"Seerose", hob Geisterfuchs an, "ich muss wirklich zurück. Ich kann nicht hier bleiben! Sie werden sich fragen, wo ich bin, und dann kommt alles heraus!"
Seerose hatte genug. "Das ist mir völlig egal!", fauchte sie, "entscheide dich endlich! Entweder du entscheidest dich für mich oder für den Clan, der mich vertrieben hat!"
Geisterfuchs senkte den Kopf und betrachtete nachdenklich den Boden. Scheinbar wusste er nicht, was er tun sollte, also miaute Seerose weiter:
"Wenn du mich wirklich lieben würdest, würdest du auch Monde lang für mich hier bleiben. Dann würdest du alles für mich tun, aber scheinbar meinst du es nicht ernst.
Als ich damals vertrieben wurde, hast du nichts getan. Du hast da gestanden und zugesehen. Mich haben so viele Katzen in meinem Leben verraten.
Mein eigener Bruder, der mich schon so oft ermorden wollte und gerade eben versucht hat, mich ins Feuer zu stürzen.
Mein eigener Vater, Windnebel, dem ungeborene Jungen mit einer grässlichen Kätzin lieber sind und er mich deswegen abgewiesen hat.
Und noch so viele mehr. Vielleicht übertreibe ich, vielleicht nerve ich dich gerade, aber merkst du denn nicht, dass du mir etwas bedeutest? Dass du mir wichtig bist?"
Tränen sammelten sich in Seeroses Augen, als Geisterfuchs immer noch nicht antwortete. Hatte er nichts dazu zu sagen? Begriff er nicht, was sie meinte?
"Warum sagst du nichts? Warum sprichst du nicht mit mir? Warum bist du so still? Gerade eben hast du noch gesagt, dass du mich liebst, und jetzt willst du gehen?"
Immer noch kam von Geisterfuchs keine Antwort. Schweigend drehte er sich um und sah aufs Wasser, dessen Wellen durchs lebendige Licht des Mondes glitten. Sein bernsteinfarbener Blick, der in der Dunkelheit blutrot wirkte, schien in andere Welten zu gleiten. Die Liebe war aus seinen Augen gewichen und nun lagen nur noch Schmerz und Hass in ihnen.
"Ich versuche, mit dir zu reden, und du? Du wendest dich ab. Ich merke doch, wie egal ich dir bin. Warum gehst du nicht einfach, wenn es so ist? Du willst nicht bleiben, weil dein Clan dich braucht, aber nicht gehen, weil ich dich brauche. Doch ich brauche dich nicht. Ich brauche dich nicht, wenn du dich nicht einmal um mich scherst!"
Seeroses Stimme war vor Schmerz und Trauer erstickt. Jedes Wort blieb ihr fast in der Kehle stecken. Die Welt um sie herum fühlte sich an, als würde sie zusammenbrechen.
Sie glaubte, jeden Moment umzukippen. Das wünschte sie sich sogar. Warum konnte sie nicht einfach sterben? Warum war sie nicht einfach im Feuer verbrannt?
Dann würde Schwarzfluss jetzt mit ihr zum WunderClan gleiten. Sie würde ihre Mutter einfach wiedersehen und könnte glücklich sein.Sie ging einige Schritte auf Geisterfuchs zu, hielt jedoch noch eine Fuchslänge Abstand. So nahe wollte sie ihm auch nicht sein. Er hatte sie mit seinem Schweigen verletzt.
"Geisterfuchs", flüsterte sie leise, "warum tust du das? Warum bist du so still? Warum verletzt du mich? Warum sagst du nichts? Ich bitte dich, sprich doch mit mir! Ich würde alles für dich tun. Ich würde mit dir wegrennen. Die Clans hinter mir lassen. Ich würde wirklich alles für dich tun. Alles. Ich würde mein Leben für dich geben."
