Teil 23

304 14 3
                                    

"Lieber Wincent,

es tut mir Leid, okay? Es tut mir so wahnsinnig Leid. Ich weiß nicht, was ich sagen soll, außer es tut mir Leid. Und dabei schwirrt gerade so viel in meinem Kopf herum.

Glaub mir, ich wollte nie, dass es soweit kommt. Niemals wollte ich - nie niemals. Bitte versuch mir zu glauben. Ich weiß, dass es dir schwer fällt, aber ich bin noch immer deine Mutter und das werde ich auch immer sein.

Du kannst dir nicht vorstellen, wie glücklich ich war, als ich dich das erste Mal in meinen Armen halten durfte. Du hast sofort gelacht. Ich habe dein Lachen immer so sehr geliebt. Ich habe alles an dir geliebt und tue es noch.

Ich weiß wir sind nicht im Guten auseinander gegangen und ich wünschte so sehr ich hätte das noch ändern können. Ich wollte nie, dass du sauer auf mich bist, aber ich habe dich enttäuscht und ich weiß das. Es gibt nichts, was ich nicht so sehr bereue, als einmal - nur ein einziges Mal - auf dich gehört zu haben. Du warst noch so jung und doch wusstest du immer, was richtig und was falsch war. Du wusstest immer, wenn es mir nicht gut ging. Und es hat mich noch nie so stolz gemacht, als du gesagt hast, dass du das nicht mehr erträgst und etwas besseres für dich und deine kleine Schwester willst. Ich bewundere dich für den Mut, den ich nie auch nur ansatzweise hatte. Du machst mich stolzer als eine Mutter es je sein könnte.

Ich hätte auf dich hören sollen als du sagtest, dass das so nicht weiter geht. Du wusstest immer, dass das sonst kein gutes Ende hätte. Doch in den Momenten war wohl ich das Kind und wollte nicht auf dich hören. Jetzt bin ich an dem Punkt, an dem ich einfach nicht mehr kann. Ich hoffe so sehr, dass du verstehst was ich meine und irgendwie hoffe ich es auch nicht, weil ich niemandem so ein Gefühl wünsche.

Ich stehe morgens auf und wünsche mir nichts sehnlicher als dass es wieder Abend ist und ich mich voller Angst in den Schlaf weinen kann. Ich weiß nicht, was Stefan mit uns allen gemacht hat, aber gesund ist das keinesfalls und ich bin so froh, dass ihr beide nicht mehr hier seid. Seit ihr fort wart, hat er all seine Aggressivität an mir ausgelassen, bis ich mich krankschreiben lassen musste. Einmal war ich sogar im Krankenhaus so sehr hatte er mich zusammengeschlagen.

Wincent, ich kann das nicht mehr. Ich halte das keinen einzigen Tag mehr aus.

Ich weiß nicht, ob es das wert ist, aber ich sehe einfach keinen anderen Ausweg. Glaub mir Schatz, du hättest mich nicht mehr abhalten können. Ich habe mit dem allen abgeschlossen. Ich sehne mich so sehr nach Freiheit, sehne mich so sehr danach für immer fort zu sein.

Es tut mir so unendlich Leid, falls das egoistisch von mir ist. Es tut mir so unendlich Leid, dass ich euch einfach so im Stich lasse. Ich fühle mich wie dein Vater, obwohl ich mir geschworen habe niemals so zu sein. Meine Kinder waren immer das Wichtigste auf dieser Welt für mich. Es gibt nichts, was ich so sehr will, als dass es euch beiden gut geht. Und ich weiß, dass es euch beiden gut gehen wird. Ihr braucht mich nicht, okay? Du machst das so super toll. Ich bin so unglaublich stolz auf dich. Auf euch beide.

Versprich mir, dass du immer auf deine kleine Schwester aufpassen wirst. Ich liebe euch beide so so sehr, dass es mir das Herz zerreißt, wenn ich nur daran denke euch im Stich zu lassen, doch ich kann einfach nicht anders.

Es sind noch ein paar weitere Briefe dabei. Tu mir einen Gefallen und verteil sie an meine Liebsten. Shay soll ihren noch nicht bekommen. Gib ihn ihr wenn sie alt genug ist, das zu verstehen.

Du musst mir verzeihen! Ich wollte nie etwas anderes als dass es euch beiden gut geht. Ich liebe euch wie verrückt. Vergiss das nie!

In ewiger Liebe, deine Mama."

power over meWo Geschichten leben. Entdecke jetzt