Du hast genug getan! - Harry

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Nach dem Frühstück zog ich mich, so wie auch Hermine sich in ihr, in mein Zimmer zurück.

Sie wohnte hier bei mir im ehemaligen Haus der Blacks. Wir hatten uns nicht nur aneinander gewöhnt, sie war auch das, was einer Familie für mich am nächsten kam und ich glaubte diese Gefühle beruhten auf Gegenseitigkeit. Ich wollte nicht alleine sein. Und sie? Ich vermutete, dass sie nicht zu den Weasleys in den Fuchsbau zurück wollte. Molly hatte es ihr, wie auch mir, angeboten.

Ich stand neben Hermine und beobachtete sie. Doch als ihr Blick, nachdem Molly sie eingeladen hatte, zu Ron wanderte, lag seiner nicht auf ihr. Sie ließ seine Hand los, ohne dass er auch nur ein Wort des Protestes erhob. Er hatte es nicht einmal bemerkt. Ihre Augen verdunkelten sich und müde hatte sie, wie zuvor ich, das Angebot von Molly abgelehnt. "Ich wohne bei Harry.", sagte sie mit fester Stimme zu Molly und als diese sich mit ein seufzenden "Ach Kind..." abwandte, schaute mich Hermine fragend an.

Ich nickte ihr zu und verzog meinen Mund zu einem halben Lächeln, welches aber, wie ich bemerkte, meine Augen nicht zu erreichen vermochte, obwohl ich froh war, dass Hermine bei mir sein wollte und mich nicht allein ließ.

Trotz allem oder vielleicht gerade wegen dem, was ich noch vor und auch während dem Krieg erfahren, oder schließlich mitten in der Schlacht erkannt hatte, schweiften meine Gedanken immer wieder zu einem Mann. Einem Mann, der viele Treppenstufen unter uns und wahrscheinlich tot im Bootshaus lag. Ich war unruhig und wollte gehen, um zu sehen, was aus Severus geworden war und doch wollte ich nicht unhöflich oder gar respektlos erscheinen und die Trauernden einfach sich selbst überlassen. "Soll ich mitkommen?", fragte Mine mich leise und griff nach meiner Hand. "Ich kann doch nicht...", sagte ich stockend und drehte mich in Richtung der Familien. "Du hast genug getan...", meinte sie schlicht und zog mich an meiner Hand zum Eingangstor.

An den Weg hinunter ins Bootshaus kann ich mich nicht erinnern. Wie betäubt stolperte ich die Treppen hinunter und stieß schließlich die Türe auf, die ich vor knapp drei Stunden schon einmal geöffnet hatte, zuvor jedoch leise und nicht im mindesten so energisch, wie gerade eben.

Er war nicht hier und das Bild dieses leeren und halb zerstörten Bootshauses ließ meine letzte Hoffnung fahren. Ich sank zu Boden und übergab mich der Stille, die sich in meinem Kopf ausbreitete. Ich konnte nicht erfassen, was das zu bedeuten hatte. Er war weg.

Eine warme Hand berührte meinen Hals und glitt zu meiner Schulter. Hermine hatte mich eingeholt und kauerte nun neben mir. Sie nahm mich in den Arm und wiegte mich ganz sanft. Erst da bemerkte ich, dass ich zitterte. "Hey Harry, vielleicht konnte er fliehen, irgendwie? Du hast ihm doch die Wunden geschlossen... vielleicht..." "und das Gift?", unterbrach ich sie. "Nun..." Darauf wusste sie zuerst keine Antwort, meinte dann aber: "Harry es ist Snape, der Zaubertränke Meister und Hof-Panscher von Dumbledore! Ich kann mir gut vorstellen, dass er ein Gegengift kennt und auch besitzt..."

Eine schwummrige Leichtigkeit erfasste mein Herz und hinterließ in meinem Kopf ein berauschendes Schwindelgefühl, was nur noch durch die Begegnung mit ihm und seiner Umarmung zu übertreffen war. Ich hatte, dank Hermine, Hoffnung geschöpft und mich, nachdem ich sie im Grimmauldplatz untergebracht hatte, vor seinem Haus auf die Lauer gelegt.

