18. Das Date - Phillip

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Ich erlebte eine neue Art von Folter am Tag darauf. Mein Herz klopfte schon, als ich die Schule betrat, doch jedes Mal, wenn ich Elias sah, drehte es total durch. Wenn sich dann auch noch unsere Blicke trafen und er mich anlächelte, setzte es aus.

Die Stunden schienen sich endlos hinzuziehen, und in meinem Kopf war ein Karussell aus Gedanken.

Warum will sich Elias mit mir treffen?
Was soll ich anziehen?
Ich werd kein Wort rauskriegen!

Als endlich die letzte Stunde rum war, war ich am Rande einer Panik. Kaum zu Hause und in meinem Zimmer, textete ich Kai.

‚Hilfe!‘
‚Was ist los?‘
‚Treffe mich morgen mit Elias!‘
‚😁 Ist doch super!‘
‚Ich hab Panik!‘
‚Hej, du schaffst das schon. Sei einfach du selbst.‘
‚Also schüchtern und seltsam?!‘
‚🙄 Nein, freundlich, aufmerksam und gutaussehend. 😉‘
‚Haha. Was soll ich anziehen?‘
‚KA‘

Ich atmete tief durch. Trotzdem konnte ich mich kaum beruhigen, und Kai war keine große Hilfe. Also räumte ich meinen halben Kleiderschrank aus auf der Suche nach dem passenden Outfit. Ich war so verzweifelt, dass ich kurz sogar in Erwägung zog, meine Mutter um Rat zu bitten. Aber das würde zu Fragen führen, die ich vermeiden wollte.

Am Ende entschied ich mich für etwas, das ich immer trug. Wir würden doch zum Weihnachtsmarkt gehen, also würde er weder mein T-Shirt noch meinen Pulli sehen. Nur meine Jeans, Jacke und Sneaker.

Es war spät, als ich ins Bett ging, aber schlafen konnte ich nicht.

Fast hätte ich den Bus verpasst.

Schließlich war ich doch eingeschlafen, und ich erwachte erst kurz vor zehn. Panisch machte ich mich fertig, stopfte mir unter den erstaunten Blicken zwei Toasts in den Mund, murmelte „Treffen mit Kai, verschlafen.“ und verschwand, ehe sie mich ausfragen konnten.

Ich hörte meinen Vater noch „Was soll das?!“ rufen, dann schloss ich die Tür und rannte zum Bus.

Es dauerte gut zehn Minuten, bis ich an Elias Haltestelle waren, und in dieser Zeit wurde ich nur nervöser.

Was, wenn er nicht da war?
Was, wenn er da war?

Atme.

Er war da.
Mit einem Lächeln ging er auf mich zu und…

Diese Augen!

Er hatte sie wieder geschminkt, und sie schienen mich anzustrahlen. Ich konnte spüren, wie die Hitze in mein Gesicht stieg, und ich musste mich zwingen, weg zu gucken.
Er sah großartig aus in seinem hellbraunen Mantel und den offenen Haaren.

„Hej.“ Sagte er, als er sich lässig neben mich setzte. Ich konnte meinen Herzschlag sogar noch in den Fingerspitzen fühlen.

„Hej.“ Presste ich atemlos raus.
Ich knibbelte an meinen Nagelhäutchen herum.

„Nervös?“

Mein Kopf schnellte hoch und ich starrte in diese unfassbaren Augen.
War das so offensichtlich?
Seufzend nickte ich, mehr zu mir, als zu ihm.

„Ich auch.“

Kurz guckte ich zu ihm, wie er lässig mit einem schiefen Grinsen neben mir saß.

„Ja klar.“ So sah er aus.

Weil ich Elias kaum angucken konnte, ohne dass mein Herz fast aus der Brust sprang, schaute ich der vorbeifliegenden Landschaft zu. Angespannte Stille zwischen uns.

