„Wir sollten reden", du klingst aus heiterem Himmel heiser und musst dich mehrmals räuspern, „und zwar wie zwei Erwachsene und nicht so." Zur Verdeutlichung des Gemeinten deutest du zwischen euch hin und her und duckst dich unter seinen Armen durch.
Dass er dich nicht aufhält und sich stattdessen lässig umdreht, ehe er sich gegen die Wand lehnt, bezeichnest du als ersten Fortschritt in eurer Beziehung. Inzwischen machst du es dir auf dem Tisch gemütlich und überkreuzt die Beine, um möglichst viel Abstand zwischen euch zu bringen und eure erhitzten Gemüter abkühlen zu lassen.
Tatsächlich frierst du im ersten Moment aufgrund des plötzlichen Wärmeverlustes fast schon und vermisst deine coole Lederjacke, die noch in deinem Koffer liegt. Erst jetzt fällt dir auf, dass du keinerlei Ahnung hast, wo sich dein Gepäck gerade befindet. Liegt es noch im Hubschrauber oder war eventuell irgendwer so freundlich, es mitzunehmen?
„Und worüber?" Ryugas Blick wirkt so kühl wie sein Tonfall. „Ich wüsste nicht, was es zu bereden gäbe."
Skeptisch legst du den Kopf schief und stützt ihn auf deinem Ellbogen ab. „Warum hast du mich dann abgefangen, wenn es angeblich nichts zwischen uns beiden zu besprechen gibt?"
Deine Frage sollte ihn nicht zum Grinsen bringen und dennoch heben sich Ryugas Mundwinkel spöttisch. „Weil ich Tsubasa genauso wenig vertraue wie dir."
„Autsch, das trifft mich zutiefst." Theatralisch fasst du dir wie schon bei Tsubasa an die linke Brust und verziehst das Gesicht zu einer traurigen Miene.
Diesmal kostet dich die gespielte Gleichgültigkeit allerdings wesentlich mehr Mühe und seine Worte verletzten dich wahrhaftig. Das sollte keine Überraschung für dich sein und trotzdem bricht es dir dein Herz ein kleines bisschen mehr.
Damals hast du zu den ganz wenigen Menschen gehört, denen Ryuga blindlings vertraut hat und dieses Privileg beruhte auf Gegenseitigkeit. Nun ist nichts mehr davon übrig, nicht einmal ein winziger Funken und nichts als Misstrauen besteht zwischen euch.
„Vertrauen war noch nie deine Stärke." Arrogant reckst du dein Kinn und bohrst unauffällig deine Nägel in die Haut, damit deine Stimme stark und überzeugend bleibt.
Du darfst keine Schwäche zeigen und Vorwürfe, die zu lodernden Diskussionen führen, erweisen sich als eine gute Taktik dagegen.
„Deine auch nicht." Unbeeindruckt schnaubt Ryuga auf. „Nenne mir eine Person, der du zu einhundert Prozent vertraust."
Vor ein paar Tagen hätte deine Antwort keine Sekunden auf sich warten lassen, jetzt musst du allerdings eine Weile überlegen. Seine Forderung gestaltet sich nach den aktuellen Ereignissen als äußerst schwierig, denn natürlich sind all die Lügen nicht spurlos an dir vorbeigegangen und fordern nach wie vor ihren Tribut. Selten waren deine Vorbehalte und dein Argwohn derart ausgeprägt.
Wenn der eigene Vater einem Ewigkeiten etwas vorspielt und verschweigt, wer ist dann wirklich ehrlich? Jeder hat seine Geheimnisse und eine dunkle Seite, auch du, prinzipiell könnte jeder einen verraten und einem in den Rücken fallen – vielleicht ist das nur eine Frage der Zeit.
Trotzdem ist es das Risiko wert, nur weil dich eine Person enttäuscht hat, bedeutet das nicht, dass alle anderen das ebenfalls tun werden. Nicht jeder ist wie Seishin und es wäre eine Schande, wegen solchen Menschen alles und jeden anzuzweifeln, dann hätte Doji gewonnen.
