Die nächsten Wochen war ich ziemlich mies drauf. Draußen tobte sich ein Herbststurm nach dem andren aus.
Vor zwei Jahren hatte ich mich verliebt. Er war ebenfalls Fußballer, verdammt süß und ein Arschloch. Es endete nicht gut.
Gar nicht gut.
Ich wusste, wie es sich anfühlte, verliebt zu sein.
Ich hatte gehofft, es würde nie wieder geschehen.
Aber seit dem Kuss konnte ich es nicht mehr leugnen. Zumindest nicht vor mir selbst.
Phil ging mir wie immer aus dem Weg, nicht mal in den Pausen sah ich ihn noch. Aber selbst wenn ich ihn nicht sah, konnte ich doch noch seine Lippen auf meinen spüren. Seine Hände in meinem Haar. Seinen Körper an meinem. Die Erinnerungen verfolgten mich regelrecht.
Es war frustrierend.
Ich wollte das nicht.
Und zugleich baute sich in mir ein Verlangen auf, das ich einfach nicht stillen konnte.
Jep, frustrierend.
So sehr, dass ich mich irgendwie abreagieren musste.
Am Wochenende zwei Wochen nach dem Kuss rief ich Alex an. Er musste arbeiten, aber ich machte mich einfach mit dem Bus auf zu Bollis Bar, nachdem ich das mit meinen Eltern geklärt hatte. Ich hatte nicht vor, die Nacht nach Hause zu kommen.
Er war etwas erstaunt, als er mich sah. Aber letzten Endes landeten wir wieder in seinem Bett.
Ich tobte mich an ihm aus, diesmal lag ich nicht einmal unten.
Meinen Frust wurde ich so nicht los.
Wenn, dann wurde es nur schlimmer.
„Also, was hat dich so aufgebracht?“ fragte mich Alex über seinen Kaffee hinweg am nächsten Morgen. Wir saßen in seiner winzigen Küche an dem aufgeklappten Tischchen, das kaum genug Platz für zwei bot. Ich sah ihn über den Tisch an. Er lächelte.
„Nicht, dass ich mich beschweren möchte, aber letzte Nacht war heftig.“ Sein Grinsen wurde breiter. „Auf 'ne verdammt heiße Art.“
Seine grünen Augen leuchteten, sein Haar hatte er in meinem unordentlichen Zopf gebunden und auf seinem Hals waren die Spuren unseres Abenteuers deutlich zu sehen.
Ich fühlte mich leer und beschämt.
„Du musst mir nichts sagen, wenn du nicht willst.“ Er zuckte mit den Schultern, aber sein Lächeln verschwand, als er sich wieder seinem Kaffee widmete.
Meine Tasse hielt ich in den Händen, hatte aber noch keinen Schluck genommen.
Ich seufzte.
„Phillip Helft.“
Alex‘ Augen sprangen zu mir, aber er sagte nichts.
„Ich krieg‘ ihn nicht aus dem Kopf, aber ich will ihn nicht da drin haben.“
„Warum?“
Ich heftete meinen Blick auf meinen Kaffee.
„Weil letzten Endes immer jemand verletzt wird.“ Flüsterte ich.
Alex hatte es dennoch gehört, und zog die Augenbrauen hoch, bevor er mich kritisch musterte.
„Schlechte Erfahrungen?“
Die Schlimmsten.
„Kann man so sagen.“ Sagte ich stattdessen.
Ich schob weiter meinen Kaffee hin und her.
Für einen Moment war es still.
„Deswegen solltest du nicht dein zukünftiges Glück wegwerfen.“
Ich sah erstaunt zu ihm. Alex betrachtete mich ernst.
Glück?
Meinte er etwa, dass ich mit Phillip glücklich wäre?
Er kannte ihn doch gar nicht…
Plötzlich grinste er.
„Süßer, wenn du wegen ihm so durch den Wind bist, dann muss er dir schon was bedeuten, nicht wahr?“
Ich zog eine Augenbraue wieder runter.
„Das klang jetzt echt schwul.“
Für einen Augenblick war Alex baff, dann lachte er los. Ich stimmte mit ein.
Aber meine Gedanken waren woanders. Dort, wo sie in letzter Zeit immer waren.
Bei Phil.
Hatte Alex Recht?
Und wenn, stand ich mir selbst im Weg?
Mein Lachen erstarb und ich seufzte.
Großverdammte Gänsescheiße!
Warum ausgerechnet Phillip?
„Komm, mach dich mal fertig, ich bring dich nach Hause.“
Ein sanftes Lächeln umspielte Alex Lippen.
„Zerbrich dir nicht zu sehr den Kopf.“
Ich nickte bloß, ehe ich in seinem kleinen Bad verschwand.
Alex brachte mich nach Hause, die Mädels erwarteten mich schon, doch dieses Mal schickte ich sie fort. Sie protestierten, aber ich musste mal allein sein.
Nachdenken.
Ernsthaft Nachdenken.
Ich zerbrach mir doch den Kopf. Und es nützte gar nichts.
Es sorgte nur dafür, dass ich die folgende Woche noch mieser drauf war, weil müde.
Jep, der Junge raubte mir den Schlaf. Ist das nicht typisch Klischee?
Es war Mittwoch Nachmittag, ich versuchte gerade vergeblich meine Mathehausaufgaben zu machen, als Bana in mein Zimmer kam.
Allein.
