20. Der Film - Phillip

2.2K 141 12
                                    

In meinem Kopf drehte sich alles.

Dabei begann der Sonntag eigentlich wie immer, mit einem angespanntem Frühstück. Danach verkroch ich mich in meinem Zimmer.
Ich wollte Elias nach dem Mittagessen treffen, er meinte es gäbe ein nettes Café bei ihm in der Nähe.
Irgendwie machte mich das noch nervöser.
Ich hatte das Gefühl, ihm näher zu kommen.

Mittags schob ich mein Essen nur auf meinem Teller herum, mein Magen hatte sich regelrecht verknotet. Sobald ich konnte, verschwand ich.
Meine Eltern glaubten, ich würde zu Kai gehen.
An der Bushaltestelle lief ich auf und ab, im Bus zappelte ich mit den Beinen. Mein Herz raste so schnell, dass ich meinte, es müsste gleich platzen.
Es war seltsam, aber als ich Elias endlich sah, er wartete bereits auf mich, beruhigte ich mich ein wenig.
Ich hatte befürchtet, er wäre nicht da.

Diesmal war es einfacher für mich, mit ihm zu reden. Wir teilten denselben Humor, und jedes mal, wenn er mich zum Lachen brachte, entspannte ich mich mehr.
Mein Herz dagegen beruhigte sich überhaupt nicht.
Irgendwie kamen wir auf Superhelden-Filme.
Ausgerechnet Superhelden-Filme.

„Du hast Deadpool nicht gesehen?!“ Elias schaute mich ehrlich erstaunt an. „Den musst du sehen, er ist großartig! Ich hab ihn zuhause, wir könnten zu mir gehen…“
Zuerst hatte Elias begeistert losgesprochen, wurde zum Schluss aber leiser.

Er hat mich zu sich eingeladen!

In meinem Kopf tauchten sofort Bilder auf, teils Erinnerungen, teils nicht. Meine Wangen wurden heiß. Mir wurde heiß.

„Ähm, du musst nicht, wenn du nicht willst.“ Auf einmal wirkte Elias etwas unsicher, fast schüchtern. Und das war irgendwie süss.
Ich musste Lächeln.
„Ich würd den Film gern sehen.“

Ernsthaft, ich wollte wirklich mit ihm den Film sehen. Und dabei mich vielleicht ein wenig näher als nötig neben ihn setzen. Hätte ich geahnt, was passieren würde, ich wäre wohl ohnmächtig geworden. Oder hätte eine Panikattacke gekriegt. Und wäre dann ohnmächtig geworden.

Stattdessen spazierte ich etwas nur etwas zittrig mit ihm durch den Nieselregen. Er wohnte in einem vierstöckigen Haus ganz oben. Und als er mich an seinen Eltern im Wohnzimmer und der Küche vorbei zog, fiel mir auf, dass die Wohnung nicht sehr groß war. Was ich sehen konnte, hätte nicht mal unser Wohnzimmer gefüllt.
Aber ich hatte keine Zeit darüber nachzudenken, denn plötzlich stand ich in seinem Zimmer. Es war klein. Viel kleiner als meins. Rechts war ein großer Schrank, vor dem Fenster war sein ungemachtes Bett, und links an der Wand stand sein Schreibtisch. Das war's.

Über seinem Tisch war eine große Karte, sie füllte die halbe Wand, und darin bunte Stecknadeln. Das weckte mein Interesse. Die Karte zeigte Afrika, und die Nadel waren ziemlich ungleichmäßig verteilt. Die meisten waren im Osten und Süden.
Ich drehte mich um, schaute fragend zu Elias. Er stand immer noch an der Tür.

„Das sind die Fundorte verschiedener Vormenschen. Rot ist Australopithecus afarensis, orange Australopithecus africanus, gelb Homo habilis, weiß Homo erectus,…“
Er plapperte. Und aus einem unerfindlichen Grund fand ich das toll. Zum zweiten Mal heute wirkte er nervös.

Meinetwegen?

Ich lehnte mich mit meinem Hintern an seinen Tisch, und ich musste ein wenig grinsen.

„Entschuldige, wenn ich dich volllappe.“ Für einen Augenblick guckte er auf den Boden, ehe seine Augen meine fanden. Seine unglaublichen Augen. Ich musste schlucken, ehe ich sprechen konnte.
„Nein, schon gut. Willst du Archäologe werden?“
„Das oder Paläoanthropologe.“
Er machte einen Schritt auf mich zu, und mir wurde wärmer.
„Was willst du den werden?“
Noch ein Schritt.

Oh…

„Keine Ahnung.“ Sagte ich schließlich. Und es war die Wahrheit. Aber daran wollte ich nicht denken.

Denn Elias stand nun direkt vor mir. Ich war gefangen in seinen Augen, und ich wollte ihn noch näher. Ich wusste, ich wurde rot.
Dann beugte er sich langsam vor, und ich schloss die Augen. Ich atmete bereits flach, mein Herz flatterte und mein Magen machte Sprünge.
Endlich konnte ich seine Lippen spüren, langsam strichen sie über meine. Mir wurde heiß, während gleichzeitig ein Schauer über meinen Körper jagte.

Näher.

Ich legte eine Hand auf seine Schulter, die andere schob ich vorsichtig in seinen Nacken.
Elias reagierte sofort, schob sich, mit einem Bein zwischen meinen, an mich, legte seine Arme um mich, und jede Berührung löste Kribbeln auf meiner Haut aus. Ganz besonders sein Oberschenkel an meinem.

