{Hope}
Ich greife nach meiner handlichen Clutch und verstaue in ihr nur das Nötigste, was ich für den Abend benötigen werde. Zufrieden betrachte ich mich im Spiegel. Das weinrote spitzenbesetzte Prinzessinnenkleid, das ich heute mit Eathon und seiner Freundin Gabriela gekauft habe, steht mir wirklich gut. Beide beharrten mehrere Male, dass sie nur Freunde sind und sich einfach nur schon sehr lange kennen, doch mir kann man nichts vormachen.
Mir entgeht doch nicht die Art und Weise, wie sie sich gegenseitig anschauen und anlächeln. Als wäre alles um sie rum lediglich eine Illusion und sie die Wirklichkeit.
Hinzu passen sie auch noch super zusammen. Ich könnte schwören, dass sie die gleiche Ausstrahlung besitzen, den gleichen Sinn von Humor.
So einfach wäre diese Geschichte, dennoch zu viel Unsicherheit bei Beiden. Keiner kann es über sich bringen, sich einzugestehen, was sie fühlen.Als ich unten ankomme, treffe ich auf Eathon und Kayden, die mich bereits erwarten. Seit gestern habe ich nicht mehr mit Kayden gesprochen und er hatte aber auch keinen Versuch gestartet. Gekonnt hatte er mich den ganzen Tag über ignoriert. Ich versuche, mir die Enttäuschung nicht anmerken zu lassen, als er den Blick starr auf den Boden gerichtet lässt, nachdem er mich eingängig von oben bis unten betrachtet hatte. Genauso wenig wie ich mir versuche nicht anmerken zu lassen, wie beeindruckt ich von seinem Erscheinungsbild bin. Der Smoking steht ihm einfach unverschämt gut, zu gut.
Im Gegensatz zu ihm, grinst Eathon mich an und hält mir einen Arm hin, in dem ich mich einhaken kann.
»Mademoiselle«,säuselt er.
»Monsieur«,entgegne ich und hake mich bei ihm ein.
Auch Kayden lässt mich bei sich einhaken, doch dies ändert nichts daran, dass er immer noch denselben düsteren Blick trägt, wie zuvor.
Zu dritt steigen wir in eine schwarze Limousine, die uns geschwind zu der Firma meines Vaters kutschiert.Als wir den Eingang der Firma betreten, könnte ich schwören, alle Blicke der Anwesenden auf mir zu spüren.
Ich komme mir vor wie in einem Teenie Film, wo das Mädchen all ihre Blicke auf sich zieht, weil sie so bezaubernd aussieht. Zwei Jungen neben ihr, die fast schon rüberkommen, wie ihre persönlichen Beschützer. Naja, so sehr schweift diese Bezeichnung ja nicht einmal ab.
Doch im Gegensatz zu diesen Mädchen aus den Filmen, fühle ich mich nicht unbehaglich unter all diesen Blicken. Ich bin es gewohnt, Blicke auf mich zu ziehen.
Dennoch fühle ich mich hier fehl am Platz. Jeder in diesem riesigen Raum, sieht aus, als würde er seine Zeit nur damit verbringen, geschäftliche Angelegenheiten zu lösen.
Zwar gibt es auch eine Truppe jüngerer Leute, die alle ziemlich sympathisch auf den ersten Blick auf mich wirken. Auf den zweiten Blick ist aber auch sofort zu erkennen, dass alle Kinder reicher Leute sind, die verwöhnt werden, wie es nur geht.
Das schlimmste von allem.
Ich bin auch eine von ihnen. Der Mann, der mit Sicherheit der Schlimmste von allen ist und es faustdick hinter den Ohren hat, tritt jetzt an einen Pult der auf einer riesigen Bühne liegt. Dieser Mann ist mein Vater.
»Liebe Kollegen, Kolleginnen. Hier heute zu stehen, ist die größte Ehre. Vor 10 Jahren gründete ich diese wundervolle Firma mit der Frau meiner Träume, Heather Coleen Harper. Wir haben uns heute hier versammelt, um dies zu feiern und darauf anzustoßen.«
Diese Worte, wo er über die Frau seiner Träume spricht, schmerzen immer noch. Doch langsam gewöhne ich mich daran. Nicht das Geringste werde ich daran ändern können, wenn ich weiter in dieser Trauer und der Enttäuschung gefangen bin.
Er hat sich für diesen Weg entschieden - auch wenn dieser vermutlich mich nicht mit einbezieht. Seit dem vergangenen Tag ist die Stimmung angespannt. Niemand sprach noch einmal auf das Thema an. Kayden tauchte gestern auch nicht mehr auf. Er muss irgendwann in der Nacht wieder gekommen sein, denn heute in der Frühe war er wieder da.
Eathon hat sich nicht mehr aufgeregt gegenüber Christopher und Heather. Er verhielt sich normal gegenüber den Beiden, zwar nicht wie zuvor, aber besser als gedacht.