„Auf welcher Position spielst du eigentlich?“

Erstaunt starrte ich ihn an.
Er wollte über Fußball reden?!

„Was, nur weil ich schwul bin, kann ich nicht über Fußball reden?“

Ertappt färbten sich wieder meine Wangen.

„Ich bin Verteidiger.“
Es war echt schwer, meine Stimme zum Arbeiten zu kriegen.

„Und wie war dein letztes Spiel? Erzähl mal!“

Meinte er das im Ernst? Wollte er das wirklich wissen?
„Gut. Wir haben gewonnen. Aber es war echt knapp.“

„Wie knapp?“

Echt jetzt?!

Elias sah mich interessiert an. Anscheinend wollte er es wissen. Ich holte tief Luft.

„Also die Grumbacher hätten fast noch ausgeglichen, aber Daniel, unser Torwart konnte den Ball grad noch raushauen. Aber das wäre gar nicht erst passiert, wenn Freddy besser aufgepasst hätte und Kai auf seiner Position geblieben wäre. Aber er wollte unbedingt den Helden spielen und hätte uns alles fast noch versaut. Gut, dass Dani den Ball noch erwischt hat, denn…“

Während ich mich an das Spiel erinnerte, wich etwas von meiner Nervosität. Im Fußball war ich zu Hause, und Elias hatte mehr Ahnung, als ich ihm zugetraut hätte. Er hatte als Kind selbst in einem Verein gespielt. Überhaupt erfuhr ich so viel von ihm. Er mochte Filme und interessierte sich für Archäologie. Er mochte Rock, hörte aber so ziemlich alles. Er liebte seine Schwester, verstand sich in letzter Zeit aber nicht mit ihr.

Je mehr wir redeten, und uns schienen die Themen nicht auszugehen, desto mehr fühlte ich mich zu ihm hingezogen.
Als hätte es einer Steigerung bedurft.

Er brachte mich zum Lachen, immer wieder.
Während wir über den Weihnachtsmarkt liefen, berührten sich unsere Schultern hin und wieder, und am liebsten hätte ich seine Hand genommen.
Aber ich war mir immer noch nicht sicher, ob das überhaupt ein Date war.
Mal abgesehen davon, dass ich mich das sowieso nicht trauen würde. Zu viele Menschen um uns herum.

Elias bezahlte unsere Bratwürste und die heiße Schoki.

Doch Date?

Irgendwann saßen wir am Fluß, und ich betrachtete das träge Wasser, während in meinem Kopf nur noch Leere herrschte. Ich war zu verliebt und zu verwirrt, um noch zu reden. Aber einfach nur neben ihm zu sitzen und zu schweigen war schön. Irgendwie brauchte dieser Tag keine Worte mehr.

Auf dem Heimweg würde ich wieder nervöser.
Wir saßen so nah beieinander, doch wir berührten uns nicht. Wieder wollte ich seine Hand nehmen, wieder traute ich mich nicht. Ich fühlte mich fast schon berauscht, gleichzeitig war ich so verwirrt.

Fast erschrak ich, als er aufstand.

„Das hat Spaß gemacht. Das sollten wir wiederholen.“

„Morgen?“ Sofort spürte ich meine Wangen brennen, während ich meine Augen aufriss.

Hab ich das laut gesagt?!

Elias grinste.
„Klar, ich schreib dir. Tschau!“

Und weg war er.
Die restliche Fahrt über versuchte ich mein wahnsinniges Herz zu beruhigen.
In meinem Kopf wirbelten Gedanken herum.

Er hat nichts versucht.

Keine Berührungen, keine zweideutigen Blicke, nichts.
Ich hätte auch mit Kai unterwegs sein können.

Aber ich wusste einfach nicht, ob ich enttäuscht war.

Oder erleichtert.


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Was meint ihr? Gut soweit?

Bye
DG


Elias und PhillipWo Geschichten leben. Entdecke jetzt