Geisterfuchs zuckte als Zeichen, dass er sie gehört hatte, mit den Ohren, doch sagte immer noch nichts. Er ging näher ans Wasser. Einen Moment stand er noch da, ehe er in den Fluss hinein glitt. Die Kälte umfasste seinen Pelz und es musste sich anfühlen, als wäre die Blattleere gekommen, um ihn zu töten.
"Gut", murmelte Seerose enttäuscht, "geh. Geh. Wenn es das ist, was dein Herz von dir will. Ich werde dich auch weiterhin lieben, da ich dich nicht hassen könnte. Aber erwarte nicht, dass ich dir folgen werde."
Mit diesen Worten warf sie einen letzten traurigen Blick auf den grauen Kater, der ihr gerade das Herz brach, ehe sie sich abwandte, um zu gehen.
Doch sie hielt an, als Geisterfuchs rief: "Seerose! Warte!"
Seerose zuckte zusammen und wirbelte herum. Geisterfuchs hatte das Wasser verlassen und kam auf sie zu. Er stellte sich ihr in den Weg und beobachtete sie schweigend.
"Geisterfuchs! Lass das sein!", fauchte Seerose, als er sich immer noch nicht rührte.
"Nein, du bleibst jetzt hier und hörst mir zu", miaute der graue Kater. Die Wassertropfen glänzten in seinem Pelz wie Sterne am Himmel.
"Ich habe nie behauptet, dass ich dich nicht liebe", fauchte er freudlos, "ich würde auch alles für dich tun! Für dich wäre ich in den Flammen gestorben und hätte mein Leben gegeben! Aber ich muss wirklich zu meinem Clan zurück, sonst kommt alles heraus! Und niemand darf erfahren, was ich dir gesagt habe!"
Seerose zuckte resigniert mit den Ohren. Meinte er es ernst? Konnte sie ihm glauben? Oder log er sie wieder an?
Geisterfuchs blickte sie verzweifelt an. "Was soll ich tun, damit du mir glaubst?"
Die junge SternenClan-Kriegerin wusste es nicht. Was erwartete sie eigentlich von ihm? Dass er ging? Dass er blieb? Das ging alles so schnell. Viel zu schnell.
Warum musste er mir das während des Feuers sagen? Warum nicht später?
Sie musterte den grauen SonnenClan-Krieger hilflos. "Ich habe doch keine Ahnung", flüsterte sie.
"Ich doch auch nicht", erwiderte er und sah zu Boden.
Ein kaltes Schweigen breitete sich aus, das keiner brechen wollte.
"Na gut", flüsterte Seerose schließlich, "dann geh zurück, wenn sie dich suchen werden. Ich sollte allmählich auch verschwinden. Nicht, dass man uns hier noch gemeinsam erwischt, das darf nicht passieren. Aber versprich mir, dass wir uns bald wiedersehen werden."
Geisterfuchs nickte und leckte Seerose sanft über die Ohren. "Du kennst doch den einen Teil des Waldes, der dem SonnenClan noch gehört? Lass uns uns dort in drei Sonnenaufgängen treffen, dort kommt nämlich nie jemand hin."
Die hellgraue Kätzin nickte zum Abschied.
Geisterfuchs verschwand bald im Wasser und schwamm zurück zu seinen Clan, so wie Seerose zurück zum SternenClan musste.
Sie beide hatten ihre eigenen Leben, die nicht zusammenpassten. Und doch liebten sie sich. Aber eine Frage brannte immer noch in Seerose: Waren sie jetzt eigentlich Gefährten geworden?
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Warrior Cats - Special Adventure - Seeroses Bestimmung
Fantasía"Schwarz und Weiß werden kämpfen, Eis muss fallen und Schatten sollen diese Welt regieren. Erst wenn einer siegt, kehrt Frieden ein." Die Zeit fließt immer weiter wie ein Fluss und niemand kann etwas dagegen tun. Das Schicksal ist für jeden vorbesti...