Deine Freundschaften und sämtliche Bindungen, die du in deinem Leben jemals eingegangen bist – egal ob platonisch oder romantisch – haben dich zu derjenigen gemacht, die du heute bist. Darauf würdest du nicht verzichten wollen.
Ohne manche Begegnungen wärst du niemals eine derart starke Bladerin geworden und für immer das kleine schwache Mädchen geblieben, für das du mittlerweile nichts als Abscheu empfindest. Inzwischen bist du stark genug, um es mit ein paar Kratzern wegzustecken, sollte dir jemand wehtun.
Ryuga und Doji sind das beste Beispiel, was passiert, sollte man niemandem mehr vertrauen und du willst niemals wie einer von ihnen enden. Sie wissen gar nicht, was sie verpassen.
Gingka hat dir erst heute gezeigt, wie wichtig es ist, Leute zu haben, auf die man sich blind verlassen kann und die einen vor der Dunkelheit retten, die einen umgibt.
„Ryuto", erwiderst du langsam und suchst seinen Blick, ehe du gleich einen weiteren Namen hinzufügst, „und Gingka. Ich vertraue beiden blind."
„Natürlich. Warum wundert mich das nicht?" Abfällig verdreht Ryuga die Augen und Abneigung funkelt in seinen goldenen Iriden auf. „Und Seishin? Vertraust du deinem eigenen Vater etwa nicht?" Sein Tonfall ändert sich abrupt und er spannt seinen Körper unmerklich an.
Er weiß es, das ist nicht zu überhören. Du hast wiederum keinen blassen Schimmer, ob er mit seiner Frage Salz in die offene Wunde streuen will oder es ihn nur interessiert, ob du ihm die Wahrheit erzählen würdest. Vielleicht ist auch beides der Fall.
Seishin war früher wie ein Onkel für Ryuga, obwohl er es sicherlich nie zugeben würde, muss ihn die Nachricht schockiert und zumindest etwas verletzt haben. Ausnahmsweise sitzt ihr in demselben Boot, deshalb nimmst du das nicht persönlich und hältst deine aufkommende Wut zurück.
„Nein und ich bin mir sicher, dass ich dich nicht darüber aufklären muss, warum. Bis vorgestern hatte ich keine Ahnung, was er getan hatte, sonst hätte ich etwas unternommen."
Ein kaltes Lachen seitens Ryuga, das dir eine Gänsehaut bereitet, unterbricht dich. „Was hättest du denn unternehmen wollen? Wärst du wieder feige abgehauen?"
Die Anspielung ist offensichtlich und du kannst sie ihm nicht verübeln. Als du ihn das letzte Mal in dieser einen Nacht gesehen hast, hast du ihn im Stich gelassen, natürlich ist er deshalb sauer auf dich, das wärst du in seiner Situation auch.
Aber du hattest keine Angst vor Doji – das ist das Problem, ansonsten hättest du immerhin Hilfe gerufen – sondern dir war einfach kalt und du wolltest dir eine Jacke holen. Das macht es nicht besser und dich nicht weniger schuldig.
Ryuga hatte dir vertraut und musste den Preis für dein Versagen und seinen Irrtum zahlen, er hätte niemals auf dich zählen dürfen.
„Es tut mir ehrlich leid, Ryuga." Eine Entschuldigung ändert nichts und macht nichts wiedergut, dennoch fühlt es sich befreiend an, ihm das endlich sagen zu können. „Ich hätte dich nicht mit Doji allein lassen dürfen und es gibt nichts, das mein damals dämliches Verhalten entschuldigt."
Mit einer harschen Handbewegung winkt Ryuga ab und streicht fast sanft über den Holster an seinem Arm, in dem er seinen Beyblade aufbewahrt. „Du hast mir damit einen Gefallen getan. Das Dorf hat mich zurückgehalten, ich hätte dort niemals so stark werden können. Etwas Besseres hätte mir nicht passieren können."