Als ich ihn dann sah, müde und zerfurcht, aber am Leben, konnte ich es kaum fassen. Meine Hände begannen zu kribbeln und mein Puls beschleunigte sich. In meinem ganzen Körper breitete sich eine Wärme aus, die langsam aufloderte und dann, als ich seine Nähe spürte und wie sich seine Arme um mich schlossen, hatte ich das Gefühl, innerlich zu verbrennen.

Verbrennen war schön und leicht und warm und wenn es das letzte Gefühl war, welches ich jemals spüren sollte, würde ich mich dem hingeben. Viel zu schnell war der Moment vorbei und er löste die Umarmung. Als er mich dann aufgefordert hatte zu gehen, schlich sich die Kälte, die ich auch im Bootshaus gespürt hatte, wieder in mein Herz und vermischte sich dort mit der Wut, die ich nach seinen harschen Worten und der Abweisung empfand.

Ich saß auf meinem Bett, besser gesagt auf Sirius'. Ich nannte nun sein Zimmer mein eigen, denn es war das, in welchem ich mich am wohlsten fühlte. Ich starrte auf die Phiole in meiner Hand und verfolgte gebannt das Schauspiel der schwebenden, silber nebligen Erinnerungen, die sich darin bewegten. Sie wabten wie träge, trüb leuchtende Schleier in dem kleinen Gefäß umher und ich erinnerte mich daran, was sie mir alles über Severus preisgegeben hatten.

Ich versuchte mir das Gefühl in Erinnerung zu rufen, welches ich hatte, als ich aus dem Denkarium auftauchte. Alle seine Erinnerungen an mich waren von starken Emotionen umwoben. Waren sie in den ersten Schuljahren noch voller Zorn und Verachtung, wichen diese Gefühle jedoch, je besser er mich kannte und je mehr er über mich erfuhr. Den eigentlichen Umschwung brachten aber die Okklumentik-Lektionen. Sein Bild, welches er immer noch von mir hatte und noch immer nicht gänzlich zu meinen Gunsten ausfiel, wandelte sich. Ich spürte Zuneigung und Verständnis und ich spürte seine Wut und die Sorgen, die er hatte, als Dumbledore ihn in den letzten Schachzug seines Plans einweihte. Ich wusste, dass er sich viele Gedanken über mich gemacht hatte und schlussendlich hatte er auch von mir geträumt. Erst einmal nur belangloses. Ich, im Unterricht oder in der großen Halle sitzend und dann immer öfter und mit kürzeren Abständen. Die Träume wurden langsam intensiver und er kam mir näher. Sie waren verworren, von Schuld und von Versprechungen gekennzeichnet, die er mir nie offenbart hatte. Es waren viele Träume, von vielen leeren Gängen und einsamen Tagen, bis zu jenem Traum, in dem er mich im siebten Stock knapp vor dem Raum der Wünsche an einem der Fenster stehen sah. Ich konnte mich an diesen Tag erinnern. Er war wirklich. Ich kam von einem der Treffen mit Dumbledore und sinnierte über das, was ich gerade erfahren hatte. Anders als in Wirklichkeit, rauschte er aber nicht in bester Fledermaus Manier an mir vorbei, sondern trat auf mich zu, blieb hinter mir stehen und blickte wie ich, auf die, in das warme Licht der untergehenden Sonne eingetauchten Ländereien, die sich vor uns ausbreiteten. Wir standen lange dort in seinem Traum und dann schlang er die Arme um mich und ich konnte dort, in seiner Erinnerung, spüren, was er gespürt hatte, als er mich umarmte. Die schon fast grenzenlose Zuneigung, die er mir entgegen brachte, drohte mich zu überrollen. Sie stieg mir zu Kopf und vernebelte meine Sinne mit purer Glückseligkeit. Ich konnte es kaum glauben.

Ein leises Klopfen an der Türe riss mich aus meinen Gedanken und die wohlige Wolke aus Wärme, die mich bei den Erinnerungen umgeben hatte, verflüchtigte sich.

"Ja?" Hermine öffnete die Türe und stand im Türrahmen. Ihre Augen waren gerötet und in ihren Händen hielt sie einen Brief. Ich erkannte das Gekrakel und fasste einen Entschluss. 

your soul, my freedom ¦ Snarry ¦ deutschWo Geschichten leben. Entdecke jetzt