Teil 26

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"Kannst du mir ein Buch vorlesen?", fragte sie zuckersüß, während ich die Haustür aufschloss. Ich hatte sie gerade bei ihrer besten Freundin abgeholt und mittlerweile war es eigentlich schon Schlafenszeit für sie. Sie rannte an mir vorbei in ihr Zimmer und zog sich in Windeseile den Schlafanzug an. Ich hatte wahnsinnig Angst, ihr zu sagen, was ich ihr sagen musste, dennoch fing ich automatisch an zu lächeln, wenn ich sie so glücklich sah.

Shay liebte es wie verrückt, wenn ich ihr abends Geschichten vorlas. Ich fühlte mich manchmal richtig wie ihr Vater, was ich ja mittlerweile auch eigentlich war. Sie putzte sich die Zähne, während ich ihr wie jeden Abend einen Zopf flocht. Ich war schon ein recht talentierter Vater, wie ich fand. Shay hüpfte in ihr Bett unter die Decke und machte neben sich Platz für mich.

"Welches Buch willst du denn lesen?", fragte ich sie, was ich mir eigentlich auch hätte sparen können, denn sie drückte mir schon sofort ihr Lieblingsbuch in die Hände.

"Alsoooo", sagte ich, kuschelte mich an ihre Seite und fing an zu lesen.

Ich war gar nicht so ganz bei der Sache. Und obwohl ich die Geschichte mittlerweile eigentlich schon auswendig kennen musste, konnte ich die ganze Zeit nur daran denken, wie ich ihr erklären sollte, dass jetzt beide ihrer Eltern tot waren.

Nach einer Viertelstunde klappte ich das Buch zu mit dem Versprechen, morgen weiter zu lesen.

Sie beschwerte sich, doch ich sagte nur: "Shay, wir müssen reden." Sie lag auf meiner Brust und schaute mich jetzt mit großen Augen an. Während ich ihr so in die Augen schaute, hatte ich für einige Sekunden auf einmal ein völliges Blackout.

"Es war nur ein Kaugummi", sagte sie leise und weiterhin mit aufgerissenen Augen. "Was?", fragte ich verdutzt. "Na ich habe ihr nur ein einziges Kaugummi geklaut. Sie muss ja nicht direkt so ein Drama machen." Shay schaute nach unten, als hätte sie sich gerade für die schlimmste Sache der Welt entschuldigt.

Ich fing vor Absurdität an zu lachen. Offensichtlich hatte Shay mit einem ganz anderen Gespräch gerechnet. Ich wünschte das wäre meine einzige Sorge, dass meine kleine Schwester ein Kaugummi von einer ihrer Freundinne geklaut hatte.

"Shay...", sagte ich nach einer Weile. "Unsere Mama ist gestorben."

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