Sein Blick bereitet dir Sorge, er wirkt wie besessen und sein Hunger nach Macht steht ihm ins Gesicht geschrieben. In dem Moment verliert er das letzte Bisschen, das dich an deinen ehemaligen Kindheitsfreund und an Ryuto erinnert.
Sie sind wie Tag und Nacht und könnten beinahe nicht unterschiedlicher sein. Trotz allem, was er erlebt hat, strahlt Ryuto Wärme und Lebensfreude aus und ist ein Optimist geblieben. Ryuga bildet das komplette Gegenteil, eine unheimliche Dunkelheit umschließt ihn förmlich, die seinen Verstand scheinbar vernebelt. LDragos Einfluss ist nicht mehr zu bestreiten.
„War es das wert?" Die Worte verlassen deinen Mund, ohne dass du es bemerkst, bevor es zu spät ist und du sie nicht mehr zurücknehmen kannst.
Das Grinsen, das sich auf seine Lippen stiehlt, ist noch kühler und lässt förmlich dein Blut in deinen Adern gefrieren. „Ja. Ich würde alles wieder tun."
Zum allerersten Mal fürchtest du ihn und würdest am liebsten noch mehr Abstand zwischen euch bringen. Er ist verrückt.
Als er den verbotenen Bey entwendet hat, ist jemand ums Leben gekommen und er würde wieder gleich handeln, obwohl er den Ausgang kennt. Das ist krank und macht ihn unglaublich gefährlich. Kann LDrago einen solchen Sinneswandel herbeirufen oder ist der alte Ryuga längst verloren?
„Ryo hat bekommen, was er verdient hat und musste für seine Schwäche bezahlen. Er war schwach und sein Sohn ist es ebenfalls." Ryuga scheint deine Gedanken zu lesen und stößt sich langsam von der Wand ab. „Wie der Vater, so der Sohn."
Trotz deiner Furcht erhebst du dich schlagartig und kommst ihm entgegen. „Ausnahmen bestätigen die Regel", zischst du förmlich und Gift liegt in deiner Stimme, „Dein Vater ist kein arrogantes und egozentrisches Arschloch, das besessen nach Macht ist, die ihm nicht einmal gehört."
Deine guten Vorsätze sind vergessen, nichts hält dich mehr zurück, ihm sämtliche Beleidigungen und Vorwürfe an den Kopf zu werfen, die du viel zu lange in dich hineingefressen hast.
Einst hatte er alles, ein geborgenes Zuhause, eine liebevolle Familie, den besten Bruder der Welt, großartige Freunde und eine beste Freundin, die für ihn durchs Feuer gegangen wäre und nun alles daransetzt, ihn irgendwie zurückzuholen. Für ein bisschen Kraft hat er das alles aufgegeben und erkennt seinen Verlust nicht einmal, er hat nichts gewonnen, sondern fast alles verloren.
Sollte er so weitermachen, bleibt am Ende nichts mehr von seinem alten Leben übrig.
Eventuell wäre es für alle Beteiligten das Beste gewesen, wenn er niemals wiederaufgetaucht wäre. Keine deiner Vorstellungen waren so schrecklich wie die Realität.
Ihm jetzt gegenüberzustehen und diese Seite an ihm zu sehen, zerstört deine letzten Hoffnungen und alles, an das du geglaubt hast.
Ryuga muss das Handwerk gelegt werden, vorher wird er nicht aufhören und die ganze Welt in Finsternis tauchen. LDrago darf nicht noch mehr Energie aufnehmen, irgendwann wäre er unaufhaltsam und das darf nicht geschehen.
Entschlossenheit blitzt in deinen Augen auf. „Ich kenne Ryo nicht, aber ich kenne Gingka und er ist nicht schwach. Er ist die stärkste Person, die mir je begegnet ist und er wird dich besiegen!"