»Jetzt will ich aber darum bitten, dass du, Heather, auf diese Bühne kommst ...«, er spricht weiter und weiter. Jedoch gehen die restlichen Worte, wie ein Gleitfilm an mir vorbei. Denn sofort bemerke ich, wie Kayden sich von uns entfernt und schlussendlich das Gebäude verlässt.
Er würde nicht weggehen, ich weiß es.
Deshalb sage ich Eathon kurz Bescheid und folge ihm nach draußen. Ein paar der reichen Schnösel folgen mir mit ihrem Blick, doch ich ignoriere diese gekonnt.
Zu meiner Erleichterung, steht Kayden wirklich nicht viele Meter entfernt vom Eingang und starrt in den schönen Nachthimmel, an welchen tausende von Sternen stehen.
Dennoch bemerkt er mich sofort und verdreht die Augen.
»Hope, du hättest mir nicht folgen sollen.«
Er schaut zwar in meine Richtung, dennoch treffen sich unsere Blicke nicht. Warum kann er mir nicht in die Augen schauen?
»Warum nicht?«,stelle ich mich dumm und stütze meine Arme in die Hüfte.
»Lass mich in Ruhe.«
»Nein«,widerspreche ich ihm, was ihn überrascht zusammen zucken lässt. Mit diesem bestimmten Ton hatte er womöglich nicht gerechnet.
»Nein? Das solltest du aber!«
Warum verhält er sich jetzt auf einmal so? Klar, er ist verletzt und enttäuscht und ... verdammt, ich verstehe ihn! Aber warum veranstaltet er jetzt gegenüber mir so ein Theater, wo ich keine Schuld daran trage.
Jetzt finde ich den Kayden wieder, wie ich ihn vor ein paar Jahren kennengelernt habe.
Der Kayden, der Menschen von sich stößt, die sich um ihn sorgen.
»Kayden, stoße mich nicht von dir. Glaubst du, ich habe das verdient?! Fuck, ich weiß auch, dass ich mich niemals so darin reinversetzen werden kann, was du gerade erlebst. Aber wenigstens ansatzweise und ich versuche mein Bestes. Ich bitte dich einfach nur, stoße mich nicht von dir, nur weil ich mich um dich sorge!«
Mit jedem Wort trete ich ein kleines Stück näher an ihn.
Er schreckt nicht weg, aber er kommt mir auch nicht entgegen. Doch wenigstens habe ich ihn zum Schweigen gebracht. Ich spüre, wie es in ihm arbeitet. Wie er mit sich selbst kämpft. Wie er langsam weich wird und kurz davor ist, sich bei mir zu entschuldigen. Sich mir zu öffnen.
Allerdings enttäuscht er mich, und auch sich selbst.
»Vielleicht solltest du einfach aufhören, dich um mich zu sorgen. Es gibt Leute, die sind es nicht wert.«
Als er mir jetzt in den Augen schaut, erkenne ich sofort die Lüge, die sich hinter seinen Worten verbirgt. Die Tränen verraten ihn, die jeden Moment damit drohen, auszubrechen. Um dies zu verhindern reibt er sich schnell die Augen, fährt sich durch seine Haare und lässt mich wieder alleine stehen.
Ich schaue ihm noch dabei zu, wie er in der Dunkelheit verschwindet.
Vielleicht sollte ich ihm folgen, um zu versuchen, dass er sich mit gegenüber öffnet.
Um zu verhindern, dass er Scheiße baut. Aber er ist erwachsen und verantwortungsbewusst.
Er wird bedacht handeln, oder?
Ich weiß, er will mich nicht verletzen. Das ist nicht seine Natur.
Dieser Junge ist verletzt, weiß nicht, wie er mit all dem umgehen soll.
Vielleicht hat er auch einfach nur die Angst, andere Menschen wirklich ernsthaft zu verletzen, wie es seine Eltern getan haben.
Das ist nicht Kayden, wo gerade niemanden an sich ran lässt.
Der wahre Kayden, ist mein Kayden. Der Junge, der mich mit seiner Art immer wieder aufs Neue zum lachen bringt, doch mir auch bewusst macht, wie wertvoll ich bin.
Er ist liebevoll, stolz und herzerwärmend. Trotz allem liebt er seine Mutter - da bin ich mir sicher. Er könnte sie niemals hassen, ich habe gesehen, wie stolz er ist, sie als seine Mutter zu haben.
Doch was wirklich in ihm vorgeht, weiß nur er.
Trotzdem werde ich versuchen, hinter diese Fassade zu blicken und wieder meinen echten Kayden zurückzuholen, der sich immer noch in ihm verbirgt.
Der sich gerade fast wieder an die Oberfläche gekämpft hatte.
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My Happy-End
RomanceCinderella, Ariel, Aurora. Das Happy-End, das diese bekommen hatten, wünschte sich Hope schon ihr Leben lang. Hopes Leben scheint auch perfekt zu sein. Studentin an einer der renomiertesten Universitäten in New York, geliebte Tochter und Freundin...