Die Schmieden des Erebor

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Mit finsterem Blick sah Thorin zu den flackernden Lichtern Seestadts hinab. Er hatte dem Berg den Rücken zugewandt, lauschte aber angestrengt nach weiteren Geräuschen. Als der Drache die ersten Male gebrüllt hatte, waren sie alle furchtbar erschrocken. Die Zwerge hatten sofort hinein gehen wollen, um Bilbo zu helfen. Keiner von ihnen verstand...

Keiner der anderen konnte nachvollziehen, was auf dem Spiel stand. Sie konnten kaum allein den Drachen heraus fordern. Er musste mit einer Konfrontation warten, bis er die Heere der anderen Zwergenvölker hinter sich hatte. Deswegen war der Arkenstein so wichtig. Thorin spürte, wie sein Denken mehr und mehr um den Stein kreiste. Er musste Bilbo mehr Zeit geben. Der Hobbit würde es schon schaffen. Sonst.... Thorin verkrampfte sich bei dem Gedanken, dass Bilbo den Stein nicht finden könnte.

Balins Worte kamen ihm in den Kopf. Ich fürchte um dich! Kaum merklich schüttelte der Zwergenkönig den Kopf. Es war anders als bei seinem Großvater. Er war schließlich Thorin und nicht Thror! Ihn würde die Drachenkrankheit nicht verändern. Nur konnte er einfach nicht riskieren, dass ihre Mission scheiterte, indem er für ein Mitglied seiner Gemeinschaft in den Berg hinein stürmte. Anders als die anderen trug er Verantwortung, Verantwortung für sein Volk. Sie mussten warten.

Zweifel kamen in ihm hoch. Er wurde nicht verrückt. Aber er wusste sehr wohl um die Bedeutung und die Wichtigkeit des Arkensteins. An diesen Gedanken klammerte Thorin sich fest.

Langsam fing er an, auf und ab zu gehen. Seine Gedanken wanderten zu seinen Neffen. Er hoffte inständig, dass es Kili besser ging. Aber so schlecht, wie der Junge ausgesehen hatte... Thorin hatte ihm gesagt, er solle nachkommen, wenn er ausgeruht hatte. Doch mittlerweile machte sich in ihm die Angst breit, dass Kili an der Wunde sterben könnte. Er verdrängte den Gedanken mit aller Kraft. An so etwas durfte er nicht denken. Jetzt musste er sich auf ihre Mission konzentrieren!

Aber im Moment gab es nichts zu tun außer warten. Und so fing Thorin wieder an, zu grübeln. Lyranns Gesicht schob sich in seine Gedanken. Widersprüchliche Gefühle kamen in ihm hoch. Wut, Enttäuschung, Verwirrung und Sehnsucht durchfluteten ihn. Der Zwerg ballte die Hände zu Fäusten. Sie war lieber zurück geblieben, als mit ihm zu kommen. Warum? Wollte sie sich wirklich einfach nur um Kili kümmern, oder bedeutete sein jüngster Neffe ihr vielleicht doch mehr als angenommen? Thorin wünschte, er wüsste eine Antwort darauf. Jetzt sehnte er sich nach ihr. Das konnte er nicht leugnen. Bei dem Gedanken an sie spürte er, wie ihn Wärme durchströmte. Gleichzeitig war er wütend auf sich. Er machte sich viel zu verletzlich mit diesen Gefühlen! Es störte selbst jetzt seine Konzentration! Ebenso war er wütend auf sie. Lyrann hatte entschlossen, in Seestadt zu bleiben. Sie stand ihm nicht bei, half ihm nicht, zog seine Neffen ihm vor! Warum vermisste er sie dann so sehr, wenn er doch wütend auf sie war?

Ein erneutes Brüllen riss ihn aus seinen Grübeleien. Thorin sah zur Öffnung im Fels. Auch die anderen sahen dort hin. Auf ihren Gesichtern war die Angst deutlich zu sehen. Der Berg vibrierte. Es fühlte sich an, als würde Smaug gerade ein Teil der Hallen zerstören. Unentschlossen trat Thorin an die Tür heran. Seine Hand lag auf dem Griff seines Schwertes. Was sollte er tun? Sollte er hinein gehen, Bilbo helfen und eine viel zu frühe Konfrontation mit dem Drachen riskieren? Oder sollte er lieber warten? Wieder brüllte der Drache.

Thorin fasste einen Entschluss. Mit gezogenem Schwert lief er in den Berg hinein, um wenn nötig, den Arkenstein selbst zu suchen. Hinter sich hörte er die Schritte der anderen Zwerge.


Mit einem Satz sprang Lyrann an Land. Ihre Stiefel patschten in das noch seichte Wasser des Sees. Sie griff nach dem Boot und zog es an Land. Dann wandte sie sich dem Berg zu. Ihr sank der Mut. Zwar beleuchtete der Mond den Berg und die gesamte Umgebung. Aber wie sollte sie hier ganz allein die Geheimtür finden? Zumal ja durchaus die Möglichkeit bestand, dass die anderen bereits im Berg waren.... Dann würden sie noch nicht mal ihr Rufen hören.

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