Dir ist klar, dass du gegen Ryuga keine Chance hast und es fernab deiner Möglichkeiten liegt, gegen ihn zu gewinnen. Dafür bist du nicht talentiert genug und ihm zu ähnlich.
Ganz zu deiner Überraschung verübt Ryuga keinen Mordanschlag auf dich und bleibt von deinen Kommentaren unbeeindruckt, mehr als ein Hochziehen der Augenbrauen kannst du ihm nicht entlocken.
„Dein lieber Gingka hat dir wohl nicht von unserem letzten Kampf erzählt: Er hat haushoch verloren und LDrago mit seiner Wut und seinem Hass genährt. Du solltest also nicht auf ihn setzen", erklärt Ryuga vollkommen neutral und nur sein Ausdruck lässt auf seine Erheiterung schließen.
Natürlich gefällt es ihm, an ihr Match zurückzudenken und sich an Gingkas Leid zu erfreuen. Du kannst dir gut vorstellen, wie es abgelaufen ist und es vom ganzen Herzen nachvollziehen.
Gerade löst Ryuga nichts als Zorn, Unglaube und eine Spur Mitleid für ihn aus und hätte er deinem Vater so etwas angetan, wärst du komplett ausgetickt und Ryuga würde dir sicherlich nicht mehr gegenüberstehen.
Zum Glück ist Gingka nicht wie du und hat aus seinen Fehlern gelernt. Nächstes Mal wird er siegen, davon bist du felsenfest überzeugt.
„Was ist mit dir?" Abfällig mustert er dich als wärst du nicht mehr als Dreck an seinen Schuhen wert. „Schwingst große Reden über Gingka und unternimmst selbst wieder nichts. Das ist typisch für dich, du hast dich kein bisschen verändert."
Er will dich damit provozierten und es gelingt ihm ausgezeichnet. Angespannt presst du die Lippen zusammen und versuchst, dein Temperament zu zügeln. „Ich bin hier, oder? Das würde ich nicht Nichtstun nennen und glaub mir, ich habe mich verändert."
Früher hättest du nicht den Drang gehabt, ihm an die Kehle zu springen und ihm endlich Vernunft einzuprügeln. Selbstverständlich ist ihm nicht bewusst, was Doji und er für einen Schaden bei jedem von euch angerichtet haben und er denkt bestimmt, dass es Ryuto und seinen Eltern bestens gehen würde.
„Ach ja? Davon bemerke ich nichts." Ryuga geht einen großen Schritt auf dich zu und wendet seinen durchdringenden Blick nicht von dir ab. „Du bist genauso naiv und dämlich wie früher und ich kann nicht verstehen, warum Doji ausgerechnet jemand Schwaches wie dich in seiner Organisation haben will."
„Nein, das bin ich nicht." Bemüht ruhig atmest du einmal tief ein und aus und stemmst danach die Hände in die Hüfte. „Wie willst du das überhaupt beurteilen? Es ist Jahre her, dass wir uns gesehen haben." Deine Mundwinkel heben sich zu einem frechen Lächeln. „Du bist wohl derjenige, der dämlich ist."
„Vorsicht!", knurrt Ryuga leise und verengt die Augen. „Überspann den Bogen nicht! Du könntest jederzeit Futter für LDrago werden."
Innerhalb weniger Sekunden hat er seinen Launcher und seinen Bey gezogen und richtet ihn auf dich, während ein violettes Kraftfeld ihn umgibt. Deine Hand wandert zwar ebenfalls zu deiner Ausrüstung, allerdings machst du dich nicht kampfbereit.
„Möchtest du hier wirklich ein Beybattle starten, damit wir von der Decke erschlagen werden?" Mit deiner freien Hand deutest du nach oben und schüttelst leicht den Kopf, dass dir zwei Haarsträhnen, die sich aus deinem Zopf gelöst haben, ins Gesicht fallen. „Tut mir leid, ich passe, denn ich hänge an meinem Leben."
