Der Wald

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Bilbo war vollkommen außer Atem. Seine Arme schmerzten und hingen kraftlos herab. Erschöpft sah er sich zwischen seinen Gefährten um. Sie alle wirkten erschöpft, aber keiner hatte größere Verletzungen.

„Fili! Kili!", rief Thorin aus und ging schnellen Schrittes zu seinen Neffen. Das Schwert Orcrist steckte er weg und zog erst den einen, dann den anderen in eine feste Umarmung. Schließlich trat er einen Schritt zurück und musterte sie aufmerksam. „Geht es euch gut? Seid ihr verletzt?", fragte er scharf. Kili schüttelte den Kopf. „Uns geht es gut. Es ist nichts passiert. Wir haben höchstens ein paar Kratzer abbekommen.", versicherte er.

„Wie konnten sie euch überhaupt erwischen?", mischte sich Dwalin ein. Die Brüder blickten betreten zu Boden. „Wir haben sie nicht kommen hören. Plötzlich waren sie überall um uns herum. Es waren so viele, wir hatten keine Chance.", sagte Fili. Thorin klopfte seinem Erben auf die Schulter. „Ich vertraue darauf, dass ihr mutig gekämpft habt. Dann zu verlieren ist keine Schande.", sagte er tröstend. „Wir können von Glück reden, dass wir euch so schnell gefunden haben.", fügte Gandalf erleichtert hinzu und lehnte sich auf seinen Stab.

Bilbo lächelte zufrieden. Alle waren wohlauf. Das war die Hauptsache. Erleichterung durchflutete ihn und er steckte sein Schwert zurück in die Scheide. „Lyrann hat genau zum richtigen Zeitpunkt eingegriffen.", erzählte Kili begeistert. „Die Orks fingen an, mutiger zu werden und auf uns los zu gehen. Da hat sie sie mit Pfeilen verwirrt. Mir war klar, dass es Lyrann sein musste.", fuhr er fort. Fili nickte bestätigend und sah zu der Halbelbin hinüber.

Auch die anderen sahen zu ihr hinüber. Bilbo erschrak, als er die junge Frau sah. Sie saß abgeschlagen auf einem Stein. Die linke Hand hatte sie auf den rechten Arm gepresst. Blut sickerte zwischen ihren Fingern hervor und benetzte ihren dunklen Mantel. Sie war noch bleicher als gewöhnlich. Als sie die Blicke der anderen bemerkte, stand sie rasch auf und nahm ihre übliche, aufrechte Haltung ein. „Das ist nur ein Kratzer.", versicherte sie rasch.

„Du bist ziemlich bleich.", bemerkte Kili besorgt und Balin nickte bestätigend. Lyrann lachte kurz rau auf. „Kein Wunder, ein Warg hat mich fast zerquetscht.", sagte sie in heiterem Tonfall, um von ihrer Wunde abzulenken. „Das ist nicht komisch!", sagte Thorin plötzlich scharf. Er ging mit raschem Schritt auf Lyrann zu und zog ihre Hand weg. Dann schob er den Umhang beiseite. Lyrann protestierte leise. Doch der Zwerg war unerbittlich. Bilbo japste auf, als er die Wunde an Lyranns Arm sah.

Der Warg musste seine Krallen in ihre Schulter geschlagen haben. Drei tiefe Risse begannen an der Schulter und zogen sich fast bis zum Ellenbogen, wo sie glücklicherweise nicht mehr tief waren. Doch an der Schulter blutete Lyrann stark. Das Blut floss an ihrem Arm hinab, als Thorin die Wunde frei legte.

Er zog scharf die Luft durch die Zähne ein. „Was hast du dir dabei gedacht, allein die Orks anzugreifen, als wir noch nicht da waren?", schimpfte er los. Lyrann sah ihn an und trotz ihrer Blässe funkelten ihre Augen zornig. „Das ist nicht passiert, als ich noch allein war! Sondern, als ich von dem Warg eben angegriffen wurde!", erwiderte sie wütend. Thorin verstummte. Bilbo sah, wie er sich auf die Lippen biss.

Der Hobbit wunderte sich. Bisher hatte er gedacht, dass Lyrann Thorin vollkommen gleichgültig war. Wenn er sie nicht sogar verabscheute. Aber offenbar hatte sich seine Meinung zu der Halbelbin so weit geändert, dass er sich jetzt sogar Sorgen um sie machte. Auch ihn hatte er so geschimpft, als Bilbo sich seinetwegen in Gefahr begeben hatte. Neben sich hörte er ein erheitertes Glucksen von Gandalf.

„Das muss versorgt werden.", sagte Thorin mit fester Stimme, „Oin!" Er winkte nach dem alten Zwerg. Der kam sofort herbei und zog seine Tasche mit Verbandmaterial und Kräutern hervor. „Das ist doch nicht nötig!", protestierte Lyrann und versuchte sich Thorins Griff zu entziehen. Doch der Zwerg war stärker als sie und nötigte sie dazu, sich wieder auf den Stein zu setzen. Gandalf trat dazu und blickte über Thorins Schulter auf die Wunde. „Das muss ordentlich gereinigt und verbunden werden.", stellte Oin sachlich fest. „Wenn das Fleisch nicht gut zusammen wächst, kann es sein, dass du den Arm nicht mehr richtig gebrauchen kannst.", fuhr er fort. Lyrann stöhnte, wehrte sich aber nicht mehr gegen Thorin.

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