13. Willkommen in der Dark Nebula

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Just in dem Moment, wo du das Gespräch mit Gingka beendet hast, klopft es zweimal laut an deiner Zimmertür und du wirfst irritiert einen Blick auf deinen Wecker: Es ist längst nicht Mittag, also dürfte der von Doji geschickte Mitarbeiter der Dark Nebula eigentlich noch nicht auf den Weg sein. Dennoch kommt dir keine andere Person in den Sinn, die es sonst sein könnte.
Des Weiteren wäre es typisch für Doji, dir eine falsche Information zu geben und seinen blöden Handlanger eher loszuschicken, um mögliche Pläne von dir zu durchkreuzen oder um dich zu ärgern. 

Zum Glück hat er dir genügend Zeit gelassen, dass du alles Wichtige mit Gingka klären konntest. Ihr habt deinen Plan – beziehungsweise deine bescheuerte Idee, wie Gingka nach wie vor meint – ausgebaut, nachdem du ihm berichtet hast, wie ihr Doji am besten hinters Licht führen könntet.
Eure schauspielerischen Fähigkeiten würden euch sicherlich eine Nominierung für einen Oskar verschaffen. 

Weil du mit der Tatsache gerechnet hast, dass du Ryuto nicht mehr rechtzeitig einweihen kannst, wird Gingka das für dich übernehmen. Vielleicht hat dich deine Panik vor Ryutos eventueller Reaktion etwas dabei beeinflusst, zumindest bist du nicht traurig darum, dass du ihm erst später alles erzählen musst und die Unterhaltung aufschieben kannst. 

Gingka ist außerdem ein riesiges Idol für Ryuto, er bewundert ihn mehr als du es tust und er wird sich demnach über einen Anruf von ihm unfassbar freuen. Der Anlass ist zwar nicht der Schönste, aber vielleicht schafft es Gingka, an seine Vernunft zu appellieren und ihm euer Vorhaben schönzureden.
So oder so wird Ryuto dich sicherlich blamieren und ihm aus Prinzip peinliche Fragen stellen, was dir momentan kaum egaler sein könnte. Gerade hat deutlich Bedeutenderes oberste Priorität. 

Gezielt langsam öffnest du die Tür und setzt vorher einen genervten Gesichtsausdruck auf. Der Störenfried soll sofort merken, wie wenig du von seiner Anwesenheit begeistert bist und dass du es nicht magst, wenn man sich nicht an Absprachen hält. Des Weiteren musst du an irgendwem deinen Launen auslassen und er bietet sich perfekt als Opfer an. 

Vor dir steht ein junger Mann, den du circa auf dein Alter schätzen würdest. Sein silbernes Haar reicht ihm bis zum Rücken und seine bernsteinfarbenen Augen mustern dich aufmerksam, während seine Mimik kühl und kontrolliert wirkt. 

„Ich bin Tsubasa", stellt er sich höflich vor und reicht dir die Hand, „Doji schickt mich, um dich abzuholen." 

„Freut mich." Du schüttelst kurz seine Hand und deutest danach in dein Zimmer. „Ich würde mich ja ebenfalls vorstellen, aber ich bin mir sicher, dass Doji dir schon alles über mich gesagt hat. Es würde mich nicht wundern, wenn er selbst meine BH-Größe wüsste." 

Trotz deines Versuches kannst du Tsubasa keinerlei Reaktion entlocken, er verzieht keinen Muskel und schaut weiterhin absolut neutral drein. Es verwundert dich, dass so jemand zu Dojis Organisation gehört. Er wirkt auf dich nicht wie einer der typischen Idioten, die du mit der Dark Nebula in Verbindung bringst. 

Damit er eintreten kann, machst du einen Schritt zur Seite. „Komm rein, ich muss noch packen." 

Wortlos geht er an dir vorbei und scannt aufmerksam den Raum, als würde er mit irgendwelchen Gefahren rechnen und du hältst an deiner vorherigen Feststellung fest: Tsubasa ist eindeutig zu clever für die Dark Nebula. Was will er dort?
Das ist nur eine der wenigen Fragen, die du dir stellst und auf die er dir eine Antwort liefern könnte. Irgendwie musst du ihn aus der Reverse locken können, damit du ihn einschätzen und im optimalen Fall zusätzliche Informationen erhalten kannst. 

„Ach, Tsubasa?", hakst du deshalb überaus freundlich nach und wartest ab, bis du seine volle Aufmerksamkeit hast. „Bist du eigentlich blöd und kannst keine Uhr lesen oder was machst du schon hier?" Neben deinen netten Worten schenkst du ihm dein schönstes Strahlen. 

Deine Provokation lässt ihn absolut kalt. „Doji hat mich eher losgeschickt und ich kann nachvollziehen, warum." 

„Kannst du das?" Gemächlich stolzierst du auf ihn zu und legst den Kopf schief. „Dann klär mich bitte auf." 

Tsubasa legt keinen Wert darauf, Abstand zwischen euch zu bringen, auch dies scheint ihn nicht aus der Ruhe zu bringen. „Du wirkst nicht gerade sehr kooperativ und ich könnte mir vorstellen, dass du zwei Stunden später versucht hättest, mich mit irgendetwas zu erschlagen." 

Diese Bemerkung lässt dich kurz auflachen und zaubert danach ein fieses Grinsen auf deine Lippen. „Keine Sorge, ich würde nur Doji erschlagen."


