4. Party - Phillip

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„Hey, da seid ihr ja!“ Freddy begrüßte uns enthusiastisch mit Umarmungen, die ich steif über mich ergehen ließ.

Kai hatte mich im Auto seiner Mutter abgeholt, dann hatten wir den Tag mit Games zocken verbracht. Als es dämmerte, machten wir uns, mit Kais alter Karre, auf den Weg. Im Gegensatz zu ihm sah ich keinen Grund mich heraus zu putzen, ich behielt meine Klamotten einfach an. Aber er musste noch ein ganzes Prozedere an Körperpflege und Kleiderauswahl durchlaufen, denn auf der Party wollte er sich mit seiner Freundin Patricia treffen. Am Ende entschied er sich für ein hellblaues Polo und schwarze Jeans.
„Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!“ rief ich.

Noch waren nur die Jungs der Mannschaft da, alle mit Bier in der Hand, und meinetwegen hätte es so bleiben können. Bevor die anderen Gäste ankamen, lungerte ich mit den Jungs auf der gigantischen Ledercouch im Wohnzimmer herum. Es war laut und fröhlich, und dass ich kaum sprach, fiel nicht weiter auf. Die Jungs kannten es nicht anders von mir.

Aber je voller es wurde, desto unwohler fühlte ich mich. Die Musik wurde auf maximale Stärke aufgedreht, das Licht gedimmt, und sobald Patricia auftauchte, sah ich Kai nicht mehr.

Ich hielt mich an meinem Bier fest und beobachtete den Wahnsinn um mich herum. Leiber zuckten und rieben sich aneinander, am anderen Ende der Couch knutschte ein Pärchen. Das war wie Orgie, nur angezogen.

Ich beschloss, den Ort zu wechseln. Vor dem Haus entdeckte ich Karl, unseren Kapitän, mit zwei Fremden. Sie ließen einen Joint wandern.
Nicht mein Ding.

Einige Zeit wanderte ich ziellos durch das Haus, zunächst in die Küche, um mir noch ein Bier zu holen. Dann in die Lounge im ersten Stock, von wo man durch riesige Fenster einen ausgezeichneten Blick in den Garten hatte. Dort spielten sich ähnliche Szenen ab wie unten, es war, als wäre die Paarungszeit angebrochen.

Ich war in einer seltsamen Stimmung.

Es war nicht so, dass ich das nicht auch gern gehabt hätte.
Aber zwischen mir und der Welt war eine unsichtbare Wand. Ich konnte mit Menschen reden, ich konnte sie sehen und berühren. Aber nichts davon schien mein Innerstes zu erreichen.

Ich war ein wenig neidisch, ein wenig betrunken, ein wenig wehmütig.
Und ich war alleine.

Ich zog weiter.
Keine Ahnung, wie lang ich herumschlich wie ein Geist, von allen unbemerkt. Aber irgendwann kam ich wieder im Wohnzimmer an, wo die Musik endlich in einer erträglichen Stärke spielte. Mich auf den selben Platz fallen lassend, vollendete ich meine Runde.

Ich war wieder da, wo am Anfang.
Zumindest war ich bis dahin unbeachtet geblieben.
Leider änderte sich das, als ein Mädchen sich neben mich auf das Sofa setzte.

Darylia Ujstar.

Sofort spannten sich sämtliche Muskeln in meinem Körper an und meine Handflächen wurden schwitzig. Ich hatte wirklich keine Lust, mich mit ihr auseinander zu setzen. Sie war zu laut, zu bunt, zu…impulsiv. Unberechenbar.

Und ein Zwilling, und ich fand Zwillinge ein wenig unheimlich.
Immerhin konnte ich ihre Schwester nicht sehen.

„Hey, biss du nich Phil?“ Ihre Aussprache war undeutlich.

Ich schluckte.

„Weiss du, ich finde Fußball echt toll. Ich vesteh es nich, aba es is toll. Supa zum zugucken. Ich guck auch gene Filme. Machst du Filme? Ja, klaa. Jeda mach Filme. Ich mag die Supahelde. Den einen, wie hieß dea noch? Mit den Netsen dea. Dea waa 'n Käfaa oda so. Und de andele mit….“

Sie brabbelte fröhlich auf mich ein, während sie immer näher rückte, bis unsere Schultern sich berührten. Ich verspannte mich noch mehr, mein Herz raste.
Dann griff sie nach meinem Arm, klammerte sich regelrecht daran fest.

Zu viel!

Ich riss mich los und stürmte davon, blind in meiner Flucht. Ich lief die Treppen hoch, bis keine mehr da waren, und danach stürzte ich zur nächsten Tür. Ich knallte sie zu und schloss ab.

Atme.

Mit der Stirn am kühlen Holz versuchte ich mich zu beruhigen. Ich bemerkte kaum, wo ich war.

Dann hörte ich es hinter mir Räuspern.

Mein Herzschlag schnellte hoch, mein Körper drehte sich blitzartig herum, mein Ellbogen knallte gegen kalte Fliesen, doch ich bemerkte es nicht mal.

Das erste, und für eine Weile das Einzige, was mein überlastetes Gehirn registrierte:
Diese Augen.

Große runde Augen, mit einem faszinierenden Farbspiel. Außen waren sturmgraue Ringe, nach Innen heller werdend, um die Pupille herum waren die Augen aber hellgrün. So was hatte ich noch nie gesehen.

Nach und nach nahm ich den Rest der Person vor mir wahr, zunächst den Eyeliner, dann die sandblonden Strähnen vor den Augen. Gerade, erstaunlich dunkle Brauen. Eine schmale Nase. Volle Lippen.
Und diese Augen.

Als endlich in meinem Hirn ankam, wer vor mir stand, setzte mein Herz kurz aus.
Elias Müller.

Diese Augen gehören Elias?!

Ich hatte im ersten Moment angenommen, ein Mädchen stünde vor mir. Ein hübsches Mädchen.
Sein Gesichte wirkte einfach zu zart für einen Jungen.
Aber dennoch konnte ich spüren, wie sich mein Puls beschleunigte.

Bis zu dem Klopfen.

Sofort war die Panik wieder da, und wieder reagierte mein Körper vor meinem Gehirn.

Ich sprintete hinter Elias.
Nicht mein größter Moment. Echt nicht.

„Phiiiil? Biss du da din?“

Allein ihre Stimme genügte, um mich Erzittern zu lassen. Blonde Wellen verschwammen vor meinen Augen.

Dann waren die Augen wieder da, blickten in meine. Ich hielt den Atem an.

„Phiiiil? Phiiiiil!“

Auf seinen Lippen erschien ein schiefes Lächeln.

„Ich kümmere mich darum.“

Seine Stimme war dunkler, als ich gedacht hatte.

„Phiiil, mach auf!“

Er wandte sich zur Tür, und erst als meine Arme an meine Seiten fielen, begriff ich, dass ich die ganze Zeit meine Hände auf seinen Schultern gehabt hatte. Elias öffnete die Tür vorsichtig, schob sich selbst durch einen schmalen Spalt.
Er war schlank.

„Wo is Phil?“ konnte ich noch hören, bevor das Schloss zufiel und ich alleine war.

Atme.

Langsam wurde ich ruhiger.
Das war's. Ich wollte nur noch weg.

Sobald ich normal atmete und mein Puls nicht mehr raste, nicht mehr so sehr zumindest, machte ich mich auf den Weg. Mit Kai brauchte ich nicht zu rechnen, wir hatten ausgemacht, dass ich im Fall der Fälle ein Taxi nehmen sollte. Dafür hatte ich tatsächlich einen Hausschlüssel gekriegt. Mich runter schleichend stellte ich fest, dass es ruhig geworden war.

Keine Musik, keine Paarungstänze, stattdessen viele schlafende Teenager.
Ein paar murmelten noch etwas, aber ansonsten Stille.

Wie lange war ich in dem Bad?

Vor dem Haus rief ich mir ein Taxi.
Es würde dauern, bis es da war. Ich war müde.

Diese Augen.

Ich schüttelte den Kopf. Ich war wirklich müde.

Diese Augen…

Als das Taxi endlich ankam, schreckte ich aus einer Art Schlummer hoch.
Auf der Fahrt zu Kais Haus wäre ich fast wieder eingenickt.
Ich ließ mich selbst hinein, schlurfte in Kais Zimmer und ließ mich einfach in sein Bett fallen.

Diese Augen. Diese unglaublichen Augen.

Damit schlief ich ein.

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Hallo, ich hoffe, es gefällt euch!

Bye

Elias und PhillipWo Geschichten leben. Entdecke jetzt