„Würdest du an deinem Leben hängen, wärst du nicht hier." Ryuga überbrückt den Großteil der zwischen euch herrschenden Distanz und streicht dir die beiden Strähnen zurück – die sonst liebevolle Geste wirkt bei ihm einschüchternd und bedrohlich, genauso wie sein Tonfall. „Egal, was du vorhast, du wirst als Futter für LDrago dienen." Er beugt sich weiter vor und sein Atem streift dein Ohr. „Und ich freue mich schon darauf."
„Das werden wir sehen", antwortest du ihm selbstbewusst und straffst die Schultern.
Diesmal kostet es dich viel Überwindung, ihn direkt anzuschauen und nicht zurückzuweichen. Das ist kein Spiel mehr, sondern bitterer Ernst und es könnte böse für dich enden.
Hättest du nicht irgendeinen Nutzen für Doji, wärst du längst nicht mehr hier und nachdem du ihn erfüllt hast, hält ihn nichts mehr davon ab, dich aus dem Weg zu räumen.
Just in dem Moment ziehst du die richtigen Schlüsse und dir fällt der Zusammenhang zu Battle Blader auf: Doji will die stärksten Blader an einem Ort versammeln und ihre Kräfte steigern, damit LDrago ihre Energie aufsaugen kann und zu dem mächtigsten Beyblade wird. Das ist ihr Plan und er ist leider alles andere als dumm und schlecht durchdacht.
Ausgerechnet deine Rolle in dem Ganzen will sich dir weiterhin nicht erschließen und du befürchtest, dass nur Doji dir die Antworten geben kann, die du suchst.
Vision Hippogryph pulsiert bestätigend und beinahe kommt es dir so vor, als würde er dich daran erinnern wollen, dass es mit euch beiden zusammenhängt. Nicht umsonst hat Doji dir genau diesen Bey gegeben und du musst den Grund herausfinden.
Es gibt vieles, das du Ryuga gerne noch sagen würdest, aber das bringt dich gerade nicht weiter und du wirst genügend andere Gelegenheiten dazu erhalten. Ein paar Tage machen nach all den Jahren keinen Unterschied, so lange kannst du warten und dir in Ruhe überlegen, was du davon lieber für dich behalten solltest.
Ein paar Beleidigungen musst du irgendwann auf jeden Fall noch loswerden.
Möglichst lässig trittst du gemächlich zurück und wendest ihm den Rücken zu. „Da es zwischen uns ja angeblich nichts zu bereden gibt, entschuldige mich, ich habe Wichtigeres zu tun."
Dass du dir den Code gemerkt hast, erweist sich direkt als nützlich, denn du kannst deshalb ohne Ryugas Hilfe die verschlossene Tür der Zelle öffnen.
Bevor du auf den Gang hinausgehst, drehst du dich zu Ryuga um. „Ryuto und deinen Eltern geht es übrigens gut und sie kommen irgendwie klar, obwohl die aktuellen Ereignisse sie schockiert haben."
„Als würde mich das interessieren." Für den Hauch einer Sekunde kannst du die Lüge und einen Anflug von Erleichterung in seinen Augen erkennen – vielleicht ist doch noch nicht alles verloren.
Eine letzte Bemerkung kannst du dir nicht verkneifen: „Du hast sie nicht verdient, trotzdem würden sie dich jederzeit mit offenen Armen empfangen und sich freuen, dass du wieder zurück wärst." Deinen Zopf zurückwerfend, verlässt du den Raum und schlägst den Weg in die entgegengesetzte Richtung ein, aus der ihr gekommen seid.
Eventuell haben deine Worte Ryuga tatsächlich getroffen. Wäre ihm alles egal, wie er behauptet, hätte er anders reagiert. Das zeigt, dass es zu früh dazu ist, die Hoffnung endgültig aufzugeben. Er muss rechtzeitig aus dem Einfluss von LDrago befreit werden, das ist die einzige Chance, ihn und die ganze Welt zu retten.
