Die Erben Durins

1.5K 89 21
                                    

Er stand in der Galerie der Könige. Das Gold, mit dem sie Smaug hatten töten wollen, war mittlerweile erstarrt und bedeckte den Boden der ganzen Halle. Unter sich konnte Thorin sein eigenes Spiegelbild betrachten. Auf seinem Haupt thronte die Krone, die er vor kurzem in den Schatzhallen gefunden hatte. Doch er brauchte nicht das Bild, um sich ihrer Existenz zu vergewissern. Ständig spürte er ihre Last auf dem Kopf. Das Gewicht, das ihm abends Nackenschmerzen bescherte. Es schien, als wäre der Krone das psychische Gewicht der Königswürde nicht genug.

Sein langer purpurner Mantel schleifte hinter ihm her, während er in tiefen Gedanken durch die Halle schritt. Von den Kampfgeräuschen draußen bekam er nichts mit. Aber er sorgte sich auch nicht sonderlich um den Kampf. Nun, da die Orks aufgetaucht waren, waren Thranduil und Bard genug beschäftigt. Sie würden nicht mehr an den Schatz denken. Um Dain und sein Heer tat es ihm ein wenig Leid, aber er war sich sicher, dass diese Leben geopfert werden mussten, um den Schatz hier zu schützen.

Nun konnte er, während draußen gekämpft wurde, in Ruhe darüber nachdenken, wie er weiter verfahren sollte. Erst hatte er die Idee gehabt, das Gold noch tiefer in den Berg zu bringen. Aber das würde warten müssen. Und fürs Erste war es wohl sicher genug, da sich die Interessenten daran sich draußen gegenseitig aufrieben.

Was ihm viel eher Sorgen bereitete, war der Arkenstein. Noch immer spürte er diese übermächtige Sehnsucht nach dem Stein. Wie sollte er ihn in die Hände bekommen? Der Stein war irgendwo da draußen. Vielleicht ging er gerade in der Schlacht verloren. Zornig knirschte Thorin mit den Zähnen als er an den Verrat des Hobbits dachte. Er hätte es wissen müssen, dass er dem Halbling nicht hatte trauen dürfen! Aber er hatte ihm vertraut, er hätte ihm sogar sein Leben anvertraut! Doch der Hobbit hatte ihn betrogen und vermutlich glaubte er auch noch, ihm geholfen zu haben. Die Situation war dafür aber nur noch schlimmer geworden. Wie sollte Thorin ohne den Stein die Zwergenvölker kontrollieren? Sein Zorn war wahrlich gerechtfertigt gewesen....

Der Gedanke an Lyrann ging ihm durch den Kopf, wie sie sich zwischen ihn und Bilbo gestellt hatte. Ein merkwürdiger Schmerz stach in sein Herz. War er ihr etwa immer noch dermaßen zu getan? Aber auch sie hatte ihn verraten! Sie hatte sich auf Bilbos Seite geschlagen! Es war nur bestens, dass sie fort war! Und warum war er dann so voller Reue und Schmerz, wenn er an den Streit dachte? Niedergeschlagen wünschte er sich, sie wäre hier und würde ihm dabei helfen, den Arkenstein zurück zu gewinnen.

Mühevoll riss er sich von den trüben Gedanken los. Sein Blick fiel auf den vergoldeten Boden zu seinen Füßen. Er musste sich auf das konzentrieren, was wichtig war. Irgendwie musste er an den Arkenstein heran kommen. Und er musste sein Gold besser schützen. Einige Zeit lang betrachtete er versunken sein Spiegelbild. Wie wunderschön der Anblick des Goldes doch war..... Es gab nichts schöneres auf der ganzen Welt.

Er bemerkte nicht, wie seine Schritte ihn zu der Stelle trugen, wo sie mit der Statue Thrors versucht hatten, Smaug zu töten. Seine Blicke glitten zu den noch an den Seilen hängenden Steinen, die die Statue umfasst hatten. In Gedanken tauchte das gutmütige Gesicht seines Großvaters auf. Er hatte ihn immer angebetet und zu ihm aufgeblickt. Doch das Gesicht Thrors veränderte sich in seiner Erinnerung. Er sah einen früh gealterten Thror, den er tief in der Nacht in der Schatzhalle beobachtet hatte, wie er, ohne zu essen oder zu schlafen, sein Gold zählte. Trauer stieg in ihm auf, als er daran dachte, wie die Drachenkrankheit seinen Großvater aufgefressen hatte. Der Arkenstein hatte die Sucht Thrors mehr und mehr verschlimmert.

Der Arkenstein..... Er sah zu Boden, als er voller Verlangen an den Stein dachte. Nichts im gesamten Schatz war vergleichbar mit ihm.... Er selbst hatte den Schatz nach dem Stein durchsucht.... Plötzlich erfasste ihn Grauen. Voller Entsetzen dachte er daran, wie er selbst diese Nacht ohne Nahrung und Schlaf in der Schatzkammer verbracht hatte. Er war wie Thror in seiner Erinnerung umher gegangen..... Plötzliche Angst lähmte Thorins Glieder. Kraftlos sank er auf den goldenen Boden. Langsam schlich sich die Erkenntnis in seinen Verstand.

BastardkindWo Geschichten leben. Entdecke jetzt