Mehr.

Dieses Mal erschrak ich nicht vor dem Gedanken, sondern ließ seine Zunge in meinen Mund. Es war als würde ich sofort in Flammen stehen, und das Pochen in meinem Unterleib verstärkte sich, als unsere Zungen tanzten.
Elias schob seine Hände in mein Kreuz, presste sich noch näher heran. So nah, dass ich seine Erregung spüren konnte. Und er meine. In meinen Ohren rauschte das Blut, und in meinem Hirn kamen keine Gedanken mehr zu Stande.
Als er sich von meinem Mund löste, und mit seinen Lippen zu meinem Hals wanderte, rieben gleichzeitig unsere Unterkörper aneinander.
Ich konnte nicht anders.
Ich stöhnte.

Davor erschrak ich diesmal.
Noch nie in meinem Leben habe ich mich so gefühlt, so heiß, so angetörnt.
Es war fast schon zu viel.
Ich schob Elias von mir.

Er schaute mich besorgt an, während ich versuchte, meinen aufgedrehten Körper zu beruhigen. Es war zwecklos, und als Elias den Mund öffnete und sich über die Lippen leckte, übernahmen die in mir rasenden Hormone die Steuerung.
Ich küsste Elias.
Ich küsste ihn.

Nicht nur das. Ich schob meine Zunge in seinen Mund, und meine Hände wanderten ganz von allein auf seinen Rücken, nur um ihn fester an mich zu drücken.
Ich hätte nie gedacht, dass ich so mutig sein könnte. Aber vielleicht war das kein Mut. Vielleicht war das bloß Lust? Und ich hatte die Kontrolle verloren…

In mir baute sich eine Anspannung auf, die zu gut kannte. Das Pochen zwischen meinen Beinen wurde stärker, und ich hatte das Gefühl, dass nicht mehr viel fehlte…
Ich war kurz davor, in meine Hose zu kommen.
Das brachte mein Hirn dazu, anzuspringen und Alarm zu geben.

STOPP!

Erschrocken und beschämt schob ich Elias weg. Ich konnte ihn nicht mal angucken.

Atme.

„Phil?“
In mir tobte ein Tornado aus Gefühlen. Begehren. Scham. Erregung. Unsicherheit. Zuneigung.
Elias trat von mir weg. Für eine Weile schwiegen wir beide.

„Es… Es tut mir leid. Aber du… du bist ständig in meinem Kopf.“ Seine Stimme klang seltsam brüchig. Meine Augen schnappten hoch.
Elias sah mich mit einem unsicheren Lächeln an.

„Scheiße, ich glaube, ich hab mich in dich verliebt.“

Was?!
„Du… Was?“ Ich konnte nicht fassen, was er gesagt hatte.

Elias verliebt?
In MICH?!
Atme!

„Seit der verdammten Party stiehlst du dich dauernd in meine Gedanken. Mein Herz rast in deiner Nähe. Mein Magen macht Saltos. Das nennt man doch verliebt, oder nicht?“
Mein Kopf setzte für einen Moment aus. Dann überschlugen sich meine Gedanken.

Meint er das ernst?

Ah, da waren sie wieder, die vertrauten Zweifel. Und ich war ratlos.
Als ich einen Blick auf Elias wagte, blieb mir fast das Herz stehen.
Er stand mit geballten Fäusten und fest geschlossenen Augen da, das Gesicht zu einer Grimasse verzogen. Er sah aus, als würde er leiden. Meinetwegen.

„Elias…“

Er meint es ernst… oder?

„Schon gut. Du musst nichts sagen.“ Seine Stimme war immer noch leicht brüchig. Und ich fühlte mich schrecklich. Ich hätte ihm sagen sollen, wie sehr ich ihn mag. Ich sollte es ihm sagen.

„Ich will aber.“
Endlich öffnete er die Augen. Sie glänzten.
Und ich war wieder so nervös, wie am Anfang. Mein Herz drohte aus meiner Brust zu springen.

Atme!

Sag's!

„I-ichbintotalverknalltindich.“

So, es war raus.
Elias blinzelte, dann grinste er.
Und bevor ich registrieren konnte, was er tat, zog er mich in seine Arme und vergrub sein Gesicht an meiner Halsbeuge.
Langsam begriff mein Gehirn, was geschehen war.
Elias hat mir seine Gefühle gestanden.
Elias Müller.
War verliebt.
In MICH.

Ein warmes Gefühl breitete sich in mir aus, eine Art gluckerndes Glück. Dann küsste er meinen Hals und ich erschauderte. Er machte es nochmal, und wieder jagte ein Schauer über meinen Körper.

Mehr!

Als hätte Elias meinen Gedanken gehört, wanderten seine Küsse zu meinem Mund. Und wir verloren uns in einem innigen Kuss. In einem von Vielen an diesem Nachmittag.
Irgendwann lagen wir, einander zugewandt, auf seinem Bett. Mal küssten wir uns, mal betrachteten wir uns nur, lächelnd.

Den Film hatten wir vergessen.

------------------
Ihr ahnt ja nicht, wie schwer es war, diesen Teil zu schreiben.
Also, sagt mir, ob ich's verbockt hab.

Bye
DG

Elias und PhillipWo Geschichten leben. Entdecke jetzt