Du wendest dich wieder von ihm ab und drehst ihm den Rücken zu, während du deinen Koffer greifst und ihn geöffnet aufs Bett schmeißt. Zwar kannst du Tsubasa nicht sehen, dennoch spürst du seinen Blick auf dir, immerhin scheinst du nun sein Interesse geweckt zu haben. 

„Sollte das dein Plan sein, ist es nicht förderlich, mir, einem Mitglied der Dark Nebula, davon zu erzählen. Es wäre meine Aufgabe, dich aufzuhalten und ihm davon Bericht zu erstatten", wirft Tsubasa gefasst und souverän ein. 

„Wäre das meine Absicht, wäre Doji längst nicht mehr unter uns, ich hatte genügend Möglichkeiten dazu. Du kannst ihn gerne darüber informieren, aber das sollte nichts Neues mehr für ihn sein." Sorgfältig faltest du deine Klamotten zusammen, ehe du sie in deinem Koffer verstaust und ihn danach wieder ansiehst. „Außerdem bezweifele ich, dass du hohes Interesse an Dojis Sicherheit hast." 

„Ach ja?" Tsubasa zieht fragend die Augenbrauen in die Höhe und betrachtet dich neugierig. „Dann erleuchte mich bitte", echot er dich beinahe nach, während er auf deinem Sessel Platz nimmt. 

Obwohl du noch genügend Sachen im Bad stehen hast, setzt du dich ihm gegenüber und schaust ihm tief in die bernsteinfarbenen Iriden in der Hoffnung, dass sie mehr preisgeben. „So jemand wie du hat seine eigenen Motive und läuft Doji nicht blindlings nach. Du verfolgst deine eigenen Ziele und nicht die von Doji. Habe ich recht?" 

Seine Mundwinkel zucken, heben sich allerdings nicht ganz. „Ich will stärker werden und die Dark Nebula ist perfekt dafür." 

„Pff." Kopfschüttelnd schnaubst du kurz auf. „Ich bin mir sicher, dass du und Ryuga euch mit der Einstellung gut versteht." 

Du probierst gar nicht erst, deine Ablehnung zu verbergen, das Bestreben nach mehr Macht raubt dir mittlerweile sämtliche Nerven. Gibt es denn für fast jeden nun nichts Wichtigeres mehr? Nach deiner ersten Einschätzung hättest du Tsubasa für vernünftiger und vor allem für klüger gehalten, der erste Eindruck täuscht manchmal eben.
Außerdem hat es Gingka zum Beispiel auch ohne eine fragwürdige Organisation geschafft, einer der besten Beyblader der Welt zu werden. Er braucht keinen besonderen Bey oder die Dark Nebula dafür, sein Wille, seine Einstellung und seine Freundschaften haben ihn so weit gebracht und lassen ihn immer stärker werden.

„Sicherlich nicht so gut wie ihr früher." Jetzt ist es an Tsubasa, dein Verhalten zu beurteilen und dich zu analysieren. 

„Autsch." Gespielt verletzt fasst du dich an deine linke Brust und präsentierst deinen besten Schmollmund. „Natürlich hat dir Doji von unserer tollen Kindheitsfreundschaft erzählt, das überrascht mich nicht. Bestimmt hat er ebenfalls erwähnt, dass er Ryuga eines Nachts einfach aus unserem Dorf entführt, meinen Vater erpresst und mir zusammen mit Ryuga gedroht hat, Ryuto, seinem kleinen Bruder, und meiner Familie etwas anzutun. Oder hat er diese kleinen Details zufällig ausgelassen?" Von Sekunde zu Sekunden wird dein Tonfall schnippischer und du hältst die Wut nicht zurück. 

Danach beugst du dich etwas vor und schließt den Großteil der Distanz zwischen euch, bevor du flüsterst: „Ist dir deine Stärke wirklich den Preis wert?" 

Diesmal weicht Tsubasa zurück und lehnt sich in dem Sessel zurück, in der Zwischenzeit verhärtet sich sein Ausdruck und er verschränkt abweisend die Arme. „Ich kann nachvollziehen, warum Doji dich in seiner Organisation wollte, du bist genauso manipulativ wie er", entgegnet er dir kühl. 

Vor wenigen Tagen hätte sich der Vergleich wie ein Schlag in die Magengrube angefühlt, nun lässt er dich komplett kalt. Dir ist bewusst, dass du dir Dojis eigene Waffen zunutze machst und es wäre gelogen, würdest du behaupten, dass du Tsubasa nicht beeinflussen wolltest, denn genau das hattest du vor.

Immerhin hast du die Gewissheit erhalten, dass er für diese Spielchen nicht empfänglich ist und demnach auch nicht auf Doji hereinfallen wird. Des Weiteren sagt es viel über seinen Charakter aus, dass er dem gegenüber derart negativ eingestellt ist und bestärkt dein Bild von ihm.
Es muss für ihn noch andere Gründe als Macht für seinen Beitritt in die Dark Nebula geben, die er verheimlichen will. Tsubasa wirkt nicht wie der Typ, der nach unendlicher Kraft giert. Er hat deinem Bey bisher noch keinerlei Beachtung geschenkt. 

„Ich werde dann zu Ende packen, wir wollen Doji schließlich nicht länger warten lassen." Damit erhebst du dich von deinem Stuhl und steuerst das Bad an, nachdem Tsubasa schweigend mit einem Nicken seine Bestätigung gibt. 

Kindheitsträume - I. Versprochen ist versprochenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt