Bevor ich wusste, wer du warst... - Severus

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"Du... du hast mir nicht nur die Erinnerungen gegeben, die ich brauchte, um Voldemort zu besiegen. Du hast mir auch die anderen... die von Mom und von mir gegeben."

...und ließ den Zauber zusammen mit den Tränen und all meinen Erinnerungen an Lily gehen...

Alle meine Erinnerungen, die auch nur irgendwie mit Lilly verknüpft waren? Also auch all die, die ihn, Harry, betrafen. Er hatte es gewusst? Alles? Hatte er mich deswegen gerettet? Mir nur darum die Wunden geschlossen? Weil er dachte, er sei es mir schuldig? Hat er mich deswegen bei Kingsley und vor dem Ministerium antanzen lassen? Schuld gegen Schuld? War dies das Band, welches mich seinen Geist spüren ließ? Ein Leben für ein Leben? Eine Schuld? Bei Salazar, verdammt! Wie konnte ich nur so... unsagbar dumm, blöd, nein, blind gewesen sein? Wie konnte ich nur jemals glauben, dass dieser so reine und gute Junge sich mit jemandem wie mir abgeben wollen würde. Tränen, die stummen Zeugen meiner Enttäuschung und der Wut über mich selbst, rannen unaufhaltsam über meine Wangen und ich vergrub mein Gesicht in den Händen. Ich wollte ihn nicht mehr sehen. Ich wollte ihn und die ganze Welt aussperren, ich wollte nicht mehr fühlen. Wie konnte ich nur so dumm sein, ich, der Meister der Zaubertränke und...ach egal.

"Ich wollte es dir eigentlich schon vor deinem Verhör erzählen, aber du warst schon im Verhörraum. Ich hab dir doch die Phiole gezeigt. Ich dachte, du wusstest es. Ich dachte, du hättest es verstanden..." Harry, immer noch vor mir kniend, rang sich die Hände. "Es tut mir leid, Sev! Ich wusste nicht... ich hätte nicht gedacht, dass es dich so stören würde, schließlich..."

"Wann?", fragte ich ihn barsch und legte so viel Härte in meine Stimme, wie es mir möglich war. Ich wollte seine Ausflüchte nicht hören. "Was?", fragte er mich verwirrt. "Wann hast du meine Wunden geschlossen? Wann genau? Den Zeitpunkt!" Immer noch nicht sicher, auf was ich hinaus wollte, fragte er: "Was hat das denn mit den Erinnerungen zu tun?" Bei Merlin, Potter! Jetzt war ich nicht mehr nur verletzt, sondern auch wütend. Ich blickte zu ihm auf und seine Augen weiteten sich vor Schrecken. "Sev, was...?" "Wann genau hast du mich gerettet?", fragte ich noch einmal kalt, doch mein Blick strafte diese Kälte als Lüge und da erst dämmerte ihm, auf was ich hinaus wollte. Er schien zu verstehen, was das alles zu bedeuten hatte und der Ausdruck in seinen Augen wurde weicher.

Wieso? Wieso, bei Merlin, schaut er mich mit diesem Blick, so voller Wärme und Zuversicht an? Wieso lullte mich gerade jetzt wieder dieses seidige Gefühl ein? Verstand er es denn nicht? "Bevor ich es wusste, Severus. Ich hab dich geheilt, noch bevor ich wusste, wer du warst und wer du heute bist."

Die Welt um mich herum versank im Nebel, als mir die Bedeutung seiner Worte bewusst wurde und dann zerbarst etwas in meinem Innern, bekam Risse, begann zu bröckeln und ich konnte spüren, wie der beinahe leblose Klumpen, der angefüllt mit Blut in meiner Brust ruhte, an seinem steten und langsamen Rhythmus, an Geschwindigkeit zu nahm.

Harry nahm mein Gesicht in seine Hände und legte seine Stirn an meine. Er kniff die Augen zusammen und seufzte hörbar aus. "Dumme, alte Fledermaus.", murmelte er so leise, dass ich es kaum verstand. Es schwang jedoch so viel Ehrfurcht in dem Klang seiner Worte mit, dass ich ihm das 'dumm' und vor allem das 'alt' nicht übel nehmen konnte. Wie denn auch? Er hatte mich, das Monster, gerettet. Das Monster, dass seine Familie zerstört hatte.

