Teil 5

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"WINCENT!", hörte ich ihn durch die gesamte Wohnung schreien. Aus irgendeinem mir unerklärlichem Grund war er krank geschrieben und verbrachte deswegen mehr Zeit denn je zuhause. Stöhnend stand ich aus meinem Bett auf, wollte eigentlich schon schlafen, da ich morgen eine meiner letzten Klausuren schrieb. Meine kleine Schwester schlief bei einer Freundin von ihr und meine Mutter lag vermutlich auch schon im Bett.

Ich öffnete die Tür und schrie zurück, was er denn wolle. Als er nicht antwortete schlich ich leise ins Wohnzimmer. Wütend stand er in der Küche, öffnete schon zum dritten Mal innerhalb von fünf Sekunden den Kühlschrank. Keine Frage, er war eindeutig mal wieder betrunken. So krank konnte er also gar nicht sein.

"Was willst du?", fragte ich genervt. "Hast du mein Bier getrunken?", bekam ich eine wütende Antwort. "Du bist nicht einmal 18, du darfst noch keinen Alkohol trinken."

Auf der einen Seite schwang in dieser Bemerkung tatsächlich ein Hauch Fürsorge mit, auf der Anderen wollte er wahrscheinlich einfach nur nicht sein Bier mit mir teilen. Abgesehen davon, dass ich sein Bier nicht einmal anrühren würde.

"Nein Stefan, habe ich nicht." "Und wo ist es dann?" Er zog die Augenbrauen hoch und schaute mich fragend an. "Weiß ich nicht", sagte ich schon wieder halb abwesend und drehte mich um, bereit dazu wieder in mein Zimmer zu gehen. "Vermutlich hast du es schon getrunken", murmelte ich leise, aber nicht so leise, dass er es nicht verstand.

"Was hast du da gesagt?", schrie er empört. "Du hast mich schon verstanden." In manchen Momenten versuchte ich gar nicht erst auf ihn einzugehen. Dann gab es aber auch die Abende, an denen ich mir meine Kommentare einfach nicht sparen konnte. Heute war definitiv einer dieser Abende. Ich hatte ihn einfach so satt.

"Du gehst mir jetzt sofort Neues kaufen!", sagte er. Bei seinem peinlich angestrengt strengem Blick musste ich fast anfachen zu lachen. Mit einem Lächeln auf den Lippen sagte ich schadenfroh: "Tut mir Leid Stefan, ich bin noch nicht 18. Leider darf ich keinen Alkohol kaufen", obwohl ich ganz genau wusste, dass ich schon seit fast zwei Jahren dazu befugt war, Bier zu kaufen.

Seine Kinnlade fiel herunter angesichts der Tatsache, dass ich ihn soeben mit seinen eigenen Waffen geschlagen hatte. Mit einer gehörigen Portion Schadenfreude verschwand ich in mein Zimmer und legte mich wieder in mein Bett.

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