Um den Gedanken zu vertreiben, beißt du dir leicht auf die Zunge, Druck kannst du nicht gebrauchen, die Last trägst du nicht allein und es ist noch lange nichts entschieden.
Ausnahmsweise musst du auf deinen Optimus und auf deine sowie auf die Fähigkeiten von Gingka und den anderen vertrauen. Eins nach dem anderen, ihr habt gerade erst angefangen.
„Merci?", fragst du in die Stille hinein und blickst in eine der vielen Kameras.
Tsubasa hat dir im Hubschrauber von ihm erzählt und bevor du orientierungslos durch die Flure der Dark Nebula läufst und dich womöglich verirrst, wendest du dich lieber an die künstliche Intelligenz.
„Bonjour, Madame Asuka¹."
Es verwundert dich nicht, dass er deinen Namen kennt – schließlich beschafft er überwiegend sämtliche Informationen für Doji und du bist für ihn kein unbeschriebenes Blatt – dafür irritiert dich allerdings der französische Akzent, die Anrede und dass du deinen Gesprächspartner nicht sehen kannst.
„Kannst du mir bitte den Weg zu Dojis Büro nennen?" Verlegen kratzt du dich am Hinterkopf, du kommst dir komisch vor, mit einer Maschine zu reden und es ist dir irgendwie unangenehm.
„Oui!"
Bevor Merci fortfahren kann, fällt ihm jemand ins Wort: „Ich übernehme das, Merci."
Aus dem Nichts taucht Tsubasa neben dir auf und du zuckst minimal zusammen. Wo zu Hölle kommt er denn plötzlich her und warum besitzt jeder geheime Ninjafähigkeiten außer dir?
Er ist in eine völlig andere Richtung abgebogen und deine Unterhaltung mit Ryuga kann nicht allzu lange gedauert haben. Sicherlich ist es kein Zufall, dass er zur rechten Zeit am rechten Ort ist.
Argwöhnisch musterst du ihn von oben bis unten. Was hat er zu verbergen und was sind seine Motive? Wollte er Informationen einholen und euch belauschen oder will er dich nun über eure tolle Wiedersehensfeier ausquetschen?
Tsubasa ist ein Mysterium, aus dem du nicht schlau wirst.
Er bemerkt deinen Blick, kommentiert ihn jedoch nicht weiter und nimmt mit einem knappen Nicken Mercis „Merci beaucoup" zur Kenntnis. Danach deutet er mit seinem Kopf nach links. „Hier entlang."
Schweigend folgst du ihm und starrst ihm dabei förmlich Löcher in den Rücken, deine Manieren passen sich langsam denen der anderen Mitglieder der Dark Nebula an. Dein kürzlich gescheiterter Versuch hat dich vorsichtiger werden lassen und du weißt nicht, wie du ihm irgendetwas entlocken könntest.
Aus reiner Nächstenliebe würde er dir definitiv nichts verraten und er wirkt nicht wie derjenige, der schnell und blind jemanden, der ihm fast fremd ist, vertraut. Das kannst du absolut nachvollziehen.
Leise seufzend, bleibt Tsubasa unerwartet stehen, so dass du beinahe in ihn hineinrennst. „Doji wartet schon", erklärt er sein Verhalten, wobei sich dir der Zusammenhang noch nicht erschließt, „nach eurem Treffen werde ich dich zu deinem Zimmer führen und dann kannst du mir gerne die Fragen stellen, die dir auf dem Herzen liegen."
Als wäre nichts gewesen setzt sich Tsubasa wieder in Bewegung und du schließt eilig zu ihm auf, während du aus Erfahrung den Haken bei dem Angebot suchst, sein Sinneswandel ergibt keinen Sinn. „Wirst du sie mir diesmal denn beantworten?"
Minimal heben sich Tsubasas Mundwinkel zu einem leichten Lächeln. „Vielleicht."
Du probierst gar nicht erst, dir das Augendrehen zu verkneifen und murmelst „Sehr hilfreich" leise vor dich hin. Bei dem, was Tsubasa dir bis jetzt offenbart hat – nämlich nichts weiter als seinen Namen und gelogene Ziele – hast du das Gefühl, dass du am Ende des Tages nicht klüger werden wirst.
Dennoch hast du später sowieso nichts Besseres zu tun, also legst du keinen Widerspruch ein und begleitest ihn stumm durch die wirren Gänge.
Keine drei Minuten später hält Tsubasa erneut an, diesmal vor einer Tür und deutlich weniger plötzlich. „Wir sind da", teilt er dir das Offensichtliche mit, ehe er höflich klopft und geduldig Dojis „Herein" abwartet.
Aus Prinzip wärst du eigentlich möglichst laut unangekündigt in Dojis Büro geplatzt, musst nun aber mit Tsubasas manierlicher Methode leben. Die Situation bestätigt dir, dass es wirklich gar nicht so schlecht ist, andere um sich herum zu haben, eventuell kann er dich von ein paar Dummheiten abhalten, die du sonst begehen würdest.
Als ihr hineintretet, sitzt Doji entspannt auf seinen Stuhl vor einem Schreibtisch und hält einen winzigen Kaktus in der Hand, den er fasziniert betrachtet als wäre er etwas ganz Besonderes und äußerst wertvoll.
Anscheinend ist er noch verrückter als du angenommen hast und die Idee, ihn mit einem größeren Exemplar zu erschlagen schleicht sich in deine Gedanken. Nur knapp kannst du bei der Vorstellung ein fieses Grinsen zurückhalten.
Schließlich trennt Doji sich von seinem geliebten Kaktus und schenkt euch seine ungeteilte Aufmerksamkeit. „Nehmt Platz." Er gestikuliert zu den hellbraunen Ledersesseln, die nicht weit von ihm entfernt stehen.
In dem Moment wird dir eines glasklar: Du kannst nicht mehr zurück, entweder ihr könnt die Dark Nebula aufhalten oder du endest als Futter für LDrago und kannst Ryuto nicht mehr beschützen.
Es ist soweit: Das Spiel beginnt.
Unmerklich schluckst du und knetest nervös deine Hände, während du dich bemüht lässig neben Tsubasa auf die Couch setzt. Der Augenblick könnte kaum unpassender sein, dass dir der Ernst der Lage bewusst wird.
Doji darf nicht merken, dass du dich fürchtest und du musst deine Panik besiegen, sonst hast du keine Chance.
Bisher hast du die Tatsache, welche Konsequenzen ein Scheitern für dich und andere haben könnte, getrost ignoriert und jetzt holt sie dich ein. Längst geht es nicht mehr nur um Ryuga, Doji, Gingka und dich, viele andere zählen ebenfalls zu den Leidtragenden und im schlimmsten Fall könnte die ganze Welt betroffen sein.
Irgendwann wird LDrago nicht mehr aufzuhalten sein, dann ist es vorbei.
Ryuto könnte erneut eine geliebte Person verlieren und du bezweifelst stark, dass er sich davon erholen könnte. Dasselbe gilt für Gingka, seine Freunde sind auch angezählt und Doji wird keine Gnade walten lassen – die Bedeutung von dem Wort kennt er wahrscheinlich nicht einmal.
Wie wollt ihr dem Ganzen ein Ende bereiten? Bis Battle Blader bleibt nicht mehr viel Zeit.
„Ihr seid spät", unterbricht Doji dein Selbstmitleid und deine Sorgen und sieht tadelnd Tsubasa an, „Was hat euch aufgehalten?"
Die Ablenkung kommt dir sehr gelegen, es ist deutlich einfacher, dich auf deine Wut auf Doji zu konzentrieren. Dieses Gefühl hast du besser unter Kontrolle und es raubt dir nicht beinahe den Atem.
