22. Ein Fehler

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Dir haben sich zahlreiche Möglichkeiten geboten, zu gehen und du hast keine einzige wahrgenommen oder gar in Erwägung gezogen. Wahrscheinlich wäre es das Klügste gewesen, abzuhauen und dennoch denkst du auch jetzt nicht daran. 
Dafür ist es viel zu spät, du bist mitten in den Geschehnissen und wirst keinen Rückzieher machen. Bald steht Mercis monatliches Update an und dann habt ihr die benötigten Daten.

Heute hat dir erneut bewiesen, dass LDrago Einhalt geboten werden muss und wie gefährlich der Bey ist. Nun, wo Ryuga den Bey wieder weggesteckt und die dunkle Aura ihn verlassen hat, verhält er sich anders – ein bisschen mehr wie er selbst und etwas weniger größenwahnsinnig sowie machthungrig. 
Tag für Tag wird LDrago weiterhin seine Gedanken vergiften, bis er irgendwann die Kontrolle übernimmt und vor diesem Moment fürchtest du dich wahrhaftig. Niemals darf es soweit kommen.

Ryuga setzt sich mit etwas Abstand neben dich und betrachtet gegenteilig von dir nicht die Sterne, sondern dich. „Warum nutzt du dann nicht Hippogryphs volle Stärke?", fragt er zum dritten Mal nach.

Anscheinend interessiert ihn die Antwort tatsächlich, sonst würde er nicht mehrmals nachhaken. Das hat verschiedene Gründe, manche möchtest du aber bewusst nicht nennen. 
Leider hast du Hippogryphs volles Potential noch nicht komplett entfaltet und lernst mit jedem Kampf dazu. Zusätzlich möchtest du gar nicht, dass jeder eure Tricks kennt, da das ein großer Nachteil bei einem Match sein könnte. Unterschätzt zu werden, kann sich als nützlich erweisen.

Endlich lässt du das Gras in Frieden und schielst zu Ryuga herüber. „Es gab bisher keinen Grund dafür. Ich muss mit meiner Stärke nicht angeben, sondern führe sie lieber erst in einem Beybattle vor, sollte ich sie benötigen. Wäre doch langweilig, wenn ich keine Überraschung parat hätte." Deine letzte Aussage wird von einem schwachen Grinsen begleitet.

Ryugas gemurmeltes „Die hast du eindeutig parat" kannst du kaum verstehen und du bist dir nicht sicher, ob du seine Worte richtig gehört hast.

Gerade als du dich versichern und deinen Kopf in seine Richtung drehen willst, endeckst du eine helle Sternschnuppe und die nächste folgt sogleich. Gleichermaßen irritiert und fasziniert bleibt dein Blick am dunklen Himmel hängen.

„Ich wusste nicht, dass für heute ein Meteorschauer angesagt wurde."

Bei all dem Stress hast du ganz vergessen, dass die Hauptzeit der Cygniden gegen Mitte Juli beginnt und bis zu 150 Sternschnuppen pro Stunde in der Nähe des Sternbildes Schwan sichtbar sind – daher auch der Name. 

Das Timing ist erschreckend, vor genau fünf Jahren hast du dich heimlich herausgeschlichen und das Gespräch von Seishin und Doji mitbekommen. Die Cygniden waren der letzte Sternschnuppenregen, den ihr euch zusammen angeguckt habt, kurz danach ist Ryuga verschwunden.

Obwohl viel Zeit vergangen ist, kannst du dich detailliert an die Szene erinnern und sie spielt sich erneut in deinem Kopf ab. 

„Da bist du ja endlich", empfängt Ryuga dich, nachdem du deutlich später als abgemacht an eurem Stammplatz ankommst.

Er hat es sich schon im Gras gemütlich gemacht, eine Decke liegt auf seinen Beinen und er hält ein Sandwich in der Hand. Neben ihm befinden sich auf einem Teller zwei weitere und zwei Wasserflaschen stehen dahinter. Anscheinend hat er vor, länger zu bleiben.

„Tut mir leid. Mein Vater war wach und ich hatte Probleme, mich rauszuschleichen."

Du erwähnst die Unterhaltung von Seishin und Doji gar nicht erst, da du ihr keiner großen Bedeutung beimisst und nichts von dem Gespräch gehört hast – im Nachhinein ein großer Fehler von dir. Vielleicht wäre die ganze Geschichte dann anders ausgegangen.

Kindheitsträume - I. Versprochen ist versprochenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt