Drei Tropfen direkt auf die Zunge - Severus

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"Wenn du ihm an die Gurgel springen willst, Severus, muss das bis nach dem Verhör warten." Blinzelnd drehte ich mich zu Shacklebolt und fühlte mich, als würde ich von dem Grund eines Sees auftauchen, die Wasseroberfläche durchbrechen und die kühle, klärende Luft würde mir entgegen schlagen. Meine Gedanken klärten sich. "Na gut.", murmelte ich mürrisch, nur um den Schein zu wahren, denn in meinem Inneren tobte ein Krieg, ein Sturm der Gefühle, den ich vergeblich versuchte nieder zu kämpfen. "Wird er beim Verhör anwesend sein?", fragte ich Kingsley mit einem Kopfnicken in Harrys Richtung, vermied es aber, seinem Blick noch einmal zu begeben. Der Minister nickte.

Das Verhör begann und da ich nicht nur ein sehr begabter Zaubertrankbrauer war, sondern auch ein mehr als nur fähiger Okklumentiker, gestaltete es sich schwierig meine Aussage aufzunehmen.

Kingsly klärte mich unnötigerweise darüber auf, dass meine Aussage unter Veritaserum kein Gewicht vor dem Zaubergamot hätte, wären da nicht die Erinnerungen, die ich Harry anvertraut hatte.

Mein Blick schweifte zu dem Jungen. Dieser sah mich aber nicht an, sondern er hielt seinen Blick auf die Türe gerichtet und ich bemerkte, wie sich eine leichte Röte über seine Wangen gezogen hatte. Wieder kochte die Wut in mir auf und ich wäre gerne aufgesprungen, doch der Zauber in diesem Raum fesselte mich auf meinen Stuhl. Ich begnügte mich damit, dass er sich, nach der Röte in seinem Gesicht zu urteilen, wenigstens ein bisschen dafür schämte und mir entging nicht, dass sich seine Hand, die in der Hosentasche steckte, kurz verkrampfte. Schlechtes Gewissen, was Potter? Kingsley zog eine Phiole aus einem seiner weiten Ärmel und kippte die silbrig, wabernde Flüssigkeit in das Steinbecken in der mitte des Tisches. Geschockt sah ich zu, wie sich Bilder, die mir schmerzlich vertraut waren, im Innern des Beckens formten und dann wieder verschwanden. "Das hier sind die Erinnerungen, die Zweifelsohne deine Unschuld und deine enge Zusammenarbeit mit dem Orden beweisen und die wir von Harry haben. Das heutige Verhör führen wir, um herauszufinden, ob diese Erinnerungen auch nicht manipuliert wurden" Ich schnaubte und mein Blick glitt wieder zu Potter, dieses Mal aber nicht, weil ich, völlig zu recht, wütend auf den Bengel war. Nein. Er bewegte seine Hand, diejenige, die er in der Hosentasche stecken hatte. Er zog sie ein Stück weit aus der Tasche heraus und zeigte mir so den Hals einer Phiole, in der, wie zuvor auch die in Shacklebolt's Hand, Erinnerungen trieben. Was hatte das zu bedeuten? Ich ließ mir nichts anmerken und folgte den Erklärungen des Ministers über das weitere Verfahren und die Regeln, an die ich mich zu halten hatte, damit das Verhör reibungslos verlief. Harry lehnte an der Wand hinter Shacklebolt und verfolgte das Gespräch, ohne dass er uns auch nur ein einziges Mal unterbrach. Immerhin, das hatte er mittlerweile gelernt, still sein und aufpassen.

"Möchtest du das Serum verdünnt in Wasser oder willst du es direkt einnehmen?", fragte mich Shacklebolt und musterte mich durch zusammengekniffene Augen. Er gab Potter mit einem Wink seiner Hand ein Zeichen und meinte zu ihm: "Drei Tropfen direkt auf die Zunge." "Sehr wohl!" Harry trat von der verspiegelten Wand weg und auf mich zu. Jetzt erst fiel mir auf, dass er die Uniform eines Auroren in Ausbildung trug. War ich zuvor gefangen von dem Anblick seiner Augen, so hielt mich nun die perfekt sitzende Uniform und die damit einhergehende Ausstrahlung von Harry in seinem Bann.

Er trug die Uniform, nachtschwarz, wie alle Auroren während der Ausbildung. Seine Füße steckten in ledernen Stiefeln, die hoch geschnürt waren. Die schwarze Stoffhose saß passend und eng. Über ihr hatte er sein Halfter für den Zauberstab mit feinen Lederriemen an sein rechtes Bein gebunden.

Die Uniformjacke schloss sich über seiner Brust mit fünf dunkel glänzenden Schnallen. Ihr Kragen war hochgeschlossen. Seinen Umhang trug er nicht und so konnte man seinen vom Quidditch gestählten Körper darunter erahnen. Er trat auf mich zu. Severus, reiß dich zusammen. Als er nun in das Licht der Lampe trat, sah ich sein Gesicht. Er wirkte ernst und konzentriert. Sein Gesicht, mir ist es bei unseren letzten zwei Begegnungen nicht aufgefallen, es wirkte reifer. Seine hohen Wangenknochen traten deutlicher hervor, als noch vor einem Jahr. Er hatte sich nicht rasiert, schwarze Stoppeln breiteten sich über seinem Kinn und seinen Wangen aus. Die Haare hatte er gestutzt, an den Seiten waren sie kürzer und doch standen sie ihm in wilden Büscheln ab. Ist er gewachsen? Als er nun vor mir stand musste ich mir eingestehen, dass sein Auftreten dem von einem sich nahenden Sturm glich, von Weitem nicht bedrohlich und doch weiß man um seine Stärke und seine Kraft. Er strahlte nicht nur Selbstbewusstsein, sondern etwas dunkleres bedrochlichers aus. Er hatte nichts mehr mit dem kleinen Jungen gemein, der einst so unwissend und naiv in meinem Unterricht saß.

Er hatte etwas zu mir gesagt, doch die Worte drangen nicht zu mir durch. "Zunge raus!", wiederholte er und ich fügte mich meinem Schicksal. Ich kam mir entblößt und unbeholfen vor, dort in diesem Raum, mit unsichtbaren Fesseln an einen Stuhl gekettet, in Anwesenheit des Ministers und den zwei Fremden. Doch ich streckte Potter schließlich meine Zunge entgegen. Er blickte mir in die Augen, als er die Pipette über meine Zunge hielt. Ich sah, wie in seinen Augen etwas aufblitze. Neugier? Er träufelte mir die drei Tropfen Veritaserum auf die Zunge, hielt meinen Blick danach aber noch gefangen. Dann grinste er und fuhr sich mit seiner Zunge kurz über seine Unterlippe. Mir wurde warm und ich atmete tief ein. Potter trat um den Tisch und lehnte sich danach wieder an die verspiegelte Wand hinter dem Minister. Verdammt, du Narr! Was soll das? Du hast diesen Jungen nicht verdient, Severus, selbst wenn er wollte. Was zur Hölle spielte Potter nur für ein Spiel! Wenn er wüsste, was ich getan hatte, würde er mich nur noch mehr hassen und verachten. Mein Hochgefühl verschwand bei dem Gedanken an meine Gräueltaten und ich wandte mich schließlich resigniert dem Minister und meinem Verhör zu. 

your soul, my freedom ¦ Snarry ¦ deutschWo Geschichten leben. Entdecke jetzt