Hölle auf Erden

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Alle Blicke richten sich nun zu dem alten Mann.
Er, wie er langsam zu dem großen Schalter schreitet und sich somit auch gleichzeitig Jeff nähert.
Mit einem hasssüchtigen Blick sieht Jeff zu dem Kerl, während er reflexartig ein leises, gefährliches Knurren von sich gibt. Jedoch lässt sich der Mann keines Weges davon in irgendeiner Weise beirren und führt seine Arbeit durch.
Die Arbeit, das Leben eines Menschen auszulöschen.
Mit einer neutralen, friedsamen Miene beäugt der Mann Jeff.

"Jeffrey Woods. Was ich zuerst erwähnen sollte, ist, dass Gott Ihnen zur Seite steht, wenn Sie nun ihre ganzen gesündigten Taten bereuen und in Frieden mit Ihrem Leben abschließen. Der Herr wird Ihnen verzeihen, mein Sohn, und Ihr Gewissen wird gereinigt"

"Ich will von diesem Schwachsinn jetzt nichts wissen", bringt Jeff mit knirschenden Zähnen hervor und richtet seinen Blick zum Boden, während die Leute in dem Raum entsetzt leise zu tuscheln beginnen.

Auch der alte Mann ist etwas aus der Fassung.

"Mein Sohn.."

Genervt hebt Jeff seinen Kopf wieder an und guckt zu dem Mann.

"Sehe ich tatsächlich aus wie dein Sohn?"

Er will ihn provozieren.
Will sich nicht noch das letzte bisschen Kraft und Würde aus sich hinaus saugen lassen.
Verständlich.
Jeff hat gerade schon mit genug Gewissensbissen zu kämpfen.

"Wir alle sind Söhne und Töchter Gottes. Und Sie, mein Junge, waren vom Teufel besessen, doch wenn Sie nun gestehen und bereuen, was sie getan haben, wird Ihnen der Herr vergeben und Sie kommen in den Himmel und nicht in die Hölle"

Dieser Mann scheint wirklich überzeugt von seinem Beruf zu sein.
Dennoch beharrt Jeff auf seinem Standpunkt.

"Es existiert kein Himmel. Nur die Hölle. Und ich werde sie gleich verlassen"

Das Tuscheln wird mehr und dem Mann fehlen die Worte.
Doch Jeff ist noch nicht fertig.

"Ich werde nicht in letzter Sekunde den Schwanz einziehen und um Vergebung betteln. Aber trotzdem habe ich noch letzte Worte"

Die Aufmerksamkeit liegt nun auf Jeff.
Jeder schaut ihn erwartend an, mich mit einbezogen.
Seine letzten Worte.
Das letzte Mal, dass ich seine tiefe, angenehme Stimme hören werde.
Und dann nie wieder.
Unendliche Trauer steigt in mir auf und ich sehe ihn mit glasigen Augen an.
Ich kann einfach nichts gegen seine Exekution unternehmen.
Nur dasitzen.
Und zuschauen, wie tausende Volt in seinen Körper gejagt werden.

"Ich..."

Urplötzlich zischt Jeff schmerzhaft auf und kneift die Augen zusammen.
Schock überkommt mich schlagartig.
Was ist los??
Jedoch lacht der alte Mann bloß herbe auf.

"Entschuldigen Sie aufgrund des unerwarteten Stromschlages. Dieser Stuhl ist bereits ein wenig älter und setzt daher manchmal unkontrolliert nicht tödliche Stromschläge frei. Er wird aber schon bald einer ordentlichen Reparatur unterzogen, dafür werde ich sorgen. Nun denn, ihre Worte, Mister Woods?"

Mit einem unglaublich finsteren und düsteren Blick durchdringt Jeff den Mann.

"Fick dich doch, du alter Drecksack"

Er sagt die Worte ruhig, aber innerlich brodelt er vor Hass.
Ein weiteres Mal ertönen entsetzte Kommentare und Geflüster in dem Raum, in welchem ich mich befinde.
Der Mann wirkt verblüfft, dennoch scheint ihn diese Beleidigung nicht sonderlich zu kümmern.

"In Ordnung", murmelt der Mann gelassen, wendet sich dem Schalter zu und legt seine Hand darauf.

Jeff atmet durch und wirkt nun schon viel entspannter.

"Das war es noch nicht", entgegnet Jeff.

Unerwartet hebt er seinen Kopf in meine Richtung und mustert mich auf einmal vollkommen niedergeschlagen.

"Alicia,....es tut mir Leid. Alles"

Nein.
Das ist nicht wahr.
Er soll sich nicht bei mir entschuldigen.
Nicht jetzt.
Das macht alles doch nur noch schlimmer.
Eine Träne entrinnt meinem Auge und rollt meine Wange hinunter.
Meiner Wange, welche er vorerst noch so zärtlich berührt hatte.
Ich nicke ihm leicht zu.
Zeige ihm, dass ich ihm verzeihe.
Seine Entschuldigung annehme.
Ich würde ihm in diesem Moment alles verzeihen.
Jede Lüge.
Jeden Satz.
Jedes einzelne Wort.
Jede Handlung.
Jeff ist nun bereit, sein Leben zu lassen.
Letztendlich hat er es für mich gelassen.
Das hätte ich niemals im Leben gewollt.
Vor allem jetzt.
Genau in diesem Zeitraum, wo sich herausgestellt hat, dass wir zusammengehören.
Ich schließe die Augen.
Weitere Tränen fließen meine Wangen hinunter.
Das ist alles meine Schuld.
Ich kann das nicht.
Ich kann das einfach nicht.
Ich kann nicht mitansehen, wie ihn ein Stromschlag durchfährt und er weg ist.
Tot.
Ich ihn nie wieder sehen kann.
Ihn nie wieder hören kann.
Ihn nie wieder fühlen kann.
Ruhig, Alicia.
Ganz ruhig.
Ich bin jetzt für ihn da.
Ich bin bei ihm.
An seiner Seite.
Das zählt.
Eine Gänsehaut breitet sich auf meinem gesamten Körper aus.
Die grauenhafte Szene der Hinrichtung spielt sich in meinem Gedächtnis ab.
Wie der Mann den Schalter berührt, langsam immer mehr Druck darauf ausübt.
Ich will das nicht sehen!
Ich will das nicht hören!
Jedoch kann ich es auch nicht aufhalten.
Ich höre ein Geräusch.
Das leise Knarzen des Hebels.
Und dann passiert es.
Er legt in einer Bewegung den Hebel um.
Dann herrscht Stille.
Ein unberechenbar grauenhaftes Gefühl durchfährt mich.
Oh Gott.
Nein.
Bitte nicht.
Bitte lass es nicht passiert sein.
Doch ich höre Jeff nicht mehr.
Kein Schrei.
Kein Keuchen.
Kein Atem.
Er ist tot.

Heartbeat (Jeff the Killer Lovestory)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt