Teil 3

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Stefan war ein furchtbarer Mann. Nicht nur, dass er seine Aggressivität ständig herauslassen musste, nein er war auch noch Alkoholiker. Wenn ich also abends gegen 12 Uhr ins Bett ging, saß er entweder im Wohnzimmer vor dem viel zu lauten Fernseher und trank sein fünftes Bier oder aber er war gar nicht erst zu Hause. Egal was, meistens wurde ich mitten in der Nacht wach, weil er betrunken irgendetwas durch das gesamte Haus grölte. Ein Wunder, dass sich nach all den Jahren noch kein Nachbar bei uns beschwert hatte. Die Wände mussten meterdick sein. Und das ganze mindestens fünf Mal die Woche.

Ich liebte Bier über alles. Vermutlich die einzige Sache, in der ich meinem Stiefvater ähnlich war. Doch wenn ich sah, wie besoffen er durch den Flur torkelte, nicht nur mir sondern auch meiner Mutter und meiner kleinen Schwester das Leben schwer machte, kam mir das Bier auch direkt schon wieder hoch. Ich konnte damit noch umgehen, aber wie um alles in der Welt konnte er das meiner sechs jährigen Schwester antun? Sie war gerade in die erste Klasse gekommen, wo alle über ihre Familie erzählten. Erzählte sie wie komisch er dann nachts war? Erzählte sie wie sie jede Nacht aufwachte und sich mit Tränen in den Augen wieder in den Schlaf weinte?

Manchmal schlich ich mich dann mitten in der Nacht unauffällig in ihr Zimmer - oder anders herum. Wie furchtbare Angst musste sie vor ihm haben, wenn selbst ich mich alles andere als wohl in seiner Gegenwart fühlte? Und ich wurde wohlgemerkt in einem Monat erwachsen.

Ich konnte es kaum erwarten, endlich von hier weg zu kommen. Ich hatte mir geschworen mit 18 alle meine Sachen zu packen und mir etwas eigenes zu suchen. Und ich schwörte mir ich würde meine Schwester mitnehmen, wenn meine Mutter nicht endlich begriff, dass ich das Richtige tat.

Ich konnte einfach nicht länger mit ansehen, wie Stefan uns das Leben zur Hölle machte.

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