25. Manic Monday - Phillip

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Meine Nacht beschissen zu nennen, wäre eine Untertreibung gewesen. Wenn ich überhaupt mal schlief, erwachte ich kurz später schweißgebadet.
In meinen Träumen verfolgte mich jemand ohne Gesicht, oder ich sah diese formlose Person an meinem Bett stehen. Und sobald ich meine Augen öffnete, blickte ich mich erschrocken um, halb erwartend, dass da jemand war.
Aber ich war allein.
Und dann erstmal wach.

Kurzum, am nächsten  Morgen fühlte ich mich, als hätte ich zu lange gefeiert.
Übermüdet und benebelt.
Und verängstigt.
Wer war das bloß?
Hatte ich einen Stalker?
Ich saß gerade mit meinen Eltern am Frühstückstisch, als mein Handy kurz klingelte. Ich zuckte zusammen.

Atme.

Würde das jetzt so weiter gehen?
Würde ich jetzt immer erschrecken, wenn mein Handy sich meldete?
Meine Eltern bemerkten es nicht, oder es interessierte sie nicht.
Herzklopfend sah ich auf mein Smartphone und atmete erleichtert leise aus.
Elias wollte mich treffen.
In der Schule.
Oh.

Was, wenn uns jemand sah?
Mein Puls beschleunigte.

Nicht gut.

Ich kannte nur einen Ort, wo uns keiner sehen würde. Dort versteckte ich mich sonst in den Pausen, wenn mir mal wieder alles zu viel wurde.
Hinter der Schule gab es eine kleine Lichtung, und ich beschloss, ihn dorthin zu bringen.
Meine Antwort an ihn fiel kurz aus, aber ich wollte nicht, dass meine Eltern etwas merkten.
Wie üblich brachte mich meine Mutter zur Schule, aber ich bemerkte eigentlich kaum, was um mich geschah. Ich hatte viel zu sehr damit zu Kämpfen meine Augen offen zu halten.
Im Unterricht machte ich mich möglichst unsichtbar. Ich konnte in meinem Zustand sowieso nichts lernen.
Stattdessen dachte ich an Elias.
Er wollte mich treffen.
Wieder.

Ist er wirklich verliebt in mich?

Die Zweifel nagten an mir.
Was, wenn er mir bloß an die Wäsche wollte?
Was, wenn ich nur eine weitere Eroberung war?
Die Zeit verging quälend langsam.
Und ich befand mich in einer Gedankenspirale abwärts.

Ich bedeute ihm nichts.
Wenn ich das nicht sofort beende, wird er mir weh tun.

Für den Augenblick hatte ich meinen Stalker vergessen.
Bis zur Mittagspause stand mein Entschluss fest.
Das würde unser letztes Treffen.

Als er aus der Hintertür kam, in seinem braunem Mantel und die Haare offen, mit diesem unwiderstehlichen Lächeln, geriet ich ins Wanken.
Also wandte ich mich ab und ging los.
Ich wollte ihn abweisen.
Ich sollte ihn abweisen.

An der Lichtung setzte ich mich hin und starrte auf den Boden.
Ich konnte ihn nicht ansehen. Denn dann konnte ich nicht tun, was ich vor hatte.
Aber die Vorstellung, mich von Elias abzuwenden, tat weh.
Mehr, als ich geahnt hatte.
Meine Sicht verschwamm.

„Phillip?“
Er riss mich aus meinen kalten Gedanken, erschrocken guckte ich hoch.

Fehler!

Elias Augen wurden groß, dann fand ich mich plötzlich in seinen Armen.
Mein Kopf lag auf seiner Schulter, meine Nase fast an seinem Hals.
Warum hatte er keinen Schal an? Es war kalt.
Meine Hände klammerten sich wie von selbst in seinen Mantel, als wollten sie nie loslassen.
Und in Wirklichkeit wollte ich ihn nicht loslassen.
Niemals.
Aber was wollte Elias?
„Was willst du eigentlich von mir?“
Ich flüsterte das, ohne mir bewusst zu sein, dass ich das ausgesprochen hatte.
Als mir Elias ebenso leise antwortete, setzte mein Herz kurz aus.
„Mit dir zusammen sein.“

Wirklich?

„Warum?“
Elias schnaubte, packte mich, schob mich von sich und starrte mir grimmig in die Augen.
„Denkst du etwa, das ist leicht für mich?! Ich hab die letzten fast zwei Jahre damit zugebracht, vor allen Gefühlen davon zu laufen! Glaubst du etwa, ich habe keine Zweifel?! Herrgott, ich weiß selbst nicht, ob wir beide zusammenpassen!“
Ich weiß selbst nicht, was ich erwartet hatte, aber ganz bestimmt nicht das.
„Ich weiß aber, dass ich bei dir sein will. Dass ich alles über dich wissen will. Dass ich dich glücklich machen will.“
Mein Puls beschleunigte.
„Weil ich, verdammt noch mal, verliebt in dich bin!“
Er starrte mich immer noch an.

Elias und PhillipWo Geschichten leben. Entdecke jetzt