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Während des Feuerwerks hören wir nur das knallen und die fernen bewunderten Ausrufe der anderen zusehenden. Ich kann mich ein wenig in den grellen Farben verlieren und meine Gedanken sind frei. Kein Zwang. Kein Problem. Keine Sorge. Einfach nur... nichts. Bei jedem neuen Knall explodiert eine neue Rakete und hüllt den Himmel kurzzeitig in gleißendes Licht, ehe es wieder dunkel wird. Plötzlich spüre ich, wie mir etwas um die Schultern gelegt wird und ich zucke zusammen. Reisse meinen Kopf auf die Seite und starre Alucard an, der sich wieder aufrichtet und in den Himmel blickt. "Du hattest Gänsehaut." meint er nur.

Ich blinzele ein paar mal und merke erst dann, dass mir wirklich kalt ist. Der Mantel liegt unten im Wohnzimmer. "Danke." erwiedere ich leise und ziehe seinen Mantel enger um mich. Der alte ist doch... ich weiß nicht. Nett ist jetzt schon irgendwie zu wenig! Beschützerisch? Nachsichtig? Ja... das ist es wohl... Meine Mundwinkel gehen nach oben und ich sehe ebenfalls wieder zu den Raketen. Wo vorher allerdings die reinste Farbenpracht erblühte, erinnern nur noch einzelne Raketen und bunte Lichter an das Feuerwerk. "Schade... Es ist schon vorbei." murmle ich und meine Mundwinkel gehen wieder nach unten. Ich hätte die ganze Nacht zusehen können.

"Wir sollten uns schlafen legen. Morgen ist auch noch ein Tag." Alucard erhebt nicht nur seine Stimme, sondern auch seinen Körper und hält mir seine Hand hin, die ich dankend annehme um aufzustehen. "Manchmal beneide ich einen reinen Vampir um seinen Körper..." brumme ich und ziehe den Mantel noch einmal enger um mich. "Du spürst wenigstens keine kälte und wirst nicht krank. Kein Schnupfen und so ein scheiß." Doch Alucard's Miene verändert sich nicht. "Dafür spüren wir aber auch keine wärme." Wow. DAS zieht jetzt runter. Kurz denke ich nach, ehe ich mich spontan für einen theoretischen Tod entscheide.

Ich breite meine Arme aus und umarme ihn von hinten. Der Mantel fällt auf den Boden und Alucard bleibt abrupt stehen. "Und was soll das, wenn es fertig ist?" brummt er und ich schlucke, ehe ich antworte. "Also spürst du es." flüstere ich und lasse ihn umdrehen. Dann lege ich mein Kinn an seine Brust und sehe zu ihm hoch. "Was soll ich spüren? Ich spüre, dass du wieder SO bei kräften bist, um mir auf meine Nerven zu gehen." knurrt er, zeigt aber keine Anzeichen von Witz oder Sarkasmus. Ich lasse ihn los. Trete einen Schritt zurück und meine Augen werden klein. "Wow..." sage ich und schnaube.

Wieder trete ich einen Schritt zurück und hebe dann die Hände. "Danke. Das... Das tat jetzt gerade irgendwie weh." Meine Zähne mahlen aufeinander und ich hebe den Mantel auf. "Hier. Spürst zwar nichts, aber ich mach mir sonst trotzdem sorgen." Meine Stimme ist monoton und ich gehe zum Rand des Daches. Ohne ihn anzusehen, bleibe ich kurz stehen. "Ich... werde mich hier noch ein wenig umsehen. Mit Waffen. Warte nicht auf mich. Wenn du überhaupt auf mich warten würdest. Falls die Organisation anruft, hinterlass mir einen Zettel. Sprich nicht mit mir über die Gedanken." Eingeschnappt? Nein... verletzt.

Ohne weiter zu zögern springe ich vom Dach und gehe beim landen in die Knie, ehe ich mich abrolle und dann aufstehe. Ich drehe mich um und sehe ein letztes mal hoch auf das Dach. Alucard beobachtet mich von oben, sagt und tut aber nichts. Ich senke meinen Blick und hole mir aus dem Wohnzimmer meinen Mantel mit den Waffen, aus den Kartons zwei Blutbeutel, meine Augenklappe die ich mir umbinde und ein paar Lolli's und verschwinde durch die Vordertüre, um nicht noch einmal unter seine Augen zu treten. Ich spüre nicht einmal, dass Alucard sich versucht in meinen Gedanken einzunisten. Wenigstens hält er sich daran.

Die Blutkonserven verstaue ich in der Jacke und umgreife meinen Geldbeutel mit der Karte, mit der ich ein wenig Geld herunter holen kann. Die Straße ist kalt, einsam und das dunkle schwarz der Nacht wird nur durch die Straßenlaternen unterbrochen. Der Wind pfeift durch die dunkelheit und zerrt an meinen Haaren. Diese wollte ich eigentlich wieder schneiden lassen, aber dazu bin ich nicht gekommen. Also gehen sie mir jetzt schon über meine Ohren und werden ein wenig herum gewirbelt. Aber groß stören tun sie nicht. Wieder sehe ich in die Sterne. Jetzt bin ich frei. Aber auch allein.

Ich mache mich weiter auf den Weg einen Ort zu finden, der wahrscheinlich gar nicht existiert. Ein Ort, an dem ich meine ruhe habe. Ein Ort, an dem mich Alucard nicht finden wird und an dem ich mich trotzdem wohl fühlen kann. Ich brauche meinen Abstand. Je mehr ich über das passierte nachdenke, desto mehr verletzt es mich. Desto tiefer graben sich die Selbstzweifel und desto größer ist der Schmerz. Der Kerl geht mir einfach zu nahe. Er ist in einen Bereich vorgedrungen, den ich selbst noch nicht einmal erforschen konnte. Weil ich selbst zu viel Angst davor hatte! Und immer noch habe.

Ich schnaube. Was bringt es mir? Was bringt es mir, jemandem nahe zu sein? Sie verletzen einen nur. Das merke ich immer wieder. Bis auf meine Familie! Aber die ist schon seit langer, langer Zeit Tod. Meine Augen beginnen zu brennen und ich spüre, wie sich Tränen bilden und an meinen Wangen hinunterlaufen. Irgendwann fallen diese salzigen Tropfen dann auf den Boden und verbleiben als kleine Flecken auf dem dunklen Asphaltboden. Legen eine Spur der enttäuschung, wut, trauer und verletztheit. Einsamkeit mischt sich ebenfalls darunter und Selbstzweifel machen sich auch immer breiter. Wofür brauche ich Hellsing... Wofür brauche ich so etwas wie Familie, wenn mich eh alles verletzt?

Mit einer erkenntniss bleibe ich unter einer der Laternen stehen. Ich brauche Hellsing nicht. Hellsing braucht MICH! Mit einer zitternden Hand hole ich meinen Geldbeutel heraus und ziehe die Karte in das Licht der Straßenlampe. Mein Gesicht wird ausdruckslos und ich stecke die Karte wieder zurück in das Fach, aus dem ich sie geholt habe. Dann hole ich eines der Messer mit dem Hellsingsymbol raus und besehe mir die Klinge. Das einzige was mir über die Lippen kommt, ist ein: "Es tut mir leid, Walter.", ehe ich den Geldbeutel an den Stempen der Straßenlaterne halte, mit voller Kraft das Messer durch den Geldbeutel in den Stempen ramme und dann in der dunkelheit der Straßen Japan's verschwinde. Weg von allem.

VampirpestWo Geschichten leben. Entdecke jetzt