Er hatte mich gerettet. Gerettet, bevor er wusste, wie es um meine Gefühle ihm gegenüber stand. Er hatte mich nicht aus Schuld, sondern aus, aus... "Wieso?", fragte ich leise, immer noch Stirn an Stirn an ihn gelehnt. Seine Hände hielten immer noch mein Gesicht. "Weil...", er atmete tief ein und dann wieder aus und strich mit seinen Daumen über meine Schläfen. "Weil ich nicht ohne dich leben wollte." Er zog mich zu sich und küsste mich. Mich, das Schlechte, das Böse, den Teufel unter meiner Haut. Ich schloss meine Augen und genoss die Wärme und dieses wunderbare, seidige Gefühl, das von ihm ausging und mich jetzt, wie schon so oft zuvor, enthüllte, mich gänzlich umschlang und mich beruhigte. Ich wusste, dass nur eine intakte und reine Seele wie seine, eine wie meine an ihrer Seite akzeptieren konnte. Er kannte meine Dämonen besser, als sie jemand anderes je kennen werden würde und tief in mir drin, zwischen den bröckelnden Mauern und den rieselnden Steinen, begann ganz langsam der Riss in meinem Herzen, an dem ich selbst schuld war, zu heilen.

Wir lagen aneinander geschmiegt auf dem Waldboden. Mein Umhang floss unter uns schützend über das feine, junge Grün, auf dem wir ruhten. Die Alraunen und die Kräuter, unsere Suche nach ihnen, all das war vergessen. Ich lag mit dem Rücken auf dem weichen moosbewachsenen Boden. Den einen Arm hatte ich um Harry geschlungen, dessen Kopf auf meiner Brust ruhte und spielte mit seinen Haaren. Die andere Hand, hielt seine und unsere Finger verwoben sich sanft miteinander, trennten sich wieder, neckten und streichelten sich unaufhörlich.

"Ich bin nach den ersten drei Steinstufen umgekehrt, bin wieder zurück zu dir ins Bootshaus gerannt. Du warst schon nicht mehr bei Bewusstsein, aber ich habe dir die Wunden geschlossen, mit der lächerlich naiven Hoffnung, es würde dich genug lange am Leben halten, bis echte Hilfe kam. Tja, aber du hast dir selbst geholfen." Er schnaubte und schaute zu mir auf. "Mhm", brummte ich zufrieden und zog ihn noch ein wenig enger an mich heran. Seine Hand, die meine nicht mehr hielt, hatte er, wie schon so oft zuvor, in mein Hemd verkrallt. Er hielt seine Augen geschlossen und atmete ruhig ein und aus. Ich beobachtete ihn, folgte den Konturen seines Gesichtes, seiner Narbe, seiner Nase und blieb schließlich an seinen Augen hängen. Ich wusste um die Macht, welche unter diesen Liedern schlummerte. Wusste, dass wenn er mich jetzt mit diesen dunkel schimmernd grünen Augen mustern würde, ich ihn hier, auf dem Waldboden, zwischen den Stämmen und Ästen der uralter Bäume des verbotenen Waldes nehmen würde, bis er ganz und gar mein eigen war. Doch er rührte sich nicht, schien es zu genießen, einfach nur da zu liegen und mich an seiner Seite zu spüren. Ich bemerkte, dass er immer mal wieder tief Luft holte und sog meinerseits seinen berauschenden Duft in mich ein. Versunken in seinen Anblick, zählte ich die kurzen, pechschwarzen Wimpern, die seine Augen umrahmten und langsam, nur ganz schleichend, bemächtigte sich der Schlaf meiner Glieder und ich sank Stück für Stück, mit Harry in meinen Armen, irgendwo, inmitten der Bäume und der Sträucher im verbotenen Wald, in den Schlaf.  

your soul, my freedom ¦ Snarry ¦ deutschWo Geschichten leben. Entdecke jetzt