Eine unpassende Gefährtin

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Nervös ging Thorin den Korridor entlang. War er eben angespannt gewesen, so war das nichts im Vergleich zu dem, wie er sich nun fühlte.

Nachdem er sich von Lyrann verabschiedet hatte, war er in Richtung Haupttor gegangen. Er war gerade rechtzeitig gekommen, als alle neu angekommenen Zwerge sich in Thronsaal und Vorhalle gedrängt hatten. Beide Hallen waren voll gestopft gewesen mit den Angehörigen seines Volkes. Und Thorin hatte sich genötigt gesehen, sie in einer kleinen Ansprache willkommen zu heißen. Das war etwas, was er wahrlich nicht mehr gewöhnt gewesen war. Lange hatte er nur vor seiner Gemeinschaft gesprochen. Aber seine alte Wortgewandtheit war glücklicherweise schnell zu ihm zurück gekehrt. Nun waren alle Zwerge auf dem Weg zu ihren Wohnungen. Vorher jedoch noch war er belagert worden von unzähligen Zwergen, die begehrten zu wissen, ob die Unterkünfte ihrer Vorfahren für sie verfügbar waren, ob es genug zu essen gab oder welche Aufgaben auf sie warteten. Leider hatten auch die Nachkommen der alten Ratsmitglieder ihn gefunden und lautstark den Platz im Rat gefordert, den ihre Vorfahren besessen hatten.

Mit unendlicher Geduld hatte Thorin sich um jeden von ihnen gekümmert und konnte sich nun der Aufgabe stellen, vor der er weit mehr Angst hatte. Er war auf dem Weg zu Dis' Kammer. Und nun konnte er nicht länger so tun, als wäre Lyrann eine einfache Weggefährtin. Noch immer überlegte Thorin, wie er sich seiner Schwester erklären sollte, wo er doch selbst sich noch über vieles im Unklaren war. Viel zu schnell erreichte er ihre Tür.

„Herein!", erklang Dis' Stimme, kurz nachdem er geklopft hatte. Thorin trat ein und erblickte seine Schwester an einem Frisiertisch sitzen. „Komm rein, Thorin!", rief Dis froh. Langsam ging Thorin auf sie zu. Seine Schwester hatte ihr Reisekleid abgelegt und trug stattdessen ein hellblaues, elegantes Kleid. Auf Schmuck verzichtete sie komplett seit ihr Gemahl gestorben war. Im Moment flocht sie ihre Haare zu einer komplizierten Frisur.

„Hast du dich um alles gekümmert?", fragte sie ihn. Thorin nickte und stellte sich hinter sie, sodass sie ihn in ihrem Spiegel sehen konnte. Dis lächelte. „Ich bin bald fertig.", sagte sie. „Ich werde bestimmt bald eine Dienerin für dich finden, die dir hilft.", versprach Thorin. „Nun, das wäre eine Erleichterung."

Ihre Augen blitzten auf, als sie Thorin musterte. „Erzähl, was es mit dieser Lyrann auf sich hat!", forderte sie ihn auf. Irritiert sah Thorin Dis an. Diese lachte: „Tu nicht so! Ich hab gesehen, wie du ihre Hand genommen hast."

Thorin spürte, wie ihm die Hitze ins Gesicht schoss. Das konnte er nicht leugnen. Angespannt verschlang er die Finger ineinander und sah seine Schwester forschend an. Wie würde sie reagieren? Dis jedoch lächelte nur ermutigend. Mit plötzlich heftig klopfendem Herzen rang Thorin um Worte.

„Ich....." Er holte tief Luft und machte einen zweiten Versuch. „Ich liebe sie.", sagte er. Dis klappte der Mund auf. Dann jedoch begann sie zu lachen und sprang auf. Bevor Thorin etwas sagen konnte, umarmte sie ihn. Noch immer lachend löste sie sich von ihm, dem noch ganz und gar nicht nach lachen zumute war. „Aber Thorin, das ist doch wunderbar!", rief sie, „Ehrlich, langsam wurde es Zeit. Ich hatte mir schon Sorgen gemacht, dass du nie eine Frau finden wirst, die dein Interesse weckt." Lächelnd nahm sie seine Hände in die ihren. „Ich freue mich so für dich, Bruder! Aber, jetzt musst du mir alles über sie erzählen!" Erwartungsvoll sah sie zu ihm auf.

Thorin sah Dis an. Er hatte keine Ahnung, was er ihr erzählen sollte. „Nun....", begann er ein wenig verlegen, „Wir trafen sie in Bruchtal. Dort hat sie sich uns angeschlossen. Sie ist eine fähige Kämpferin, außerdem loyal und intelligent...." Er kam sich furchtbar albern und hilflos vor. Dis lachte auf. „Natürlich ist sie das. Sonst würdest du sie nicht lieben.... Allerdings muss ich sagen, dass Lyrann ein seltsamer Name ist. Das klingt sehr exotisch, wenn du mich fragst. Und Bruchtal? Was hat sie denn bitte mit Elben zu schaffen?" Ein wenig ungehalten rümpfte Dis die Nase.

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