute mir lange in die Augen und lächelte dann diebisch: "Ja, er sieht ganz heiß aus! Aber Harry, reiß dich zusammen! Eure Blickduelle sind nicht zum Aushalten." "Heiß?", quietschte neben ihr Ron, der, wie es schien, wenigstens kurzzeitig zu seinem alten Selbst gefunden hatte. Seine Ohren liefen tief rot an und er haspelte weiter: "Harry, was meint Mine? Wer ist heiß? Er?" "Ron, nicht so laut!", ermahnte ihn Hermine zischend. "Aber er... du? Also ihr...ach egal." Ron wurde beim Sprechen immer leiser und wandte sich schließlich resigniert von uns ab.
Der Abend zog sich dahin und die bernsteinfarbene Flüssigkeit, die sich als Honigwein herausgestellt hatte, wurde zu einem meiner treuesten Verbündeten, wenn es darum ging, Hände zu schütteln und Nichtigkeiten mit meinen ehemaligen Mitstreitern auszutauschen.
Ich stand an einem kleinen Tischchen und suhlte mich geraden in meinem Stolz, Mrs. Figg mit ihren Katzenfotos, die sie doch tatsächlich auch in ihrer Geldbörse mitführte, abgewimmelt zu haben, als ein fremder Schatten neben meinen fiel und sich ein wohliger Schauer in meinem Nacken ausbreitete. Ich hatte mich, naja, nicht an seine Präsenz gewöhnt, doch wenn ich mich nur stark genug ablenken konnte und ihn nicht heimlich ansah oder beobachtete, konnte ich mich dem vereinnahmenden Gefühl, das von ihm ausging, entziehen.
Ich erstarrte, als ich hinter mir seine tiefe sonore Stimme meinen Namen sagen hörte. "Potter...?" Am liebsten hätte ich mich umgedreht, doch er stoppte meine Drehung und zischte. "Nicht, keinen Augenkontakt." Ich wusste, wieso er das sagte, dennoch schmerzten die Worte in meiner Brust.
"Professor, was...?" keuchte ich, doch weiter kam ich nicht. Er streifte meinen Arm und stützte sich auf den Tisch, an dem wir nun Seite an Seite und für meinen Geschmack viel zu nahe da standen.
Naja, zu nahe für die Öffentlichkeit. Ich schauderte und Severus schien es gespürt zu haben. "Reiß dich zusammen, Kleiner..." Kleiner? Sag mal, geht's noch? Ich wollte gerade entrüstet widersprechen, doch dann sah ich, dass seine Mundwinkel zuckten und ich beruhigte mich. Ein Kosename? Tatsächlich? "Wir..." Er räusperte sich. "...sollten reden." Und dann schaute er mich lang an, sodass aus seiner Feststellung eine Frage wurde.
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your soul, my freedom ¦ Snarry ¦ deutsch
ParanormalHarry Potter und Severus Snape ihrerseits Zauberer und beide überlebende der Schlacht um Hogwarts, decken nach und nach das Geheimnis, welches sie beide verbindet auf...? Meine Geschichte knüpft nahtlos an die Geschehnisse im Bootshaus bei der Schl...