✦4 ~ Voices and Noises✦

1K 83 86
                                    

Wie Woojin mich gebeten hatte, war ich bei Seungmin und Hyunjin geblieben und hatte sie versorgt. Jede ihrer Wunden hatte ich gereinigt und mir innerlich Vorwürfe gemacht, wieso ich sie losgeschickt hatte. Ich hätte abwarten und sie erst heute schicken sollen... Gott, wieso war ich so dumm? Ich war wirklich kein guter Anführer. Heute hatte ich einfach nur versagt.

"Es tut mir leid, Hyung", sagte aber zu meiner Überraschung Seungmin auf einmal. Irritiert hob ich meinen Kopf. Gerade war ich dabei, seinen Arm zu verbinden und hatte nicht damit gerechnet, dass er sich entschuldigen würde. Für was denn auch? Er hatte nichts falsch gemacht. Der Keil zwischen ihm und Woojin war ja normal...

"Für was?", wollte ich wissen und legte fragend meinen Kopf schief. Ich gab mir Mühe, so viel Sanftheit und Liebe wie möglich in meine Worte zu stecken. Er sollte sich ganz gewiss nicht für etwas schlecht fühlen, das konnte ich nicht verantworten. Schließlich war er eines meiner Kinder. Nun, mehr oder weniger 'Kinder'.

"Na ja, du musst uns jetzt versorgen, weil ich vorhin wieder Streit ausgelöst habe. Dabei siehst du so müde aus und brauchst dringend Schlaf... ich wollte dich nicht davon abhalten", erklärte mir Seungmin schuldbewusst und senkte seinen Blick. Verwundert weitete ich meine Augen und blinzelte ein paar Mal. So freundlich und besorgt kannte ich den Jüngeren gar nicht. Noch nie wirklich hatte er sich mir gegenüber so sanft verhalten.

"Schon okay, Seungmin. Es ist nicht deine Schuld", versuchte ich ihn zu beruhigen und wuschelte einmal durch seine Haare. Dadurch fing er schwach an zu lächeln und sah mich aus seinen traurigen Augen an, die nun wieder anfingen zu glänzen. Erleichtert dadurch lächelte auch ich und schaute dann zu Hyunjin, der das Ganze umkommentiert ließ. Dabei war er eigentlich auch recht sensibel. Über die letzten Monate hin jedoch hatte er sich sehr verschlossen und mir beinahe schon den Rücken zugekehrt. Ich hoffte einfach, dass sich das bald klären würde.

"Danke, Hyung...", bedankte sich Seungmin und betrachtete seinen Arm, den ich nun fertig verbunden hatte. Ich wollte ihm antworten, allerdings stand Hyunjin in diesem Moment auf und legte die Pflaster ab, die er eben noch benutzt hatte. "Ich gehe dann schlafen", informierte er uns und wünschte uns noch eine gute Nacht, ehe er auch schon den Raum verließ. Kurz sah ich ihm nach und seufzte innerlich leise. Dieser Junge war mir wirklich ein Rätsel. Wollte er sich denn an nichts beteiligen?

"Dabei bin doch eigentlich ich derjenige, der so kalt ist", murmelte Seungmin, der ihm ebenfalls nachschaute. Zustimmend nickte ich, da hatte er wirklich recht und irgendwo erleichterte es mich, dass er auch so dachte und ich nicht ganz allein war. Trotzdem sollten wir uns darüber gerade keine Gedanken machen, darum drehte ich mich wieder zu Seungmin und stand warm lächelnd auf.

"Na komm, du solltest auch schlafen gehen. Ich schicke morgen Minho und Jisung los, damit sie die restlichen Dinge kaufen und du ruhst dich aus, damit du für dein Training bereit bist", meinte ich zu ihm. Hastig nickte der Brünette und griff nach meiner Hand, die ich ihm hinhielt, um ihm wieder auf die Beine zu helfen, da wir bis eben noch auf dem Sofa gesessen hatten. Danach verbeugte er sich leicht als Dank und wünschte mir auch eine gute Nacht, bevor er sein Zimmer ansteuerte. Ich sah ihm ebenso einen Augenblick lang nach und war innerlich sehr erleichtert, dass meine Verbindung zu ihm zumindest Fortschritte machte. Das war wichtig. Gerade wegen den Streitereien stand auch zwischen uns immer wieder eine Art Mauer, wegen der er mir nicht vollends vertraute. Von Woojin ganz zu schweigen, den er immer noch hasste. Ich und Hyunjin waren deshalb die einzigen Bezugspersonen von ihm - wenn wir uns so überhaupt nennen konnten.

Aber da meine Müdigkeit mich immer mehr einholte, entschied ich mich dazu, einfach schnell die Sachen aufzuräumen und dann Jeongin einen Besuch abzustatten. Ich wusste nicht, ob Woojin schon fertig war, darum blieb ich, nachdem ich alles aufgeräumt hatte, zuerst vor der Tür stehen und lauschte. Aber da ich weder ein Schluchzen, noch die beruhigende Stimme des Älteren hörte, öffnete ich nun langsam die Tür.

Stray Kids - The Untold StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt