Fassreiter

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Lange noch blickte sie der Elbin hinterher. Sie war verwundert und gleichzeitig erfreut über die Hilfe der Frau. Mit bedächtigen Bewegungen trug sie Tauriels Salbe auf ihrem wunden Gesicht auf und begann schließlich ein paar der Kräuter zu kauen. Während sie so da saß und ihre Medizin kaute, dachte sie über Tauriel nach. Schon als sie die Frau das erste mal gesehen hatte, war sie über ihr Verhalten verwundert gewesen. Als sie Tauriel damals im Wald gesehen hatte. Andere Elben hätten angegriffen, Tauriel hatte sich zurück gezogen und sie beobachtet. Dann hatte sie sich tatsächlich auf ein Gespräch mit Kili eingelassen. Und das nicht nur ein mal. Ihr kam ihr kurzes Gespräch auf Sindarin in den Sinn, das sie geführt hatten, als Tauriel ihr die Salbe gebracht hatte.

„Warum hast du mich nach dem Namen gefragt?" Tauriel schwieg kurz. Schließlich hob sie den Blick und sah Lyrann mit einem merkwürdigen Ausdruck in den Augen an. " Der Zwerg hat mein Interesse erweckt. Er ist furchtlos und hat mich bereits mehrmals angesprochen. Ich war erstaunt. Er erzählte mir von einem Feuermond, den er gesehen hatte. Ich dachte nicht, dass ein Zwerg so etwas beachtet."

Diese Antwort hatte Lyrann sehr erstaunt. Aber sie war zu geschwächt gewesen, um darüber nachzudenken. Nun erschien ihr Tauriel wie eine ungewöhnlich neugierige Elbin. Sie wirkte sehr viel offener und toleranter als viele ihres Volkes. Und Lyrann vermutete, dass sie über einen starken Sinn für Gerechtigkeit verfügte. Sonst hätte sie sie weder vor Thranduil gewarnt noch würde sie ihnen jetzt helfen.

Lyrann blickte umher. Ohne ihr Zutun schweifte ihr Blick zu Thorins Zelle. Da stand der Zwerg an der Tür und blickte nachdenklich in den Korridor, in dem Tauriel verschwunden war. Während Lyrann den Zwerg betrachtete stieg Zuneigung in ihr auf. Überrascht registrierte sie diese Gefühle. Aber warum sollte sie dem Zwerg keine freundschaftlichen Gefühle entgegen bringen? Er hatte sie in der letzten Zeit respektvoll und freundlich behandelt. Ja, er hatte sich sogar offen um sie gesorgt. Sie konnte nicht anders als gerührt zu sein, als sie an seine Wut dachte. Und während sie ihn beobachtete konnte sie nicht umhin zu bemerken, dass ihr an seinem Respekt und an seiner Freundschaft gelegen war. Vorbei waren die Zeiten, in denen sie nur Frust und Ärger bei dem Gedanken an ihn gefühlt hatte. In dem Moment sah Thorin zu ihr hinüber. Ein kurzes Lächeln glitt über seine Züge, als er sie ansah. Lyranns Herz setzte einen Schlag lang aus und sie erwiderte das Lächeln. Für einen Moment erschien die Flucht aus diesen Kerkern gar nicht mehr so abwegig.


Bilbo drückte sich an die Wand des Lagerraumes. Er verbrachte nun schon mehrere Stunden damit, die Wächter hier unten auszuspionieren. Es war ein langweiliges und zugleich beängstigendes Geschäft. Gemeinsam mit Tauriel hatte er einen Fluchtplan geschmiedet. Er hatte mit seinen Beobachtungen Recht gehabt, dass die Klappe in den Fluss hinein der einzige Weg aus dem Palast außer dem Haupttor war. Und Tauriel hatte ihm erklärt, dass auf diesem Weg Waren und leere Kisten nach Seestadt transportiert wurden. Ebenso hatte Tauriel heraus gefunden, dass in dieser Nacht einige leere Fässer nach Seestadt geschickt werden sollten. Leider war Tauriel nur Anführerin der Königsgarde und konnte so nicht heraus finden, wie viele Wächter heute nacht die Fässer nach Seestadt schicken würden. Das würde doch zu viel Verdacht erregen. Also war das Bilbos Aufgabe. Unsichtbar, durch seinen Ring, stand er in einer Ecke und beobachtete die beiden Elben die die Waren bewachten. Beide waren unglaublich gelangweilt und begannen sich über ihren König und seine Vorliebe für Wein auszulassen.

Es hatte nicht den Anschein, dass noch mehr Wächter dazu kommen würden. Still verließ Bilbo seinen Posten und schlich durch die Gänge. In einem verlassenen Korridor stand Tauriel, wie sie verabredet hatten. Bilbo konnte immer noch nicht ganz glauben, dass sie ihnen helfen wollte. Er zog den Ring vom Finger und trat auf Tauriel zu. Noch hatte sie nicht bemerkt, dass er in der Lage war, sich unsichtbar zu machen. Als sie zusammen geprallt waren, hatte er großes Glück gehabt. Und er hatte nicht vor, ihr von dem Ring zu erzählen.

BastardkindWo Geschichten leben. Entdecke jetzt