Ich muss ziemlich doof geguckt haben, denn sie kicherte kurz, bevor sie mit den Augen rollte.
„Ich bin durchaus imstande, ohne Dari oder Tommy zu existieren.“
Ich schloss meinen Mund und schaute sie an. Schwarze Jeans, schwarzer Pulli mit der Aufschrift ‚Die Hölle ist hier‘, stand sie immer noch an der Tür und wirkte unentschlossen.
„Warum bist du hier? Allein?“
Bana seufzte, dann machte sie die Tür zu.
„Wir müssen reden.“
Ihr besorgter Blick sagte alles.
„Du bist für'n Arsch.“
Wieder war ich baff.
Sie kam auf mich zu, bis sie an meinem Schreibtisch stand und ich vom Stuhl aus zu ihr hochblicken musste.
„Du magst Phillip, sehr.“ Ihre dunklen Augen waren in einem intensiven Blick auf mich gerichtet. „Aber im Moment bist du dir selbst im Weg.“
Ah, ja?
„Ich weiß, wie deine letzte Beziehung geendet hat. Du hast in meinen Armen geweint.“
Danke für die Erinnerung.
„Aber du solltest nicht die Vergangenheit über deine Zukunft bestimmen lassen.“
Echt jetzt?
Ich schüttelte die sarkastischen Gedanken beiseite.
„Das ist es nicht.“
Nun, ich hatte mir meine Gedanken gemacht. Viele Gedanken.
Warum Phillip? Warum fühlte ich mich so zu ihm hingezogen?
Er wirkte so echt.
Jedes seiner Gefühle zeichnete sich in seinem Gesicht nach.
Und die Reaktion, die ich in ihm hervorgerufen habe…
Ich wollte mehr davon.
Und ich wollte ihn beschützen.
„Ich hab Angst.“ Ich flüsterte.
Das führte dazu, dass Bana ihre Arme um mich legte, während ich meine Stirn an ihren Bauch drückte. Ich konnte sie riechen, diese Mischung aus ihrem Deo, etwas Weichspüler der Ujstars und etwas, das einfach nur Bana war. Das war etwas vertrautes, etwas tröstliches.
„Wovor? Dass du wieder verletzt wirst?“ fragte sie leise.
Ich schüttelte stumm den Kopf.
Oh nein, dieses Mal, befürchtete ich, würde ich derjenige sein, der verletzte…
Phillip war echt.
Phillip war unschuldig.
Phillip war verwundbar.
Vermutlich verwundbarer, als ich es je gewesen bin.
Ich wusste nicht, ob ich damit klar kam.
„Hast du etwa Angst, du könntest Phil weh tun?“ Bana klang ehrlich erstaunt.
Stumm atmete ich weiter ihren Duft.
„Oh, Elias!“
Sie löste ihre Arme von mir und sie ging in die Hocke. Jetzt musste sie hochgucken.
„Du machst dir mehr Sorgen um ihn, als um dich?“
Sie hatte einen seltsamen Gesichtsausdruck.
„Wie kommst du dann auf die Idee, dass du ihn verletzen könntest? Oder fürchtest du etwa, du bist nicht gut genug? Seit wann ist Elias Müller so unsicher?“
Sie sah aus wie eine besorgte Mutter. Manchmal schaute meine Mutter mich so an, aber noch nie hatte Bana so geblickt.
„Seit er Phil begegnet ist?“
Das entlockte meiner Freundin ein Lächeln.
„Dich hat's ganz schön erwischt, was?“
Unwillkürlich musste ich lächeln. Sie hatte ja Recht.
Eigentlich war das nicht meine Art. Und normalerweise zerdachte ich auch nicht alles. Aber bei ihm…
„Mach’s dir doch nicht so schwer.“
Sie hatte immer noch diese Miene.
„Da redet die Richtige.“ Eine Augenbraue hochgezogen grinste ich.
Bana wurde rot und bließ die Backen auf. Zumindest war dieser seltsame Ausdruck aus ihrem Gesicht verschwunden. Dafür guckte sie etwas zerknirscht.
„Ok, ich mag da kein Vorbild sein, und ich bin dir sehr dankbar,-" Ein intensiver Blick traf mich. „-aber jetzt will ich den Gefallen erwidern. Unternimm etwas, oder ich sorge dafür, dass meine Schwester euch verkuppelt.“
Ein diabolisches Grinsen erschien auf ihren Lippen.
Oh, sie hatte eine dunkle Seite. Sie würde nicht zögern eine Drohung umzusetzen.
Ich schluckte.
Bana erhob sich wieder, gab mir einen Kuss auf die Stirn und ging, immer noch das teuflische Lächeln im Gesicht. Besorgt hat mir besser gefallen…
Und Dari als Kupplerin… Nein, Danke.
Mir war klar, was Bana bezweckt hatte. Ich sollte endlich meinen Arsch hochkriegen und zumindest versuchen, mit Phillip zu reden.
Und, verdammt, es funktionierte.-----------------------------
Bin wieder da! War nur mal ein paar Tage Familie besuchen.
Also, bis bald!Bye
DG
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Elias und Phillip
Teen FictionElias war 17, Schüler eines bayerischen Gymnasiums und offen schwul. Er wollte das genießen. Selbstbewusst und leidenschaftlich. Er dachte, er wusste, was er wollte. Phillip, ebenfalls 17, war Fußballer im Verein "Die Feldlanger Kicker". Er war zu...