17. Das Date - Elias

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Am Tag darauf war ich so glücklich, dass es mir nicht mal etwas ausmachte, dass Hanna mich ignorierte. Ich hatte stattdessen die sprichwörtlichen Schmetterlinge im Bauch.
Also machte ich mich ohne Frühstück auf den Weg zur Schule, und im Bus schließlich zeigte ich meinen Mädels den Chat. Die quiekten entzückt. Ich hätte fast mit eingestimmt, ehe ich mich daran erinnerte, dass ich ja ein Kerl war.

Nichts konnte das Lächeln aus meinem Gesicht wischen, und wenn ich Phillip erblickte, wurde es breiter.

Gott, ich bin so hin und weg.

Bei dem Gedanken musste sogar ich kichern, mitten im Deutschunterricht. Ich kassierte dafür einen strengen Blick von Frau Walther.
Und es war mir egal.

Denn jedes Mal, wenn ich Phillip beim Gucken erwischte, schaute er schüchtern weg, und wurde rot.

Niedlich.

Am liebsten wäre ich zu ihm gegangen, und hätte ihn geknuddelt. Und geküsst. Und...

Woa, brems dich!

Die Schule war erstaunlich schnell vorbei, und selbstverständlich waren die Zwillinge am Nachmittag bei mir, um mir bei der Auswahl der Klamotten zu helfen.
Nicht, dass das wichtig wäre, es war Anfang Dezember und scheißkalt draußen. Phillip würde wohl eh nur meinen Mantel zu Gesicht bekommen.

„Und wenn ihr Essen geht?“ wandte Dari dagegen ein.

„Wir gehen zum Christkindlmarkt. Wir werden wohl dort was Essen.“
Bana kicherte.

„Und wenn's gut läuft und ihr das Date verlängert und dann was Essen oder Trinken geht?“ Meine blonde Freundin grinste schelmisch.

„Ok, möglich. Aber unwahrscheinlich.“
Beide guckten mich fragend an.

„Ich will nichts überstürzen. Nicht mit ihm.“
Dari klappte tatsächlich die Kinnlade runter, während ihre Schwester sie auslachte.
Ein schiefes Grinsen auf den Lippen sprach ich.

„Ja, ich weiß. Ich hätte auch nie gedacht, dass ich das mal sagen würde. Aber bei Phillip…“ ich seufzte.

„Dich hat's voll erwischt.“ Ungläubig schüttelte Dari den Kopf.

„Jep.“ Und inzwischen machte mir das erstaunlich wenig aus.

Denn ich war es leid, allein zu sein. Ich beneidete Bana und Tommy.

Meine Mädels waren erst zufrieden, als ich versprach meine schwarzen Skinnies und mein graues Hoodie anzuziehen. Sie waren der Meinung, das bringe meine Augen zur Geltung. Und meinen Arsch. Zudem waren sie der Ansicht, ich sollte lieber meine Lederjacke anziehen, um besagten Hintern auch zu zeigen.
Ich schickte sie Augen rollend nach Hause.

Aber als ich allein war, wurde ich nervös.
Obwohl ich mir sicher war, dass Phil nicht abgeneigt war.

Es wurde ein unruhige Nacht, und der Samstag Morgen war noch schlimmer. Schlimm genug jedenfalls, dass meine Eltern etwas merkten. Mein Vater hob zwar die Augenbrauen ob meines kopflosen Verhaltens, aber sagte nichts.

Mam dagegen kam schließlich ins Bad, als ich gerade versuchte zu entscheiden, ob ich Eyeliner nehmen sollte, oder nicht.

„Was ist los?“ fragte sie, als sie sich an den Türrahmen lehnte.
Ich ignoriert ihre Frage, starrte sie durch den Spiegel an.

„Eyeliner. Ja oder nein?“

Meine Mutter seufzte, dann lächelte sie.
„Hängt davon ab, was du vorhast.“

Ich starrte weiter, unentschlossen.

Ach, was soll's.

„Ein Date.“

Mam guckte überrascht. Dann erschien ein Grinsen in ihrem Gesicht.
„Du magst den Jungen, oder?“

Seufzend nickte ich.

„Dann definitiv Eyeliner. Er wird hingerissen sein von deinen Augen.“
Ich schaffte es tatsächlich, rot zu werden.

„Mama!“

Sie lachte.
„Ich kann nichts dafür, dass du so gut aussiehst.“ Antwortete sie mit einem Augenzwinkern, ehe sie mich wieder allein ließ.

Ich trug den verdammten Eyeliner auf.

An der Bushaltestelle war ich letztlich viel zu früh. Ich versuchte mich mit meinem Handy abzulenken, doch mein Herz klopfte wild und mein Magen schlug Kapriolen. Meine Gedanken rasten.

Was, wenn er gar nicht im Bus war?
Was, wenn doch?
Wie sollte ich ihn begrüßen?

Als der Bus endlich kam, war ich mal wieder ein nervöses Wrack. Ich versuchte, es mir nicht anmerken zu lassen.
Phillip war tatsächlich da, er saß ganz hinten und warf mir einen schüchternen Blick zu, als ich mein Ticket beim Busfahrer bezahlte. Ich ging breit grinsend zu ihm, und als ich vor ihm stand, war er knallrot.
Er hatte eine blaue Jacke und einen Schal in Vereinsfarben an, grün und blau, dazu eine schwarze Mütze, die ihm ein paar Strähnen in die Stirn drückte.

Süss.

Ich hätte ihn küssen können.
Stattdessen warf ich mich in den Sitz neben ihm.

