2. Phillip

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Ich stand vor dem Spiegel, versuchte mir meine noch nassen Haare zu kämmen, als ich meinen Namen hörte.

„Phil, soll ich dich mitnehmen?"

Im Spiegel konnte ich sehen, dass Kai gesprochen hatte. Ebenfalls Verteidiger in unserem Verein, den Feldlanger Kicker, und bereits 18.


Kurz überlegen.

„Ok, aber ich muss meiner Mutter Bescheid sagen."
Für gewöhnlich brachte und holte mich meine Mum. Ich war 17, lächerlich. Sie würde nicht erfreut sein, aber das kümmerte mich wenig. Also schickte ich ihr nur einen Text.


Das Training war intensiv heute, und ich spürte schon das bekannte Ziehen in meinen Muskeln.

„Du kommst doch Samstag?" Freddy wandte sich an mich. „Ich hab ne Menge hübscher Mädels eingeladen." Er grinste und wackelte mit den Augenbrauen.

Ehrlich gesagt behagte mir der Gedanke, auf einer Party voller Leute zu gehen, gar nicht. Der Gedanke an Mädchen machte es nicht gerade besser.


Ernsthaft, manche der Mädels waren furchteinflößend. Nicht, dass ich das jemals zugeben würde.

„Ja klar, das lass ich mir doch nicht entgehen!" Ich grinste zurück.


Die Jungs würden alle kommen. Und meine Alten würden es hassen. Wenn sie je davon erfahren sollten...

„Bist du soweit?" Kai hatte schon seinen Autoschlüssel in der Hand.


Schnell stopfte ich den Kamm in meine Sporttasche, dann verließen wir das Vereinsgelände Richtung Parkplatz.

Kai war wohl so was wie mein bester Freund, aber ich war nicht besonders sozial. Ich kam mit allen klar, in der Mannschaft funktionierte es, aber da wusste ich auch, was ich tun sollte. Was von mir erwartet wurde.


Aber so, unter Menschen, wusste ich nie genau, wie ich mich verhalten sollte.


Wir stiegen in Kais alten, grünen Opel, der immer nur stotternd zum Leben erwachte.

„Komm, Baby, lass mich nicht im Stich."


Eigentlich war es mehr ein fahrender Schrotthaufen, als ein Fahrzeug. Mit Fensterkurbeln. Auf der Beifahrerseite allerdings war die abgebrochen.


Schließlich sprang er an, und wir fuhren los. Vor der Fahrt in diesem Höllengefährt fürchtete ich mich nicht, stattdessen schaltete ich unbesorgt das Radio an.

„Soll ich dich dieses Wochenende decken?" fragte Kai. Er wusste von meinen Eltern, er hatte schon das Vergnügen, ihnen begegnet zu sein. Er wusste, wie besorgt sie waren, wie streng. „Wir erzählen, wir machen einen Ausflug mit der Mannschaft, oder so." Dann feixte er, „Wir erwähnen einfach nicht, dass wir alle bloß zu Freddy gehen."


Das entlockte mir ein Schmunzeln.


„Klingt gut."

Der Rest der Fahrt verlief schweigend, nur unterbrochen von gelegentlichen Mitsingen.


Als wir endlich vor meinem Haus, dem viel zu großen, viel zu kalten Haus, ankamen, sprach Kai mich nochmal an.

„Soll ich mit rein und mit deiner Mum reden?"


„Nee, ich mach das schon." Wirklich keine prickelnde Aussicht.


Ein zweifelnder Blick in meine Richtung, dann ein Schulterzucken.


„Wie du meinst. Bye."


„Bye."

Ratternd fuhr er davon, und mir blieb nichts anderes übrig, als nach Hause zu gehen.


Ich hatte die Tür noch nicht mal ganz offen, da hörte ich bereits meine Mutter rufen.


„Philip, Schätzchen, bist du das?"


Seufzend folgte ich ihrer Stimme in die Küche.


„Hallo, Mum."

Meine Mutter war eine Frau kurz vor der Fünfzig, mit grauen Strähnen in ihrem dunklen Haaren, die sie stets übertönte, und Fältchen um die Augen und Mund, die sie mit Dutzenden Cremes zu bekämpfen versuchte.


Vor allem aber war sie immer so besorgt. Sie machte sich Sorgen um mich, meine Gesundheit, meine Zukunft, mein Leben.

„Schätzchen, was willst du heut Abend essen?" Sie lächelte mich an. Eine Zeitschrift lag vor ihr aufgeschlagen auf dem Küchentisch.


Ich setzte mich ihr gegenüber.


„Egal."


Eine Weile schwiegen wir, sie blickte in ihr Magazin, ich in mein Handy. Ich hätte es am liebsten so gelassen, oder wäre noch lieber in mein Zimmer verschwunden. Aber... Freddy's Party.

„Mum?"


„Ja, mein Schatz?" Sie blickte mich aus hellen, braunen Augen an. Ich hatte ihre Augen.


„Unsere Mannschaft macht einen Ausflug am Wochenende," Ihre Augenbrauen zogen sich zusammen, „und ich sollte mitkommen." Zwischen ihren Brauen erschien ein tiefe Furche.


„Und wohin soll es gehen?" Ihre Stimme klang kalt.


„Zum Camping beim Murner See. Wir sollen uns alle gemeinsam aufeinander und auf die Saison einstellen."

Erstaunlich, wie leicht es mir inzwischen fiel, sie zu belügen.

„Wie willst du hinkommen?"


„Mit Kai."


Die Furche vertiefte sich weiter.


„In seinem Auto?" Sie hatte es mal als ‚Todesfalle, die noch passieren musste', bezeichnet.


„Nein, wir dürfen das Auto seiner Mutter nehmen."


„Hm, kann er denn schon so weit fahren?"

Ich unterdrückte mein Augenrollen, atmete tief durch.


„Er fährt regelmäßig seine Schwester in München besuchen, das ist viel weiter weg."


„Musst du denn wirklich mit?"


Nochmal durchatmen.


„Ja."


Daraufhin nickte sie.


„Wann fährst du?"


„Samstag Vormittag. Sonntag Abend bin ich zurück."


Ein lauter Seufzer entwich meiner Mutter.


„Wenn es sein muss. Aber ich hätte gern das Wochenende mit dir gehabt."


Damit wir uns anschweigen konnten? Nein, danke.


„Danke, Mum." Ich schenkte ihr mein fröhlichstes Lächeln. „Ich geh Hausaufgaben machen."


Sie seufzte nochmal, während ich mich auf den Weg in mein Zimmer machte.

Jetzt musste ich nur noch Kai einweihen.

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So, jetzt sind die Hauptcharas vorgestellt. Bald wird es spannend.

Bye

Elias und PhillipWo Geschichten leben. Entdecke jetzt