{Hope}
»Du wirst meine Mutter und Eathon lieben«,räuspert sich Kayden, als wir gerade auf unser Gepäck warten. Ich halte Ausschau nach meinem grell pinken Koffer, der aber aus irgendwelchen unergründlichen Gründen nicht auftauchen will.
»Wie alt ist Eathon?«,frage ich und schaue für einen kurzen Augenblick Kayden an, wende den Blick aber sofort wieder ab, da ich meinen Koffer nicht übersehen will. »Siebzehn, er geht noch auf die Highschool.« Er lacht rau und irgendwie merkt man ihm wirklich an, dass er seine Familie unfassbar liebt. Das freut mich für ihn, denn das ist wirklich total schön. Jeder Mensch sollte ein gutes Verhältnis zu der Familie besitzen, denn Familie ist neben der Gesundheit das Wichtigste. Freunde kommen und gehen, aber Familie bleibt für immer. Die besten Freunde gehören für mich sowieso zu meiner Familie dazu.
»Wie ist er?« Kayden hat meine Neugier bereits geweckt, ich würde gerne wissen, worauf ich mich still vorbereiten kann. Aber das lässt er stets nicht zu, denn er sagt lediglich mit einem schelmischen Grinsen:»Das wirst du schon sehen.«
Gequält verziehe ich das Gesicht, die Nervosität und die Aufregung nagen an mir.
»Ach, komm schon. Das schaffst du schon, bei meiner Familie musst du dir keine Sorgen machen.« Seine Stimme klingt sanft und voller Zuversicht. Ganz bewusst hat er dabei nur seine Familie erwähnt, zu der mein Vater wohl nicht dazu gehört. »Na gut.« Tapfer lächele ich und meine Miene hellt sich sofort auf, als ich meinen Koffer erblicke. Sobald er griffbereit ist, schnappe ich ihn mir und ziehe ihn zu mir.Wir laufen in die große Halle, wo schon mehrere Familien ihre Liebsten erwarten. Bisher haben sowohl mein Vater als auch Kayden noch nicht Hailey und Eathon entdeckt. Die Aufregung steigt in mir immer mehr und ich ziehe meine Lippe zwischen die Zähne. Wie werden sie wohl sein? Kayden hat zwar gemeint, ich werde sie mögen und ich würde keine Probleme mit ihnen haben, aber was ist wenn er mich einfach nur beruhigen wollte? Was ist wenn sie mich überhaupt nicht leiden können? Ich meine für Hailey bin ich immerhin die wieder aufgetauchte Tochter von ihrem Verlobten und seiner Ex-Frau. Da würde ich sogar verstehen, dass sie mich nicht duldet. Wobei ich sie eigentlich auch nicht ausstehen kann, sie hat mir meinen Vater genommen. Sie ist schuld daran, was für Elend ich und meine Mutter erlebt haben.
Ob das wirklich ihre Absicht war, kann ich nicht bezeugen, ich weiß nur was Tatsache ist. Wegen ihr habe ich meinen Vater - den ich einmal so vergöttert habe - verloren.
»Da sind sie!«,ruft auf einmal mein Vater hinter mir und kurz darauf sehe ich ihn an mir vorbei sprinten. Tatsächlich erblicke ich eine junge Frau und einen Jungen, deren Ähnlichkeit zu Kayden kaum zu übersehen ist. Mein Vater fällt der Frau - Kayden's Mutter und Vater's Verlobte - in die Arme und drückt sie an sich. Ein Stich trifft mich in der Magengrube und ich wende meinen Blick von ihnen ab, als sie sich herzlich mit einem Kuss begrüßen.
Kayden verzieht angewidert das Gesicht und zieht mich am Arm mit sich, da sich mein Schritt wie automatisch verlangsamt. Verzweifelt suche ich in allen Richtungen nach einem Ausweg, doch vergeblich. Irgendwann nach einer gefühlten Ewigkeit voller innerer Qualen stehe ich vor ihnen. Kayden's Mutter lacht mich fröhlich und offen an und breitet ihre Arme aus. Völlig perplex schrecke ich zurück, damit habe ich jetzt nicht gerechnet.
Kayden ist ihr wie aus dem Gesicht geschnitten. Sie hat dieselben grünen Augen, dieselben vollen Lippen und sogar das gleiche freundliche Lächeln, das ihre Lippen ziert. Auch ihre dunkel braunen Haare sind lockig und gehen ihr bis zu den Schultern. Ich muss zugeben, sie ist wirklich hübsch. Das kann ich überhaupt nicht abstreiten und das werde ich auch nicht.
Hilflos sucht sie Kayden's Blick, der mich nur erwartend anschaut. Schon wieder lastet dieser große Druck auf mir, auf irgendeine Weise zu handeln. Da sie bemerkt, dass das nicht zu passieren scheint, ergreift sie selbst die Initiative und schlingt ihre Arme um mich. Diese Offenheit mir gegenüber reißt mich echt aus den Socken. »Ich bin Hailey. Schön dich kennenzulernen. Kayden und Christopher haben schon so viel von dir erzählt.« Es verblüfft mich, dass sie so voller Fassung und Freundlichkeit mit mir sprechen kann. Das verdient echt Respekt, ich bin eher ein Mensch, der zunächst sehr skeptisch und vorsichtig gegenüber neuen Bekanntschaften ist.
Ihre Umarmung ist fest, als würden wir uns schon unser Leben lang kennen. Als wäre wir nicht Fremde füreinander, die sich gerade zum ersten Mal treffen. Auf irgendeine verrückte Weise ist diese Umarming sogar vertraulich und ich fühle mich wohl.
Kayden hat von mir erzählt?
Was hat er über mich gesagt?
Dass er sogar seiner Mutter von mir erzählt, das muss doch was heißen, nicht? Und wenn es das täte, sollte es dennoch keine große Bedeutung für mich tragen, oder?
Kayden ist mir zwar nach wie vor unfassbar wichtig und ich sehe so viel in ihm - mehr als ich wohl sollte - aber da steht diese Sache zwischen uns, die uns daran hindert. Das wird sich auch nicht verändern. Ich könnte mich zwar auch Teenage-Niveau sinken lassen und mich mit Kayden verbünden, um unsere Eltern auseinander zu bringen? Aber das wird Konsequenzen tragen und höchstwahrscheinlich würde es alles nur noch verschlimmern. Ist nicht so, dass ich diesen Gedanken noch nie durchgespielt habe, aber ich habe ihn schnell abgeworfen. Auf Dauer würde diese Sache nicht gut gehen.
»Na, erzählt mal. Wie war euer Flug?«, will Hailey voller Neugier wissen. Ihr Blick haftet auf mir und ich lächele sie leicht an. »Ganz okay«,erwidern Kayden und ich gleichzeitig. Seine Augen funkeln mal wieder, als sich unsere Augenpaare treffen. Wir lächeln uns an, ein paar Sekunden zu lange, um es harmlos zu nennen.
»Ich bin Eathon. Kayden's Bruder«,begrüßt mich jetzt Eathon und sichtlich fällt ihm nicht ein, wie er mich begrüßen soll. Zugegebenermaßen ich auch nicht. So endet es damit, dass wir einfach voreinander stehen und ich eine verwirrende Geste gestikuliere, die eigentlich ein Winken darstellen sollte.
»Kleiner Bruder«,mischt sich jetzt Kayden ein und ich muss lachen. Er legt seinem Bruder einen Arm um die Schulter und drückt ihn wie einen Teddybär an sich. »Ich hab dich sooooo lieb!« Jetzt war es um mich geschehen. Im nächsten Moment breche ich in Gelächter aus und halte mir die Hand an den Bauch. Denn dieser schmerzt immer, wenn ich stark lache. Seine Stimme klingt wie die eines kleinen Jungen, der noch in den Kindergarten geht. »Halt deine Klappe!«,stöhnt Eathon und verdreht gespielt die Augen, trotzdem kann er sich ein Lachen nicht verkneifen. Das kann wohl keiner, denn Hailey - und sogar mein Vater - beobachten die Szene belustigt.
»Ich bin Hope«,stelle ich mich vor, als ich mich endlich wieder beruhigt habe und ich nicht mehr fast an meinem Lachen ersticke. »Ich weiß.« Zweideutig zwinkert er mir zu und ich schaue ihn fragend an. Was meint er damit und warum hat er es auf diese Weise von sich gegeben?
Eathon ist wirklich ein hübscher Junge, das liegt wohl in der Familie. Doch hinzu übersähen süße Sommersprossen sein gesamtes Gesicht, die ihn ein wenig jünger wirken lassen als er ist.
»Ignorier ihn einfach, er hat manchmal seine komischen Phasen, wo er sich dementsprechend verhält«,provoziert Kayden und zeigt verachtend auf seinen Bruder, der jetzt in eine andere Richtung schaut und die Augen verdreht.
»Bro, du hast meinen ersten Eindruck versaut«,beschwert er sich und verzieht das Gesicht. »Hab ich doch nicht.« Kayden reißt seine Augen auf und tut so, als wüsste er nicht wovon Eathon spricht. »Doch«,widerspricht er und schaut mich entschuldigend an. »Hat er nicht. Alles gut«,beruhige ich ihn und er lächelt sofort erleichtert. Irgendwie voll süß, dass er sich so darum schert, welchen Eindruck er bei mir macht. So viele Jungs dieser Sorte sind nicht mehr so häufig vertreten. Umso süßer ist es jetzt aber noch, dass er sich jetzt so gefreut hat bei meiner Reaktion.
Eine wirklich herzliche Familie scheinen die Harpers zu sein, desto mehr wundert es mich aber, was Hailey an meinem Vater findet. Denn er stellt das komplette Gegenteil zu ihnen dar. Manchmal würde ich gerne wissen, was mit Kayden's Vater passiert ist. Darüber hat er noch kein einziges Wort verloren und sobald die Rede von seinem Vater war, blockte er sofort ab. Das ist so typisch Kayden. Jedes Mal wenn es kompliziert oder unangenehm wird, weist er immer ab.
Aber mache ich das nicht auch?
Ich bin doch die Person, die jetzt auf Abstand versucht zu gehen wegen dieser Sache. Genauso wollte ich mit niemandem drüber reden.Sind ich und Kayden uns vielleicht doch ähnlicher, als wir denken und behaupten?
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My Happy-End
RomanceCinderella, Ariel, Aurora. Das Happy-End, das diese bekommen hatten, wünschte sich Hope schon ihr Leben lang. Hopes Leben scheint auch perfekt zu sein. Studentin an einer der renomiertesten Universitäten in New York, geliebte Tochter und Freundin...