33

210 13 0
                                    

Natürlich hätte ich auch in dem Schatten verschwinden können. Aber ich brauche jetzt bewegung. Und die habe ich eben nur, wenn ich mich über die Dächer der Stadt bewege, die so geschäftig am herumwuseln ist. Geschäfte werden abgewickelt. Leute lernen sich kennen, oder lösen ihre Beziehung auf, sei sie auf Liebe oder auf Freundschaft basierend. Es wird gelacht und geweint. In Krankenhäusern verbringen Leute ihre ersten und letzten Tage. Ihre schönsten und schlimmsten. In Banken werden Kredite gegeben oder verwehrt. In Schulen wird das wissen reingepresst und nur bestimmte Leute weitergelassen. Die, die in das system passen. Es wird getötet und geliebt.

Aber das ist die Stadt, in der ich seit sieben Jahren lebe und die Stadt, die ich kenne. Und ich habe noch nicht einmal die Unterwelt aufgezählt. Menschen oder menschliche Teile werden dort verkauft. Gehandelt und gefeilscht. Der Schwarzmarkt floriert, genau so wie die Auftragsmörder-Szene. Viele Neueinsteiger, aber niemand bleibt lange. Sie werden entweder selbst getötet, oder steigen wieder aus. Ich kenne nur wenige, die sich dieser Sache komplett verschrieben haben. Dazu zählen 'Der Rabe', 'Die Lady' und 'Z'. Ich kenne nur ihre Namen. Aber irgendwie kennt man sich schon untereinander und weiß, was der andere kann.

Als ich den Übergang von Stadt zu Land erreiche, verlangsamere ich meine Schritte und laufe meinen gewohnten Weg. Durch kleinere Gassen und Gärten, die es hier zu hauf gibt. Hier ist es auffälliger, wenn man auf den Dächern entlang läuft. Sollte ich kurz vor dem entdecken stehen, verschwinde ich in den Schatten, die es hier überall gibt. Auf dem Land laufe ich dann am Waldrand entlang und in Richtung der schwer verseuchten Gebiete. Und ich spüre, dass ich schon seit meiner Wohnung verfolgt werde. Aber es ist ein bekanntes Gefühl und ich lasse es zu. Ich lasse zu, dass Alucard mit folgt und mich beobachtet.

Die unsichtbare Grenze zum 'Outbreak' ist schnell erreicht und ich gehe nun langsam weiter. Werde nun aufmerksam und spüre vereinzelte Ghule, die sich im Schatten des Waldes aufhalten. Aber ich gehe nicht in den Wald, sondern in offenes Terrain. Ich sehe mich um und bleibe stehen. Langsam ziehe ich einen Handschuh aus und hole das Katana hervor. Ich lege die schneide in meine Hand, schließe diese um das Katana und ziehe es dann aus meiner Hand. Ein Schmerz zuckt nur meine Nerven, aber es lässt sich nicht vermeiden, wenn ich sie anlocken will. Das Blut quillt aus der Wunde und ich lasse es auf den Boden tropfen.

Es dauert nicht lange und schon hat sich die Wunde wieder geschlossen. Ich ziehe den Handschuh wieder darüber und warte. Eine Minute... Stumm stehe ich da und habe meine Augen geschlossen. Verlasse mich nur auf meinen Spürsinn. Zwei Minuten... Ich merke, wie sich ein Haufen der Ghule im Wald versammelt. Die Masse wird immer größer und erinnert mich an die Masse von damals, als wir in dem Wagen überfallen wurden. Aber für mich ist das jetzt kein Problem mehr. Ich habe genügend trainiert und gelernt, damit ich dies für mich nutzen kann.

Ein einzelner schriller Schrei und ich höre sie. Wie sie alle gemeinsam aus dem Wald brechen. Langsam mache ich die Augen auf und sehe sie nun auch. Mit dem Katana in der Hand warte ich, bis sie auf mich zukommen. Ich mache mich bereit und meine Konzentration steigt. Ich spüre Alucard's unsicherheit und es stört mich. Also mache ich das einzige, was mir einfällt. Ich sende ihm meine zuversicht. Wenn andere Zweifel haben, schön und gut. Aber wenn diese Zweifel auf mich übertragen werden, dann ist das schon irgendwie störend! Ich atme noch ein letztes mal tief durch die Maske ein und langsam aus, ehe ich nach vorn stürme.

Mein Kampfstil hat etwas, dass man mit einem Tanz vergleichen könnte. Früher vielleicht auch schon, aber damals war dieser Tanz höchstens rucklig und unsauber. Doch jetzt ist er fließend. Das Katana schneidet überall hindurch. Verwesendes Fleisch, Knochen, Muskeln und Sehnen. Das ist egal. Ich weiche dem Blut so gut es geht aus, kann aber nicht verhindern dass welches auf die Kleidung kommt. Aber genau deswegen habe ich diese weiße Kleidung. Ghul für Ghul wird in seine einzelteile zerlegt und ich freue mich irgendwie schon auf den Kampf gegen den Vampir. Denn irgendwie scheint das hier einer der Brutstätte zu sein.

Die Klauen und Zähne der Ghouls sind nichts gegen mein Katana und auch mein Chokuto, dass ich nun in meiner anderen Hand habe. Die Munition für die Pistole spare ich mir lieber. Ausweichen, parieren, zurücktreten und gleich wieder vorspringen, ducken, nach links oder rechts treten... Für mich nun eine kleinigkeit. Sieben Jahre hartes Training mit dem Leben am Limit und den Kämpfen gegen so einige Vampire haben mich so hinterlassen. Wäre ich nicht stark genug, so wäre ich schon längst irgendjemandem zum Opfer gefallen. Also ist das für mich nicht wirklich ein Problem, hier zu schlachten.

Die erste Welle ist problemlos zurück geschlagen und ich nehme die Gasmaske ab, obwohl ich noch viele andere im Wald spüre. Angelockt durch die Kampfgeräusche und mein Blut. Die Maske lasse ich locker um meinen Hals hängen und wische das Blut vom Katana und vom Chokuto. Später werde ich es sterilisieren lassen. Aber jetzt nicht. Stattdessen warte ich auf die neuen Ghule, die sich aber noch nicht heraus trauen. Ihr Meister scheint sich etwas neues auszudenken und ich freue mich. Endlich etwas abwechslung! Vorfreude steigt auf und ich gehe gespannt wartend und lauernd in die Hocke. Jetzt Proben zu nehmen wäre Selbstmord!

Kurz denke ich nach, ehe ich mich wieder aufrichte. Wieso warten, wenn ich auch rein kann? Meine Mundwinkel zucken kurz und ich spüre, wie sich Adrenalin in meinem Körper freisetzt und es bis in die Zehenspitzen vordringt. Meine Probenspender habe ich auf dem Boden liegen. Also muss ich mir jetzt keine Sorgen machen, wenn ich meine Fähigkeit einsetze! Ich freue mich wie damals, als kleines Kind. Als die Geschenke unter dem Baum lagen, für die unsere Eltern sich den Buckel krumm geackert haben. Nur damit ich und meine Brüder uns freuen und lachen können. Nur ist diese Freude ein klein wenig anders. Ich gebe nicht... ich nehme!

VampirpestWo Geschichten leben. Entdecke jetzt