„Hej.“

Seine Antwort kam leise.
„Hej.“

Er fummelte mit seinen Fingern an seinen Nägeln herum. Und irgendwie war es erleichternd zu wissen, dass er genauso angespannt war.
„Nervös?“

Erschrocken schaute er zu mir, seine braunen Augen geweitet. Wusste er eigentlich von den goldenen Lichtern darin?
Dann seufzte er und nickte.

„Ich auch.“

Ein ungläubiger Blick traf mich, dann schnaubte er.
„Ja klar.“  Dann schaute er weg, zum Fenster raus.

Ein Weile saßen wir stumm nebeneinander, und ich überlegte fieberhaft, wie ich das Schweigen brechen sollte.
Dann machte es regelrecht ‚Ping!‘ in meinem Kopf.

„Auf welcher Position spielst du eigentlich?“

Phil wandte sich wieder mir zu, etwas erstaunt.

„Was, nur weil ich schwul bin, kann ich nicht über Fußball reden?“

Seine Wangen färbten sich wieder, und er senkte den Blick.

„Ich bin Verteidiger.“

Ich musste einen Seufzer unterdrücken. Musste ich ihm jedes Wort aus der Nase ziehen?
„Und wie war dein letztes Spiel? Erzähl mal!“

Er warf mir einen kurzen, zweifelnden Blick zu.

„Gut. Wir haben gewonnen. Aber es war echt knapp.“

Okay, drei Sätze. Wir machen Fortschritte.
„Wie knapp?“

Wieder ein zweifelnder Blick. Ich lächelte aufmunternd.

„Also die Grumbacher hätten fast noch ausgeglichen, aber Daniel, unser Torwart konnte den Ball grad noch raushauen. Aber das wäre gar nicht erst passiert, wenn Freddy besser aufgepasst hätte und Kai…“

Es war, als wäre ein Damm gebrochen. Ich konnte beobachten, wie sich Phillip langsam entspannte, während wir langsam Richtung Stadt ruckelten. Ab da wurde es leichter, mit ihm zu reden.
Also, genau genommen machte es Spaß, sich mit ihm zu Unterhalten. Selbst über Fußball. Die ganze Zeit lächelte ich selig vor mich hin.
Das lief besser als erwartet.

Wir merkten kaum, dass wir ankamen, so vertieft waren wir in unser Gespräch.
Von Fußball über Schule bis Gott und die Welt, irgendwie redeten wir über alles. Ich erfuhr, dass Phillip Katzen lieber mochte, als Hunde, dass er nicht gern ins Kino ging und kein Eis mochte. Es war ihm zu kalt.

Inzwischen schlenderten wir über den Christkindlmarkt, betrachteten die Buden mit Weihnachtsschmuck. Ein besonders abscheuliches Teil erregte meine Aufmerksamkeit. Ein bunte tropfenförmige Christbaumkugel.

„Sieht aus, als hätte sich ein Einhorn übergeben.“

Phils Reaktion darauf war großartig.

Er fing an zu Lachen.

Und er hatte das beste Lachen der Welt.

In meiner Brust breitete sich ein warmes Gefühl aus. Von da an versuchte ich ihn nur noch zum Lachen zu bringen.

„Oh, schau mal, Zwergenkacke!“ Kleine, glitzernde Dekokugeln.

„Die Rote Armee kommt!“ Eine Bude voller Weihnachtsmänner.

„Da hängen tote Feen!“ Eine Ansammlung von Windspielen.

Jedes Mal lachte Phillip, und ich hatte das Gefühl, vor Stolz gleich platzen zu müssen. Ich merkte gar nicht, wie die Zeit verging, erst als mein Magen knurrte, wurde mir klar, dass es schon nach zwei war. Das löste übrigens einen weiteres Lachen aus.

Wir holten uns Bratwürste und heiße Schokolade, und aßen im Gehen. Irgendwann saßen wir uns auf einer Bank in einem kleinem Park am Fluss und redeten, bis wir in ein angenehmes Schweigen verfielen.

Während ich so neben Phillip saß und ihn betrachtete, wie er auf den Fluss starrte, wurde mir klar, wie sehr ich ihn mochte. Es war fast unwirklich, wie schnell ich mich verliebt hatte, und dieser Tag hatte es nicht gerade besser gemacht. Ich war ihm vollkommen verfallen, und er hatte keine Ahnung.
Sollte ich es ihm sagen?

Zu früh.

Das war unser erstes Date. Ich sollte langsam machen.

Als es anfing zu dämmern, machten wir uns auf dem Heimweg. Dieses Mal war die Stille zwischen uns eher angespannt. Ich wollte seine Hand nehmen, meinen Arm um ihn legen, ihn küssen. Ich musste mich selbst daran erinnern, dass es zu früh war. Immer wieder.

Als sich meine Bushaltestelle näherte, stand ich auf, drehte mich noch mal zu ihm.
„Das hat Spaß gemacht. Das sollten wir wiederholen.“

„Morgen?“ Phillip riss die Augen auf und lief rot an. Das kam wohl auch für ihn unerwartet. Ich grinste, der Bus hielt.

„Klar, ich schreib dir. Tschau!“

Dann stieg ich aus. Nach Hause schwebte ich geradezu.
Natürlich würden meine Mädels gleich über mich herfallen, aber es war mir egal.
Für den Moment war ich einfach nur glücklich.


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Ich weiß, der Teil kommt mit Verspätung, aber ich litt an einer depressiven Phase.

Bye
DG

Elias und PhillipWo Geschichten leben. Entdecke jetzt