Teil 4

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"Hey, wie geht's dir?", fragte sie, sobald ich ihr in die Arme fiel. Meine Freundin hatte heute ein wichtiges Vorstellungsgespräch, weswegen ich sie nicht mit meinem Kram belästigen wollte.

"Gut und dir?", sagte ich deshalb. "Bist du schon aufgeregt?" "Ich kann's nicht aushalten", stöhnte sie und schob ihre Brille wieder hoch.

Mittlerweile waren wir seit fast zwei Jahren zusammen, deshalb hatte auch sie irgendwann einmal meine Familie - oder wie man das eben nannte - kennenlernen müssen. Allerdings hatte ich sie bisher erfolgreich möglichst weit von ihr entfernt gehalten. Ich wollte nicht, dass sie auf meinen Vater stieß, wollte nicht, dass sie erlebte, wie er wirklich war.

"Was ist wenn sie mich nicht nehmen?", fragte Nathalie nachdenklich. "Das ist meine einzige Chance." Ich bewunderte sie dafür was für einen Ehrgeiz sie hatte, hatte sie schon immer dafür bewundert. "Mach dir nicht so viele Gedanken, Schatz. Sei einfach du selbst", sagte ich. "Entweder sie mögen dich oder eben nicht, aber dann kannst du wenigstens behaupten, dass du dein Bestes gegeben hast." Sie schaute mich ein wenig skeptisch an, als könnte sie es nicht fassen.

Natürlich wusste ich, dass ihr diese Ausbildungsstelle extrem wichtig war. In ein paar Wochen hatten wir hoffentlich unser Abitur in der Tasche. Der Job als Fotografin war schon immer ihr Traum, doch das einzige Studio, das noch Azubis aufnahm, hatte sie zu einem Gespräch eingeladen, also quasi ihre einzige Chance.

Dennoch konnte ich mir nicht wirklich vorstellen, wie versessen man in einen einzigen Job sein könnte. Als wäre das ganze Leben doof, wenn man diesen einen Job nicht bekam. Ich hatte mir noch nie wirklich viel aus meiner Zukunft gemacht, hatte sie immer so hingenommen, wie es gerade kam.

"Du schaffst das schon, Nathalie", lachte ich. "Wen sollten sie lieber haben, als dich? Du bist jetzt schon herausragend in deiner Arbeit!" Jetzt fingen ihre Augen an zu leuchten. Sie umarmte mich, nachdem ich ihr viel Glück wünschte und versprach, sie nach dem Gespräch wieder abzuholen.

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