Abweisend verschränkst du die Arme vor der Brust. „Die Frage müsste eher lauten: Wer hat euch aufgehalten?"
Ein Schatten legt sich auf Dojis Gesicht, natürlich weiß er sogleich, wer gemeint ist. „Ryuga." Wieder landet sein Blick auf Tsubasa und dir gefällt der verärgerte Ausdruck in seinen Augen nicht. „Habe ich nicht explizit verlangt, dass du ihn nicht mit ihr reden lässt?"
Schnell antwortest du an Tsubasas Stelle: „Das hat Tsubasa ihm auch gesagt, aber du kennst Ryuga, Doji, als ob ihn das interessiert hat. Als er dann einen Beykampf anfangen wollte, bin ich zur Deeskalation mit Ryuga mitgegangen. Tsubasa trägt also keinerlei Schuld."
Es ist dir äußerst wichtig, dass Tsubasa deinetwegen keine Probleme bekommt. Doji kann sehr ungemütlich werden und das wünschst du keinem – erst recht nicht ihm, der nichts Falsches getan hat.
Da du ihn einfach übergangen hast und ihn dies sicherlich nicht erfreut, formst du still eine Entschuldigung mit den Lippen, bevor du dich wieder Doji zuwendest. Jener zieht skeptisch die Brauen zusammen und rückt nachdenklich seine Brille zurecht, aber der Unmut ist verschwunden, das ist ein Anfang.
„Gibt es irgendetwas, das du mir über euer Gespräch berichten möchtest?" Sein „Möchtest" ist ein schlechter Witz, als hättest du eine Wahl.
„Nicht wirklich." Kühl lachst du auf und lehnst dich etwas zurück, die Arme auf der Lehne abgestützt. „Keiner von uns hat versucht, den anderen umzubringen, das ist ein Fortschritt. Vielleicht lag das aber auch daran, dass kein Dach in der Nähe war." Humor ist eine effektive Taktik, um vom Thema und von dir abzulenken.
Da Tsubasa gestern nicht im ehemaligen Hauptquartier anwesend war, versteht er die Anspielung nicht und wirkt fast ein bisschen schockiert. Doji lässt sie unkommentiert und verzieht keine Miene.
„Na gut." Die Sonne spiegelt sich in Dojis Gläsern und verbirgt das gefährliche Funkeln in seinen Augen. „Asuka, bevor ich dich endgültig einstelle, möchte ich erst deine Fähigkeiten überprüfen. Dein letzter Kampf ist lange her, nicht dass du aus der Übung geraten bist."
Erschreckenderweise stimmt das, dein letztes Beymatch hast du vor deinem Besuch in Koma Village ausgetragen, das ist nun mehrere Wochen her. Bei all dem Stress hat sich dir keine passende Gelegenheit aufgetan und du hättest bei dem Chaos in deinen Kopf wohl so oder so eine Niederlage erlitten.
Nun ist es endlich wieder an der Zeit, das Beybladen zu genießen und deine Kraft zu präsentieren.
„Gerne." Selbstbewusst grinsend, holst du Vision Hippogryph heraus und streichst vorsichtig über das zerkratzte Face. Stolz hältst du ihn Doji daraufhin fast vor die Nase. „Wir sind jederzeit bereit."෴♕෴
¹ Ich bin kein Freund von (y/n) oder so etwas in der Art, deswegen hab ich nun den Namen Asuka gewählt. Ohne Namen funktioniert es einfach nicht, aber ich werde ihn nicht zu häufig benutzen.
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Kindheitsträume - I. Versprochen ist versprochen
Hayran KurguDu kennst Ryuga gefühlt, seit du denken kannst und dennoch kommt es dir so vor, als würde ein Fremder und nicht dein ehemaliger Kindheitsfreund vor dir stehen. Was ist aus dem kleinen Jungen geworden, der dir einst das Versprechen gegeben hat, dass...